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In der deutschen Politik mangelt es an Diversität.

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Repräsentative Demokratie: Wir brauchen mehr Diversität in den Parlamenten

Die Betonung gemeinsamer Betroffenheit ist beliebtes Wahlkampfmittel. Doch die Politik spiegelt nicht die Unterschiedlichkeit der Wähler wider. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Bist Du Ossi, bist Du Wessi? Die Antwort auf diese Frage wurde in den vergangenen Wochen in Brandenburg und Sachsen zur Chiffre für Glaubwürdigkeit in der Politik. Vor allem gemeinsame Herkunft demnach sorge dafür, dass der Wähler sich wieder geachtet und gehört fühlt. Doch diese Strategie ist gefährlich. Sie verwechselt das Bedürfnis nach Repräsentation mit Betroffenenpolitik.

Es ist eine Illusion, dass Parlamente die Unterschiedlichkeit des Wahlvolkes widerspiegeln. Bis vor ein paar Jahren war das dem Wähler egal. Er verließ sich darauf, dass Abgeordnete im Interesse des ganzen Volkes entscheiden – egal woher sie kommen, wie sie aussehen, welche Orientierungen sie mitbringen. Das Problem: die Volksvertreter untereinander wurden immer ähnlicher. Zu viele Akademiker stehen auf den Wahllisten, zu viele Juristen, zu viele Biodeutsche – zu wenig Frauen, Arbeiter, junge Erwachsene mit Migrationshintergrund. Und, ja, auch zu wenig Ostdeutsche. Der Wähler fragt: „Und wo bleibe ich?“

Das „Wir von hier“ gegen „Die von da“

Die zur Zeit beliebteste Antwort ist das Formulieren gemeinsamer Betroffenheit. Das „Wir von hier“ gegen „Die von da“ klang in den letzten Tagen auch in den Regierungsparteien in Potsdam und Dresden mit, wird auch in den gemäßigten Parteien des politischen Spektrums immer deutlicher gepflegt. Dieser Opportunismus ist kleinmütig und falsch. Der richtige Weg wäre langwierig und schmerzhaft: die Parlamente müssen sich verändern. Sie müssen der Bevölkerung ähnlicher werden, sie müssen divers werden. Erst wenn auch Minderheiten, sozial schwächer Gestellte, Nicht-Akademiker den Eindruck haben, dass ihr Blickwinkel auf politische Herausforderungen tatsächlich repräsentiert ist, werden sie anerkennen, dass hier um das Gemeinwohl gerungen wird.

Die Wirkung erscheint paradox: Wenn das Parlament die Diversität der Gesellschaft besser abbildete, würde Herkunft unwichtiger. Betroffenenpolitik dagegen kann die Distanz zwischen Gewählten und Wahlvolk nicht überwinden. Sie hat zu Recht ihren Platz im politischen System – aber vor den Türen der Parlamente. In der Lobby.

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