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Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast auf der Wahlparty von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin.

© dpa

Renate Künast zu Jamaika-Verhandlungen: "Die CSU dreht sich gerade wie ein Brummkreisel"

Die Grünen-Politikerin Renate Künast über einen möglichen Partner aus Bayern, das Jamaika-Bündnis und Michael Müllers Tegel-Schlappe. Ein Interview.

Von Sabine Beikler

Frau Künast, Sie sind über den dritten Platz der grünen Landesliste erneut im Bundestag. Wie lange mussten Sie auf das Ergebnis warten?

Ich habe mir den Mandatsrechner in Kooperation mit dem Tagesspiegel angeschaut. Da stand lange Zeit, wir hätten vier Mandate in Berlin. Deshalb habe ich mir erlaubt, um 2 Uhr nachts in einen ohnmachtsgleichen Schlaf zu fallen. Und als ich am Morgen wieder aufwachte, galt das Ergebnis immer noch.

Was sagt der linke Parteiflügel zu Jamaika-Verhandlungen?

Die Grünen sind eine Partei mit Werten und Verantwortungsgefühl. Wir müssen sondieren. Darüber wird auch nicht diskutiert. Es geht dabei nicht um Wunschträume und um Liebesheiraten. Wir müssen ernsthaft reden. Deshalb verstehe ich die SPD einerseits, in die Opposition zu gehen. Aber auf der anderen Seite verstehe ich nicht, dass sie nicht einmal reden möchte. Bei den Grünen werden wir über Klimaschutz, Verkehr und Energiewende sprechen. Wir brauchen auch mehr soziale Gerechtigkeit. Wo Grüne draufstehen soll, muss auch grüne Politik drin sein. Ob wir letztlich gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen, ist für mich offen. Eine Jamaika-Koalition ist kein Automatismus. Der ernsthafte Versuch einer tragfähigen Regierung in diesem Land wird aber erwartet.

Wo sehen Sie Schnittpunkte zwischen Grünen und der FDP?

Wir haben noch Schnittpunkte bei den Bürgerrechten. In wirtschaftspolitischen Fragen haben wir diametrale Ansichten. Wir müssen zentrale Aufgaben identifizieren und Konzepte entwickeln. Klar ist, dass wir die ökologische Modernisierung der Wirtschaft brauchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ehrlich gesagt, macht mir die CSU mehr Sorgen als die FDP. Die CSU dreht sich gerade wie ein Brummkreisel um sich.

Gibt es Konsens bei Grünen und CDU?

Das Verhältnis kann man nicht nur in Schnittmengen begreifen. Jeder muss seine Kernpunkte auf den Tisch legen, jeder muss sich des Gesamtkonzeptes wegen um Bewegung bemühen. Keiner darf nur in Verhaltensstarre sitzenbleiben und auf sein vollständiges Programm beharren. Wir tragen nach diesem Wahlergebnis eine Verantwortung für das gesamte Land. Und die Grünen wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie nicht auf das Umsteuern beim Klimaschutz fokussieren würden. Diese Chance liegt in einer Regierungsbildung.

In Berlin hat Rot-Rot-Grün eine krachende Niederlage in der Flughafenpolitik erhalten. 56,1 Prozent stimmten für die Offenhaltung von Tegel. Hat Rot-Rot-Grün überhaupt noch eine politische Legitimation?

Ohne jeden Zweifel hat Rot-Rot-Grün seine Legitimation. In Berlin wurde viel angepackt, gerade was Klimaschutz und soziale Fragen betrifft. Die Auseinandersetzung um Tegel hat nichts mit der Legitimation dieser Landesregierung zu tun.

Die Koalition muss jetzt mit dem Bürgerwillen umgehen. Was muss der Senat tun?

Der Senat wird das Tegel-Ergebnis ernst nehmen und in Gespräche mit den Gesellschaftern eintreten, mit der neuen Bundesregierung und mit Brandenburg. Wer auch immer in der Bundesregierung sitzen wird: Dieser Volksentscheid bindet den Senat politisch. Da wird er seine Pflicht wahrnehmen.

Man kann aber schon ahnen, wie die Gespräche ausgehen werden, nämlich in Brandenburg und beim Bund gibt es kein Ja. Ich persönlich habe für den Bundestag kandidiert und wollte Tegel für die Zukunft öffnen. Bei dieser Meinung bleibe ich.

Die SPD hat in Berlin 6,7 Prozentpunkte weniger als 2013 und ist auf 17,9 Prozent gefallen. Trägt Michael Müller die politische Verantwortung dafür?

Jeder trägt am Ende auf seinen Schultern Mitverantwortung. Das gilt für jede Partei. Ich bin der festen Überzeugung, dass die SPD ein grundsätzliches Problem auf Bundesebene hat. Das kann man nicht dem Regierenden Michael Müller in die Schuhe schieben. In den letzten Jahrzehnten hat die SPD es verpasst, sich ein neues Grundsatzprogramm zu geben. Sie wird inzwischen auf allen Seiten überholt.

Wären die Grünen in Berlin noch in der Opposition, hätten sie Müllers Rücktritt gefordert und für Neuwahlen plädiert.

Wir sind ja für kreative Ideen gut. Aber man kann Michael Müller doch nicht vorwerfen, dass er sich bezüglich getroffener Beschlüsse zu BER und Tegel rechtskonform verhält. Zudem sind Volksentscheide, die frühere Konsense wieder öffnen, keine Abstimmungen über heutige Regierungen. Das wäre ein Missbrauch.

Das Gespräch führte Sabine Beikler.

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