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Granaten sammeln statt Schule. Kinder in der Provinz Idlib verkaufen Munitionsreste.

© A. Alkharboutli/dpa

Report über Flüchtlingskinder: Wenn Syrien keine Heimat mehr ist

Seit zehn Jahren kennen Syriens Kinder nichts anderes als Krieg. Eine Untersuchung zeigt jetzt: Nur wenige können sich noch ein Leben dort vorstellen.

Gewalt, Armut und Angst. Daraus besteht der Alltag von Millionen syrischen Kindern. Und das seit zehn Jahren. So lange herrscht Krieg. Zwar kontrolliert Machthaber Baschar al Assad weite Teile des Landes wieder. Nur die Provinz Idlib im Norden wird noch von Aufständischen gehalten. Doch Syrien ist für viele Menschen längst keine Heimat mehr.

Abertausende irren umher, immer wieder auf der Suche nach einer sicheren Bleibe. Millionen andere haben Zuflucht in Nachbarstaaten wie dem Libanon, Jordanien oder der Türkei gefunden. Hatten sie anfangs noch die Hoffnung, irgendwann zurückkehren zu können, scheinen viele daran nicht mehr zu glauben. Sie wollen nicht mehr in einem zerstörten Syrien leben, das ihnen keine Chance auf ein halbwegs normales Leben bietet.

Das gilt offenbar auch für die Kinder des Krieges. Sie sehnen sich nach Sicherheit und vor allem Bildung und wünschen sich eine Zukunft irgendwo in der Welt – nur nicht in Syrien selbst. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Save the Children. Die Hilfsorganisation hat in den vergangenen Monaten über 1900 Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren sowie deren Bezugspersonen innerhalb und außerhalb des Landes befragt.

Wunsch nach Sicherheit und Bildung

Fazit: Die Mehrheit der Flüchtlingskinder würde sich bevorzugt jenseits der Grenzen ihrer alten Heimat eine Existenz aufbauen. So wollen laut der Umfrage zum Beispiel nur drei Prozent der heute in der Türkei wohnenden Heranwachsenden nach Syrien zurückkehren. In Jordanien sind es mit neun Prozent kaum mehr. Im Libanon wünschen sich das immerhin knapp 30 Prozent.

Abertausende syrische Familien leben in behelfsmäßigen Unterkünften, innerhalb und außerhalb des Landes.
Abertausende syrische Familien leben in behelfsmäßigen Unterkünften, innerhalb und außerhalb des Landes.

© Bakr Alkasem/AFP

„Ich wünsche mir, in einem anderen Land als Syrien zu leben, wo es sicher ist und wo es Schulen und Spielzeug gibt. Hier ist es nicht sicher, nicht einmal im Zelt, und selbst das Geräusch der Hunde macht mir Angst.“ Lara, sieben Jahre

Am häufigsten sehnen die vertriebenen syrischen Kinder dem Report zufolge ein Ende der Gewalt herbei. Gleich dahinter folgt das Bedürfnis nach Bildung. Das heißt, sie möchten eine Schule besuchen oder eine Ausbildung machen. Ihnen ist aber sehr wohl bewusst, wie schwierig es sein wird, dieses Ziel zu erreichen. Mehr als 40 Prozent der Befragten gab an, derzeit keinen Unterricht zu erhalten.

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80 Prozent der Familien leben unter der Armutsgrenze

Das hat unterschiedliche Gründe. Viele Familien können es sich einfach nicht leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. In Syrien leben 80 Prozent der Einwohner unter der Armutsgrenze. Mädchen und Jungen müssen oft zum Einkommen beitragen. Hinzu kommen Sicherheitsbedenken und die Furcht vor Diskriminierung. Kein Wunder, dass beispielsweise in Jordanien weniger als die Hälfte der syrischen Kinder zur Schule gehen, im Libanon ist es lediglich ein Drittel.

Weite Teile Syriens liegen nach wie vor in Trümmern.
Weite Teile Syriens liegen nach wie vor in Trümmern.

© Bulent Kilich/AFP

„Wir sollten abhauen, weil alle, die bleiben, bombardiert werden. Also hauten wir ab. Mit elf Jahren konnte ich wegen des Krieges noch nicht einmal lesen und schreiben.“ Nour, zwölf Jahre

Save the Children geht wie andere Hilfsorganisationen davon aus, dass in Syrien selbst mehr als zwei Millionen Kinder nicht zur Schule gehen, gut 1,3 Millionen könnten gezwungen sein, die Schule abzubrechen. Doch es sind nicht nur fehlende Bildungschancen, unter denen Mädchen und Jungen leiden. Immer mehr Syrer hungern, Millionen wissen nicht, wie sie an die nächste Mahlzeit kommen sollen. Wegen akuter Mangelernährung benötigen fast 140.000 Kinder sofortige Hilfe.

Aber wie? 90 Prozent der Haushalte sind verschuldet. Im Libanon müssen syrische Flüchtlinge mit knapp drei Dollar am Tag auskommen. Ein bedrückender Alltag. Seit zehn Jahren kostet der Krieg Millionen junge Syrer die Kindheit.

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