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Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet bei TV-Triell

© dpa/Willi Weber/Prosieben/Seven.One

Rot-Grün gegen Laschet: Das Triell zeigt ein Zerrbild

Das letzte TV-Triell vor der Wahl war ein Duell: Laschet gegen Scholz und Baerbock. Doch SPD und Grüne sollten sich nicht zu früh freuen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Dieses Triell war wie Schwarzbrot: bodenständig, weitgehend humorlos, sehr, sehr deutsch, aber eben doch gesund und sättigend. Es war das beste unter den drei Triellen.

Das lag, erstens, an den Themen. Klar, erneut fehlte die Außenpolitik, fehlte Europa. Nur hier und da bekundeten die Kandidaten und die Kandidatin pflichtschuldig, dies oder jenes müsse „europäisch gelöst“ werden. Aber es ging um Themen, die sehr viele Menschen in Deutschland betreffen und vor allem um Themen, die Schwächere betreffen: Niedriglöhner, alleinerziehende Mütter, Kinder, besonders Kinder von Hartz-IV-Empfängern, Pflegerinnen und Pfleger, Menschen die auf dem Land leben, ohne schnelles Netz.

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Olaf Scholz legte sich noch einmal auf einen Mindestlohn von 12 Euro fest, Armin Laschet verhedderte sich in seiner Begründung, warum er den nicht will, Annalena Baerbock hatte reichlich Gelegenheit, ihren Wahlkampfschlager, die Kindergrundsicherung, einzubringen (die wichtigsten politischen Aussagen können Sie hier in unserem Blog nachlesen).

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Dass es das beste Triell bisher war, lag zweitens daran, dass es sachlich zuging.

Das Triell war angenehm sachlich

Im zweiten, öffentlich-rechtlichen Duell vor einer Woche hatte sich Armin Laschet fast zehn wertvolle Minuten lang wie ein wild gewordener Terrier in Scholz Wade verbissen und dabei ein großes Durcheinander verschiedener Vorwürfe vorgebracht – vom Hamburger Cum-Ex-Skandal bis zu den Ermittlungen gegen die dem Finanzministerium unterstellte Stelle zur Geldwäscheverfolgung (FIU). Vorwürfe, die kein normaler Zuschauer in dieser Kürze verstehen konnte (unsere Faktencheck lesen Sie hier).

Dieses Mal gab sich Laschet staatstragender, kanzleriger: Keine persönlichen Angriffe, nur einmal versuchte er, über Bande auf die Versäumnisse bei der Geldwäscheverfolgung anzuspielen, die Scholz zur Last gelegt werden. Am Montag muss der Finanzminister sich im Bundestag verantworten und Laschet fragte Baerbock, was der denn da wohl würde sagen müssen. Bis auf diese kleine Nickeligkeit blieb es scholzig, rheinisch-gemütlich und zivil.

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Angriffslustig zeigte sich allein Annalena Baerbock. Den Grünen scheint – wie schon im zweiten Duell zu spüren war – klar zu sein, dass es höchstwahrscheinlich nicht mehr um die Kanzlerkandidatur geht. Baerbock wirkte befreit, authentisch und kämpferisch – wobei die Zuschauer sie in der Blitzumfrage nur auf den dritten Platz wählten, hinter Scholz auf eins und Laschet auf zwei.

Claudia von Brauchitsch und Linda Zervakis führten souverän und stringent durch den Abend

Der dritte Grund waren die beiden Moderatorinnen. Claudia von Brauchitsch und Linda Zervakis führten souverän, stringent und unparteiisch durch den Abend, anders als beim öffentlich-rechtlichen Triell, als Maybrit Illner und Oliver Köhr sich viel zu oft gegenseitig im Weg standen und so manche Chance vergaben.

Für die Zuschauer war es also ein Gewinn – aber auch für die Kandidaten? Kann Laschet mit diesem Triell noch die Trendwende schaffen, die CDU und CSU seit einer Woche versuchen, herbeizureden? War das ein guter Start in die letzte Woche für den Mann, der am nächsten Sonntag am meisten zu verlieren hat?

Die Zuschauer von Sat1/Pro7 zumindest sehen das nicht so.

SPD und Grüne bildeten eine Art Kuschelphalanx gegen Laschet

Doch SPD und Grüne sollte sich nicht zu früh freuen – und zwar nicht nur wegen der allgemeinen Fragwürdigkeit von Blitzumfragen. Der Fokus auf die Sozialpolitik in diesem dritten und letzten TV-Triell könnte einen verzerrenden Effekt haben. Laschet stand auch deshalb besonders schlecht da, weil er bei vielen Themen beide, Scholz und Baerbock, als eine Art rot-grüne Kuschelphalanx gegen sich hatte (Vertreter beider Parteien stießen nach dem Duell auch demonstrativ an und standen beieinander).

Themen, bei denen sich SPD und Grüne sich nicht einig sind, gibt es tatsächlich ebenfalls viele, sei es ein früherer Kohleausstieg, die Russlandpolitik oder ein Enddatum für den Verbrennungsmotor (zu letzterem schweigt das SPD-Wahlprogramm wohlweislich). Nichts davon wurde thematisiert.

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So musste Laschet allein versuchen, zu erklären, warum er eine Vermögenssteuer nicht für richtig hält und einen Mindestlohn schon gar nicht. Seine Erklärungsversuche wirkten zudem umso kühler, weil in den Einspielern der Sender Menschen von ihrem Leben erzählten und Sympathien weckten, die nicht zum klassischen CDU-Klientel gehören, etwa eine alleinerziehende Mutter, die zwei Jobs hat, um sich und ihre Tochter durchzubringen. Nach so einem Video zu erklären, die beste Absicherung gegen Armut seien es eben, Wachstum und Jobs zu schaffen, wirkte arg herzlos.

Laschet wirkt kühl

Umgekehrt fehlten Fragen, die für Laschet günstig gewesen wären, die Frage der Finanzierung des sozial-ökologischen Umbaus der Gesellschaft etwa, bei der Baerbock regelmäßig ins Schwimmen kommt und die es Laschet erlaubt, die CDU als Partei solider Staatsfinanzen darzustellen.

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Dieses Thema, ebenso wie die Angst der anderen Mitte der Gesellschaft (die vielen Familienbetrieben etwa, die sich vor einer Erbschafts- und Vermögenssteuer fürchten), kamen kaum vor – und zählen wahrscheinlich auch nicht so häufig zu den Sat1/Pro7-Zuschauern, die abstimmen durften. Wählen werden sie trotzdem.

So bleibt selbst dieses gelungene Schwarzbrot-Duell eben nur eine schnelle Stulle zwischendurch auf dem Weg zum großen Tag der Wahrheit, dem Wahltag am nächsten Sonntag.

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