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David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments im November 2021

© dpa/AP/Jean-Francois Badias

Update

„Rhetorischer Titan“: Was David Sassoli als EU-Parlamentspräsidenten besonders machte

Seit Ende Dezember wurde er im Krankenhaus behandelt. Nun starb EU-Parlamentschef Sassoli mit 65 Jahren in seiner Heimat Italien.

Die erschütternde Twitter-Nachricht ist drei dürre Zeilen lang. David Sassoli, Präsident des EU-Parlaments, ist tot, tippte sein Sprecher Roberto Cuillo am Dienstag in den frühen Morgenstunden in den Rechner.

Der 65-jährige Sassoli starb kurz nach Mitternacht überraschend in einem Krankenhaus in Aviano im Nordosten Italiens, in das er am 26. Dezember „wegen einer schweren Komplikation aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems" eingeliefert worden war.

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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen regierte bestürzt auf den Tod Sassolis. „Ich bin zutiefst betrübt über den schrecklichen Verlust eines großen Europäers und stolzen Italieners“, schrieb die deutsche Politikerin auf Twitter.

„David Sassoli war ein einfühlsamer Journalist, ein hervorragender Präsident des Europäischen Parlaments und in erster Linie ein guter Freund.“ Ihre Gedanken seien bei Sassolis Familie. Auf Italienisch ergänzte sie: „Ruhe in Frieden, lieber David!“

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EU-Klimakommissar Frans Timmermans sprach der Familie des Italieners sein Beileid aus. „Seine Herzlichkeit war eine Inspiration für alle, die ihn kannten. Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Lieben“, schrieb der Niederländer auf Twitter. „Mir fehlen die Worte.“

„Ciao David, lebenslanger Freund“, schrieb Italiens Kulturminister Dario Franceschini ebenfalls auf Twitter.

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Sassoli war bereits länger im Krankenhaus, wie am Montag bekannt wurde. Ein Sprecher des EU-Parlaments in Brüssel hatte erklärt, der Italiener sei in einer Klinik in seinem Heimatland untergebracht und werde dort seit dem 26. Dezember behandelt. Alle seine Termine wurden damals abgesagt.

Im September war er bereits wegen einer Lungenentzündung behandelt worden und konnte mehrere Wochen lang nicht seinen Aufgaben als EU-Parlamentspräsident nachgehen. Zuvor war er außerdem einmal an Leukämie erkrankt. Mitte Dezember hatte Sassoli erklärt, nicht zur Wiederwahl als Parlamentspräsident antreten zu wollen.

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Kommende Woche werden die Abgeordneten des Europaparlaments deshalb wie geplant während der Plenarsitzung in Straßburg über seine Nachfolge entscheiden.

Auch Sassolis wahrscheinliche Nachfolgerin Roberta Metsola äußerte sich erschüttert. „Europa hat einen Anführer verloren, ich habe einen Freund verloren, die Demokratie hat einen Vorkämpfer verloren“, erklärte die maltesische Europaabgeordnete auf Twitter. 

Konservative auf demnächst allen EU-Top-Positionen

Sassoli gehörte der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD) an. PD-Chef Enrico Letta bezeichnete Sassoli am Dienstag als „einzigartigen Freund“ und „leidenschaftlichen Europäer“.

Ganz freiwillig hatte Sassoli den Präsidentenstuhl allerdings nicht geräumt, den er seit der Europawahl 2019 innehatte. Seine Amtszeit lief diesen Monat zur Hälfte der Legislaturperiode gemäß einer Absprache der EU-Staats- und Regierungschefs aus. An diese Abmachung wollten sich aber einige europäische Sozialdemokraten nicht mehr halten und beriefen sich auf die komplizierte europäische Machtarithmetik.

Denn die Konservativen würden danach alle europäischen Top-Jobs besetzen. Die Chefin der EU-Kommission ist die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen, die Europäische Zentralbank leitet die französische Konservative Christine Lagarde und EU-Ratspräsident ist der belgische Liberale Charles Michel.

Die Konservativen pochten allerdings auf die Abmachung und präsentierten mit der 39-jährigen Roberta Metsola aus Malta eine junge Frau und Vertreterin eines Kleinstaates. Hinter den Kulissen der EU kam es zu einem wochenlangen Tauziehen, bis am Ende Sassoli verkündete, sich wie besprochen zurückzuziehen. Hier waren aber wohl auch die gesundheitlichen Gründe ausschlaggebend.

Über sein privates Twitter-Konto hatte Sassoli noch am Montagvormittag zum Tod der italienischen Journalistin Silvia Tortora kondoliert. Am 31. Dezember lobte er die Worte des italienischen Staatsoberhauptes, Sergio Mattarella, aus dessen Neujahrsansprache.

Millionen Italiener kannten Sassoli vor allem als Nachrichtensprecher

Sassoli hatte von 2014 bis 2019 den Posten des Vizepräsidenten in der EU-Institution und arbeitete damit noch rund drei Jahre (2014 bis 2017) als Vertreter des damalige Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD).

Am 30. Mai 1956 in Florenz in der Toskana geboren, arbeitete er nach dem Politikstudium als Journalist, zunächst für Zeitungen und Nachrichtenagenturen und dann für den öffentlich-rechtlichen italienischen Rundfunk.

Millionen Italienern wurde er schnell vertraut, da Sassoli die Abendnachrichten im Sender Rai Uno präsentierte.

Doch der umtriebige Mann wollte nicht nur Politik präsentieren, sondern auch gestalten. 2009 zog er für die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) ins EU-Parlament ein. Ab 2014 war er einer der 14 Vize-Präsidenten der EU-Abgeordnetenkammer.

Sassoli galt unter anderem als Kritiker der Migrationspolitik vieler Mitgliedsstaaten. Immer wieder setzte er sich für die Belange von Menschen auf der Flucht ein. In Italien ist Migration besonders zwischen linken und rechten Parteien ein Streitthema, da in dem Mittelmeerland sehr viele Migranten auf ihrer Flucht in Booten ankommen, um in die EU zu gelangen.

Millionen Italiener kannten Sassoli vor allem als Nachrichtensprecher

Er galt zudem als progressiver Katholik. Nach Angaben seiner Partei war er schon als Jugendlicher bei den Pfadfindern und hatte sich in katholischen Jugendgruppen engagiert.

Bekannt war er auch für seine Sprachfertigkeit. Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, bezeichnete Sassoli am Dienstag als „rhetorischen Titan“. Wenn er in den Fraktionssitzungen das Wort ergriffen habe, sei das Temperament bisweilen regelrecht mit ihm durchgegangen. „Er war es gewohnt aufzutreten und dabei eine große Wirkung zu verbreiten“, erinnert sich der deutsche Sozialdemokrat.

Als David Sassoli 2019 zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde, musste er seine Sprachgewalt zügeln, war aber für seine harte Hand bekannt, mit der er Sitzungen leitete. Allerdings konnte er sein politisches Talent auf dem herausgehobenen Posten nicht wirklich demonstrieren, denn seine zweieinhalbjährige Amtszeit wurde durch die Corona-Pandemie geprägt.

So musste er etwa die Umstellung des Parlamentsbetriebs auf Telearbeit koordinieren. Als Politiker wusste er allerdings um die Symbolik seines Tuns. Als Zeichen der europäischen Solidarität inmitten der Krise stellte David Sassoli die verwaisten Räumlichkeiten des Parlaments sowohl in Straßburg als auch in Brüssel zur Verfügung, um Mahlzeiten für bedürftige Familien zuzubereiten und ein Corona-Testzentrum einzurichten. (mit dpa)

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