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Sein Wahlspot steht in der Kritik: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bei der Vorstellung der SPD-Wahlkampagnge.

© Kay Nietfeld/dpa

Religion im Wahlkampf: Bischofskonferenz verurteilt SPD-Wahlspot

Darf Religion im Wahlkampf eine Rolle spielen? Die SPD greift in einem Wahlspot den Glauben eines Laschet-Mitarbeiters an - und erntet Kritik.

Von Hans Monath

Die Deutsche Bischofskonferenz hat den Wahlspot der SPD kritisiert, der den katholischen Glauben eines Mitarbeiters von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) thematisiert. Der „Umgang mit der Äußerung einer religiösen Überzeugung“ darin sei „unangemessen“, sagte der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, dem Tagesspiegel. Die Bischofskonferenz werbe „für einen fairen Wahlkampf, der anhand von Sachthemen und in der Auseinandersetzung mit den Wahlprogrammen ausgetragen werden sollte“. In früheren Wahlkämpfen habe es „zum guten Ton“ gehört, kein „Negative Campaigning“ zu betreiben: „Daran sollten die demokratischen Parteien in Deutschland unbedingt festhalten.“ 

In dem Spot wird davor gewarnt, „erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist“, zu wählen. Zu sehen ist in einer Szene mit Matroschka-Puppen ein Foto des Leiters der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, der zu den engsten Mitarbeitern des Ministerpräsidenten und Unionskanzlerkandidaten Laschet gehört. Dieser hatte in seiner Jugend einer konservativen katholischen Jugendorganisation angehört und für deren Positionen geworben.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte am Montag die SPD auf, den Kurzfilm zurückzuziehen. Der Wahlspot habe in der CDU viele verstört und führe „in der Bevölkerung zu einer großen Empörung“, sagte Ziemiak. „Das Beste wäre jetzt für alle, das nicht zu einer großen Debatte im Wahlkampf zu machen, sondern schlicht und einfach, diesen Film zurückzuziehen“, erklärte der CDU-Politiker. Der Spot zeige, dass das SPD-Bekenntnis zu einem fairen Wahlkampf, „das Papier nicht wert“ sei, auf dem es stehe.

Der CDU-Generalsekretär machte den SPD-Kanzlerkandidaten verantwortlich. „Olaf Scholz muss jetzt erklären, ob er weiterhin die Religionszugehörigkeit, die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben, missbrauchen will für eine Kampagne zum Wahlkampf“, forderte er.

Wirft der SPD den Bruch des Fairnessabkommens zum Wahlkampf vor: CDU-Generalsekretär  Paul Ziemiak.
Wirft der SPD den Bruch des Fairnessabkommens zum Wahlkampf vor: CDU-Generalsekretär  Paul Ziemiak.

© Wolfgang Krumm/dpa

Der frühere Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), der sich weltweit für Religionsfreiheit einsetzt, verurteilte den Spot ebenfalls. „Religiöse Überzeugungen zum Wahlkampfthema zu machen ist ein schwere Entgleisung, zumal im Land der Religionsfreiheit“, meinte er.

Juso-Chefin Jessica Rosenthal, die Bundestagskandidatin in Bonn in NRW ist, verteidigte die Kritik des Werbespots an dem Laschet-Mitarbeiter: „Es ist völlig richtig, die Rolle von Herrn Liminski massiv zu kritisieren“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Es gehe dabei nicht um seine Religionszugehörigkeit, sondern „um das freiheitsgefährdende Weltbild, das er vertritt“. Zur Begründung sagte Rosenthal: „Mit ihm werden Freiheiten für Menschen mit anderer sexueller Orientierung unter Druck geraten, mehr Rechte und Freiheiten von Frauen rücken in weite Ferne. Jede und jeder sollte wissen, von wem sich der Kanzlerkandidat der Union beraten lässt.“

Laschet zeige damit klar, dass es mit ihm „ein Weniger an Freiheit und ein Mehr von rückwärtsgewandter und zukunftsvergessener Politik geben“ werde. Gerade für junge Menschen, die sich eine freie Gesellschaft mit allen Möglichkeiten erhoffen, kämpfe die SPD für andere Mehrheiten, „damit die Union endlich die Oppositionsbank kennenlernt und unsere Zukunft nicht länger gefährdet“.

Kann nett lächeln, aber auch hart austeilen: Juso-Chefin Jessica Rosenthal bekräftigt die Vorwürfe gegen Laschet-Mitarbeiter Nathanael Liminski.
Kann nett lächeln, aber auch hart austeilen: Juso-Chefin Jessica Rosenthal bekräftigt die Vorwürfe gegen Laschet-Mitarbeiter Nathanael Liminski.

© Rolf Venenbernd/dpa

Dagegen ging die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese, eine der Sprecherinnen des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD, etwas auf Distanz zu dem Werbefilm. „Die Aussage in dem Spot ist sehr verkürzt", sagte sie auf Anfrage. Es sei aber durchaus legitim, die gesellschaftspolitischen Überzeugungen – zu denen auch der Umgang mit der Sexualität gehöre – zu thematisieren, die es in Teilen der CDU immer noch gebe. "Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland, auch der katholischen Bürgerinnen und Bürger, tritt für Vielfalt und ein tolerantes Miteinander ein", meinte die SPD-Politikerin. Dem fühle sie sich auch verpflichtet.

Mehrere Wissenschaftler und auch Grünen-Politiker hatten zuvor gewarnt, mit der Thematisierung einer religiösen Überzeugung im Wahlkampf ein Tabu zu brechen. „Es ist völlig inakzeptabel den Glauben von jemandem auf diese Weise abzuwerten“, sagte der frühere Grünen-Abgeordnete Volker Beck. Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz schrieb auf Twitter: „Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit anzugreifen ist exakt so unterirdisch, wie sie wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft anzugreifen." 

Der Religionswissenschaftler Thomas Schirrmacher, der Ko-Direktor des "International Institute for Religious Freedom" ist, nannte den Spot gefährlich. „Wehe religiösen Minderheitenauffassungen in unserem Land, wenn das Schule macht“, sagte er. Weltweit leide die Demokratie darunter, dass in Wahlkämpfen immer mehr religiöse Vorurteile genutzt würden.

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Nun eröffne „ausgerechnet ein gutbürgerlicher Politiker wie Olaf Scholz die Schleusen in Deutschland, indem er die religiösen Auffassungen eines Mitarbeiters, die dieser früher hatte, zum Grund aufbauscht, warum man den Gegenkandidaten nicht wählen sollte“, meinte Schirrmacher. Dass Laschet „gleichzeitig im engeren Kreis auch von Muslimen und Atheisten beraten“ werde, blende Scholz aus. Die SPD werde „sehr schnell merken, dass solche Schlammschlachten mit den Vorurteilen von Menschen enorm schnell auf einen selbst zurückfallen“. 

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