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Die Zärtlichkeit der Maschine: Eine Frau umarmt den humanoiden Roboter "Pepper".

© Ole Spata/dpa

Roboter: Die Utopie in der Maschine

Die Automatisierung der menschlichen Lebenswelt birgt gesellschaftliche Sprengkraft. Aber auch neue Gesellschaftsentwürfe sind dadurch vorstellbar. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Der Roboter übernimmt. Bei der Deutschen Post heißt er „Postbot“, seit dieser Woche ist er im Einsatz. An der Universität Marburg heißt er „Pepper“ und im südkoreanischen Militär „SGR-A1“. Der Erste trägt Briefe aus. Der Zweite berät Studenten. Der Dritte tötet Menschen.

Vor zehn Jahren entwickelte Samsung mit „SGR-A1“ den ersten vollautomatischen Kampfroboter. Künstliche Intelligenz entscheidet über Leben und Tod. Es ist die materialisierte Dystopie des Maschinenzeitalters. Kürzlich erst warnten über 100 Vertreter der Roboterbranche in einem offenen Brief an die Vereinten Nationen vor autonomen Waffensystemen.

Ein Roboter entscheidet über Leben und Tod

Nach einem gescheiterten Pilotprojekt wurde der Einsatz von „SGR-A1“ zur Grenzsicherung zwar vorerst gestoppt, doch der Triumph der technischen Logik über die Menschen scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Die Automatisierung durch Fließbandfertigung unter Henry Ford legte 1913 den Grundstein für den kapitalistischen Wohlfahrtsstaat. Die Kehrseite: eine monotone Arbeit, die zu Abstumpfung und Motivationsproblemen bei den Arbeitern führte.

Schon Marx erkannte: „In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine.“ Ist der Mensch heute nur noch bloßes Anhängsel der Maschinerie unter der Herrschaft von automatisierten Sachzwängen? Wir erleben derzeit eine ungeheuerliche Beschleunigung der Lebenswelt durch künstliche Intelligenz. Diese Kräfte könnten nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhang sprengen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes das Ende der Menschheit herbeiführen.

Dystopie oder Utopie?

Man denke nur an den kürzlich verstorbenen ehemaligen sowjetischen Oberleutnant Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow, der 1983 einen Atomkrieg verhinderte. Als das hoch entwickelte automatisierte Frühwarnsystem einen Fehlalarm auslöste, intervenierte er gerade noch rechtzeitig, bevor die Generäle auf den roten Knopf für den Gegenschlag drückten. Auf das Diktat der Automatisierung reagiert der Mensch oft reflexartig.

Dabei ist Technik ihrem Wesen nach neutral. Sie kann jedoch nicht abgelöst von ihrem Gebrauch betrachtet werden. In der kapitalistischen Warengesellschaft produziert die Entwicklung künstlicher Intelligenz Widersprüche. Eine der größten Befürchtungen: die drohende Massenarbeitslosigkeit durch Automatisierung. Braucht es also eine neue Generation von Maschinenstürmern?

Die Maschine als Spiegel der Gesellschaft

Noch tanzt der Mensch im Takt des maschinellen Rhythmus. Dabei müsste die Automatisierung nicht zu Verwerfungen führen. Künstliche Intelligenz birgt ein hohes Maß an utopischem Potenzial. Die Technik könnte so eingesetzt werden, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeit durch Menschen auf ein Minimum reduziert wird. Man denke nur an den eingangs genannten Postroboter.

Am Ende sind beide, die apokalyptische Dystopie und die Utopie, nicht mehr als das: futuristische Szenarien. Weder eine Dämonisierung noch eine einseitige Heilserwartung werden der Automatisierung gerecht. Der technische Fortschritt ist vielmehr abhängig von seiner Einbettung in die Gesellschaft. Noch liegt die Gestaltung der Rahmenbedingungen in den Händen aus Fleisch und Blut. Der Blick auf die Maschine wird somit zu einem Blick in den gesellschaftlichen Spiegel, in dem sich der Mensch letztlich selbst erkennen könnte.

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