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Deutschland will künftig jeden vierten geretteten Flüchtling aufnehmen.

© Renata Brito/AP/dpa

Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen: Seehofer wehrt sich gegen Kritik aus der Union

"Unglaublich, dass man sich rechtfertigen muss": Innenminister Horst Seehofer (CSU) kontert Kritik aus der Union an der Aufnahme von Geretteten.

Von Robert Birnbaum

Horst Seehofer ist sauer, und er macht keinen Hehl daraus. „Es ist unglaublich, dass man sich als Bundesinnenminister für die Rettung von Menschen vor dem Ertrinken rechtfertigen muss“, schimpft der CSU-Mann am Donnerstag in Berlin. Der Zornesausbruch galt den Kritikern eines Angebots, mit dem die Bundesregierung Bewegung in die festgefahrene EU-Flüchtlingspolitik bringen will: Deutschland will sich im Rahmen einer „Koalition der Hilfsbereiten“ mit Frankreich, den Niederlanden und einigen anderen EU-Staaten dazu verpflichten, künftig jeden vierten aus Seenot geretteten Migranten aufzunehmen.

Doch prompt meldeten sich Bedenkenträger – ausgerechnet aus CDU und CSU. Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring warnte aus dem Vorwahlkampf davor, „Anreize“ für Schlepper auf dem Mittelmeer zu setzen. Auch andere warnten vor „Pull-Effekten“. Und selbst der Chef der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, erklärte „vorgegebene Quoten“ für grundsätzlich falsch.

Seehofer verwahrt sich „aufs Schärfste“ gegen die Kritik. Das ist von der Sachlage her verständlich. Erstens hat Deutschland schon bisher jedes Mal, wenn Seenotretter nach langem Gezerre mit Malta oder mit dem damaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini dann doch anlegen durften, zur Lösung der Blockade ungefähr ein Viertel der geretteten Menschen aufgenommen. Zweitens geht es um verschwindend geringe Zahlen: Seehofer rechnete vor, dass seit Mitte vorigen Jahres 565 Schiffbrüchige eine Zusage erhalten haben, von denen die Hälfte noch gar nicht hier ist, weil ihre Sicherheitsüberprüfung läuft.

Das politische Problem ist nur, dass Seehofers Kritiker heute die gleichen Argumentationsmuster benutzen, mit denen der seinerzeitige CSU-Chef jahrelang gegen die Kanzlerin zu Felde zog. Vor einem „Pull-Effekt“ zu warnen, gehörte zu seinem Standardvokabular. Den finalen Krach mit Angela Merkel, der in letzter Konsequenz beide ihre Parteiämter kostete, trieb er wegen ein paar Tausend Flüchtlingen auf innereuropäischer Wanderschaft voran.

Markus Söder stimmte in seiner Regierungserklärung völlig neue Töne an

CDU und CSU haben ihren Streit lange beendet. Markus Söder, der neue starke Mann der CSU, stimmte in seiner Regierungserklärung als Ministerpräsident völlig neue Töne an: von „herzzerreißenden Schicksalen“ sprach Söder und davon, dass Europa nicht wegsehen dürfe. Deutschlands Mitwirkung an der „Koalition der Willigen“ ist da selbst aus bayerischer Sicht nur konsequent.

Aber damit sind die alten Denkmuster nicht vom Tisch. In der Union fürchten nach wie vor viele, dass das deutsche Angebot einen Sogeffekt ausüben könnte. Wenn schon nicht auf Migranten in libyschen Folter- und Elendslagern, denen zu entkommen Grund genug ist für die riskante Bootsfahrt aufs Mittelmeer, dann doch zumindest auf Wähler, die auf dem Absprung zur AfD sind. Seehofer versuchte dem Rechnung zu tragen, indem er versicherte, bei stark steigenden Zahlen werde die Quotenregel angepasst. Absurd nannte er es vor Tagen, ihm angesichts der geringen Zahlen eine Kehrtwende vorzuwerfen.

Doch der Kontrast zum alten Seehofer ist offenkundig zu groß, um nicht aufzufallen. Er klingt ja plötzlich sogar fast wie seine alte Widersacherin. Fehlt eigentlich nur noch ein Zusatz: Wenn sie sich für ein freundliches Gesicht rechtfertigen solle, hatte Merkel 2015 gesagt, „dann ist das nicht mein Land.“

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