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Politik: Rückkehr ins Präsidentenamt

Sozialistin Bachelet gewinnt die Wahlen in Chile.

Puebla - Michelle Bachelet zum Zweiten: Am Sonntag hat sich die 62-jährige Kinderärztin in der Stichwahl klar gegen ihre Konkurrentin Evelyn Matthei durchgesetzt und wird ab dem kommenden Jahr Chile erneut regieren. Von 2006 bis 2010 war sie schon einmal Staatschefin; eine direkte Wiederwahl ist in Chile jedoch nicht erlaubt. Anschließend leitete sie die UN-Frauenorganisation. Die Sozialistin erhielt dem vorläufigen Wahlergebnis zufolge 62,4 Prozent der Stimmen, während die konservative Matthei auf 37,5 Prozent kam. DerWahltag verlief ruhig; die Wahlbeteiligung lag bei unter 50 Prozent.

Bereits kurz nach Schließung der Wahllokale war Bachelets Sieg klar. Matthei gratulierte ihr und gestand ihre Niederlage ein. „Ich wünsche ihr viel Erfolg“, sagte Matthei mit Tränen der Enttäuschung in den Augen.

Bachelet übernimmt die Staatsgeschäfte am 11. März vom konservativen Präsidenten Sebastián Piñera. Sie hat in dem von extremer Ungleichheit geprägten Andenland umfassende Reformen versprochen, eine Verfassungsänderung, um der Bevölkerung mehr politische Partizipation zu ermöglichen, und den Ausbau des Sozialstaates. Unter anderem sollen die Reichen mehr Steuern zahlen und die Universitätsbildung soll kostenlos sein.

Analysten zufolge wird dies schwierig werden, da die Wirtschaft langsamer wächst, der Weltmarktpreis für Chiles wichtigstes Exportprodukt Kupfer sinkt und die Regierungskoalition im Kongress mit der rechten Opposition verhandeln muss. Ein radikaler Kurswechsel steht in Chile aber nicht zur Debatte, die Regierungskoalition reicht von den Christdemokraten bis zu den Kommunisten. „Ich mache mir keine Sorgen um die Investitionen, egal wer Präsidentin wird“, sagte der Multimillionär Andronico Luksic bei der Stimmabgabe.

2010 hatte Bachelet ihre Amtszeit mit Zustimmungsraten um die 80 Prozent beendet, obwohl ihr einige Pannen unterlaufen waren, etwa bei der Neuordnung des städtischen Nahverkehrs. Weder die Studentenproteste noch das Aufbegehren der Mapuche-Indigenas konnte sie zufriedenstellend lösen, den Tsunami 2010 unterschätzte sie fatal. Trotzdem blieb sie ein Mythos. „Wie genau, wissen wir bis heute nicht“, sagt der Rektor der Universität Adolfo Ibáñez, Andrés Benítez. „Sie schwebt über den Dingen und gleichzeitig können sich die Menschen mit ihr identifizieren.“

Dieses Kunststück zu wiederholen, dürfte schwierig werden, denn seither ist der Gesellschaftsvertrag zerbrochen. Die Chilenen fordern tiefgreifende Reformen, für die Pfründe der politischen und wirtschaftlichen Elite beschnitten werden müssen. Das neoliberale Wirtschaftsmodell, das von der Diktatur eingeführt und von den demokratischen Regierungen seit 1990 kaum angetastet wurde, ist an seine Grenzen gestoßen. Nicht nur Wachstum und Konsum wollen die Chilenen, sondern auch ein soziales Netz, Transparenz und Umverteilung des stark konzentrierten Reichtums. Dagegen sträuben sich die rechten Parteien. Das Wahlsystem ist auf ein Patt angelegt und zwingt zu Konsens bei Reformen – ein Trick, mit dem Diktator Augusto Pinochet die Rückkehr des Sozialismus verhindern wollte. Deshalb stellen vor allem junge Politiker die aus der Diktatur stammende Verfassung infrage. Sandra Weiss

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