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Politik: Richterinnen gesucht

Trotz Streits mit den USA gewinnt der Internationale Strafgerichtshof an Gestalt. Doch es gibt Personalprobleme

Von Ruth Ciesinger

Die künftigen Jäger von Kriegsverbrechern und Völkermördern haben noch keine n, aber eines ist klar: Die meisten werden Männer sein. Nicht, dass die Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs das so wollen. In New York haben sich deren Vertreter gerade neben Prozessordnung und Budgetregeln auf Verfahren geeinigt, nach denen die 18 Richter, der Chefankläger und dessen Mitarbeiter gewählt werden. Frauen sollen klar vertreten sein, so der ausdrückliche Wunsch. Doch die meisten der 18 Richterstühle werden nach regionalem Schlüssel unter den Vertretern Afrikas, West- und Osteuropas und Asiens verteilt; vielerorts, so heißt es, mangele es leider an Kandidatinnen.

Im Schatten der Auseinandersetzung mit den USA gewinnt der Gerichtshof an Gestalt. Bis zum 30. November müssen die Vorschläge für die künftigen Richter eingereicht werden, die Wahlen stehen im Februar an. Die Schweiz hat bisher die einzige Frau, die Juristin Barbara Ott, nominiert. Ott hat schon Erfahrungen beim Kriegsverbrechertribunal für Ruanda gemacht. Belgien schlägt den Menschenrechtsexperten Marc Bossuyt vor, Zypern will den Präsidenten seines Verfassungsgerichts, Georghios Pikis, ins Rennen schicken. Deutschland hat sich noch nicht offiziell geäußert, im Gespräch ist unter anderem der Völkerrechtler und Vorsitzende des Max- Planck-Instituts in Freiburg, Albin Eser.

Die entscheidende Frage aber ist, wer sich auf den heißen Stuhl des Chefanklägers setzen wird, und die ist noch nicht geklärt. Gerade dessen Arbeit wird wegweisend für den Erfolg des Strafgerichtshofs sein, genauso wie der erste Fall, darüber waren sich die Vertreter in New York einig. Denn an ihm werden vor allem die USA messen, ob es sich bei dem Gerichtshof um ein unabhängiges Weltgericht oder eine politisch motivierte Institution handelt. Die Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag, Carla del Ponte, hat sich Spekulationen über eine Kandidatur mit ihrem Wunsch entzogen, den Prozess gegen Milosevic zu Ende führen zu wollen. Inzwischen taucht als potenzieller Kandidat oft der Name von del Pontes Vorgänger beim Jugoslawientribunal auf, der Südafrikaner Richard Goldstone. Goldstone hat in den vergangenen Monaten wiederholt gefordert, die Unterzeichnerstaaten sollten ihren Weg unbeirrt fortsetzen, dann würden auch die Vereinigten Staaten über kurz oder lang mit an Bord kommen.

Doch gerade versuchen diese, mit möglichst vielen Staaten gegenseitige Nicht-Auslieferungsabkommen abzuschließen. Israel, Ost-Timor, der EU-Beitrittskandidat Rumänien und Tadschikistan haben schon unterzeichnet. Die Amerikaner machen sich dabei eine Interpretation des Artikel 98 des Statuts zu Nutze, die ganz im Gegensatz zu der der Europäer steht. Der zweite Absatz des Artikels bezieht sich auf Fälle, in denen der Gerichtshof an einen Staat kein „Überstellungsersuchen“ stellen darf – wenn dieser dann gegen seine anderen „völkerrechtlichen Übereinkünfte" handeln müsste. Die Amerikaner sehen dadurch ihre geplanten bilateralen Abkommen gedeckt. Aus Sicht der Europäer bezieht sich der Absatz nur auf schon bestehende Abkommen, wie zum Beispiel das Nato-Truppenstatut. Und auf spezielle Gruppen wie Soldaten, nicht auf alle Bürger.

Am 30. September wollen die EU-Außenminister gemeinsam zu den US-Abkommen Stellung beziehen. Die übrigen Vertragsstaaten sind gespannt – knicken die Europäer ein, so wird befürchtet, ist der Gerichtshof von Anfang an nur ein Schatten seiner selbst.

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