zum Hauptinhalt
Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde bei einer Parade im Jahr 2011.

© REUTERS

"Revolutionsgarden sind Terrororganisation": Trump gegen die Mullahs - folgt eine Intervention?

Die USA haben die iranischen Revolutionsgarden zur Terrororganisation erklärt. Die Neokonservativen frohlocken. Eine Eskalation wäre ihnen recht. Eine Analyse.

Ginge es nur um Moral, wäre das Urteil leicht gefällt. Das Regime im Iran droht Israel mit Vernichtung, unterstützt den internationalen Terrorismus, foltert und mordet im eigenen Land, dehnt seine Macht in den Libanon aus, nach Syrien und in den Irak. Die Revolutionsgarden, die aus mehr als einer Million Soldaten bestehen, sind die Eliteeinheit der Streitkräfte und wichtiger als die klassische Armee. Sie unterstehen direkt dem obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, kontrollieren alle Grenzen und Militärstützpunkte, sind mittel- und unmittelbar im erheblichen Maße mit der iranischen Wirtschaft verflochten.

Was also liegt näher, als die Revolutionsgarden als ausländische Terrororganisation einzustufen, wie US-Präsident Donald Trump es jetzt tat? Mehr als ein Jahrzehnt lang wurde über diese Maßnahme in Washington debattiert. Nun hat Trump gehandelt.

Letzte Vertreter der "Achse des Bösen"

So kann man es sehen, und so sehen es ganz gewiss die beiden neokonservativen Hardliner im amerikanischen Kabinett, der Nationale Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo. Sie wollen sukzessive den Druck auf Teheran erhöhen, dem letzten wirklichen Vertreter der legendären „Achse des Bösen“. Sie riskieren jede Art der Eskalation, bis hin zur Intervention. Kein Zufall, dass das Außenministerium den Ausschlag zu der Entscheidung gab, allerdings gegen ernste Einwände von Verteidigungs- und Geheimdienstexperten.

Trump selbst hatte in der Außenpolitik bislang eher isolationistische Tendenzen erkennen lassen, er wollte das US-Militärengagement überall auf der Welt reduzieren, am liebsten gar beenden. Doch bereits sein Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran signalisierte, dass er bei diesem Gegner eine Ausnahme macht. Sie wurde einen Tag vor der Parlamentswahl in Israel verkündet, vielleicht wollte der US-Präsident seinem Buddy, Premier Benjamin Netanjahu, nur einen Gefallen tun. Der jedenfalls bedankte sich umgehend bei seinem „lieben Freund Donald Trump“. Der habe damit auf eine wichtige Forderung von ihm reagiert.

Allerdings sollte auch Trump wissen, dass nicht alle Forderungen Netanjahus, falls umgesetzt, den Nahen Osten sicherer machen. Unvergessen ist dessen Auftritt vor Abgeordneten des Kongresses im September 2002, als Netanjahu inständig für eine amerikanische Invasion in den Irak warb. „Ich garantiere Ihnen“, sagte er, „dass ein Sturz Saddams enorm positive Auswirkungen auf die gesamte Region haben wird.“ Es kam bekanntlich anders.

In der Politik, zumal in der Sicherheitspolitik, herrscht das Prinzip des kleineren Übels. Um des kurzfristigen Erfolges willen müssen manchmal langfristige Risiken eingegangen werden. Churchill und Roosevelt paktierten mit Stalin gegen Hitler. Das Ziel heiligte die Mittel. Die USA rüsteten die afghanischen Mudschaheddin gegen die sowjetischen Besatzer aus, Erich Honecker wurde in der Bundesrepublik als Staatsgast empfangen. Wann wird der Bündnispartner zum Komplizen, wann entpuppt sich strategisches Kalkül als perspektivische Dummheit? Solche Fragen lassen sich oft erst rückblickend beantworten.

Präzedenzfall muss wohl überlegt sein

Das US-Außenministerium stuft derzeit sechzig Gruppen als „ausländische terroristische Organisationen“ ein, darunter „Al Qaida“, die Terrormiliz „Islamischer Staat“, die Hamas. Doch mit den Revolutionsgarden traf das Verdikt nun zum ersten Mal eine staatliche Streitmacht. Ein solcher Präzedenzfall muss wohl überlegt und gut begründet sein.

Die US-Regierung erhofft sich davon eine entscheidende Schwächung des Regimes. Doch selbst die Opposition im Iran hat sich demonstrativ hinter die Revolutionsgarden gestellt. Für eine Massenerhebung des Volks gegen die Despoten – wie beim „Arabischen Frühling“ in Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien – gibt es derzeit keine Anzeichen.

Deutlich lassen sich indes die Risiken benennen. In Ländern mit starkem iranischen Einfluss – Libanon, Syrien, Irak – wird es für die USA noch schwieriger, Kontakte aufzubauen. Viele schiitische Milizen haben enge Verbindungen zu den Revolutionsgarden. Der amerikanische Konfrontationskurs kann außerdem jene im Iran bestärken, die das Atomprogramm ihres Landes wieder aufnehmen wollen. Und zu schlechter Letzt: China und Russland werden ihre Beziehungen zu den Mullahs intensivieren. China braucht iranisches Öl, Russland braucht den Iran als Stabilitätsfaktor in Syrien.

Wie gesagt: Ginge es nur um Moral, wäre das Urteil leicht gefällt. Es geht aber auch um Klugheit und Augenmaß. Trump wäre nicht der erste US-Präsident, der die Dynamiken in Nahost falsch einschätzt.

Zur Startseite