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Dieses undatierte Foto aus dem Internet soll den mutßmaßlichen Täter Ayoub El Khazzani zeigen.

© AFP/Social Media

Rekonstruktion des Angriffs: Die 40 dramatischen Minuten im Thalys 9364

Die Rekonstruktion des Angriffs eines mutmaßlichen Islamisten im Schnellzug Thalys zeigt, wie knapp die Passagiere einem Blutbad entgangen sind.

Er schaut ein islamistisches Video auf dem Handy, dann zieht er sein Hemd auf der Zugtoilette aus und greift sein Schnellfeuergewehr, vor dem Bauch eine Tasche mit neun Magazinen und 270 Schuss Munition: Ayoub El Khazzani ist bereit, im Thalys 9364 nach Paris ein Blutbad anzurichten. Die Schilderung des Pariser Staatsanwalts François Molins und die Aussagen mehrerer Beteiligter ermöglichen, die dramatischen Minuten am vergangenen Freitag zu rekonstruieren. Und sie machen deutlich, wie knapp die Passagiere einem Blutbad entgangen sind.

Ayoub El Khazzani kaufte sich Ticket für die erste Klasse

Am frühen Freitagnachmittag kauft der junge Marokkaner an einem Schalter im Bahnhof Brüssel-Midi seine Fahrkarte - ein Ticket der ersten Klasse für 149 Euro, das er bar bezahlt. Eigentlich könnte er einen früheren Zug nehmen, in dem noch Plätze frei sind. Doch er hat sich Thalys 9364 ausgesucht, der um 15.17 Uhr in Amsterdam losfährt. El Khazzani steigt in Brüssel ein und schließt sich in die Zugtoilette zwischen den Wagen 11 und 12 ein.

Um 17.35 Uhr öffnet er die Toilettentür, zurück lässt er einen Rollkoffer und eine kleine Flasche mit Benzin. Ausgerüstet ist er mit einer AKM - eine Weiterentwicklung der Kalaschnikow AK 47 -, einer Pistole Luger M80 und einem Teppichmesser. Vor der Toilette wartet ein französischer Banker. Als er das Sturmgewehr sieht, fasst er es mit beiden Händen und drückt den Marokkaner mit seinem Körper gegen ein Gepäckfach. Er schafft es, El Khazzani etwa 15 Sekunden zu halten.

Ein Schaffner hört, was er zunächst für eine gewöhnliche Schlägerei hält, doch dann sieht er die Waffe und greift ein. "Ich wurde gegen eine Tür geworfen. Der Mann hat mich auf den Boden gedrückt, seine Pistole auf mich gerichtet, dann ging er in Wagen 12." El Khazzani richtet seine Waffe auf den Banker. Dann schießt er, eine Scheibe geht zu Bruch.

In zwei Waggons bricht nach dem ersten Schuss Panik aus

In den Wagen 11 und 12 bricht Panik aus. "Wir hörten Passagiere auf Englisch rufen: 'Er schießt, er schießt, er hat eine Kalaschnikow'", erzählt der Schauspieler Jean-Hugues Anglade, der in Wagen 11 ist. In Wagen 12 sitzen die US-Soldaten Spencer Stone und Alek Skarlatos. "Ich sah einen Typen mit AK und Pistole in den Wagon kommen", erzählt Skarlatos. "Ich drehte mich zu Spencer um und sagte: 'Schnappen wir ihn'."

El Khazzani macht mit seinem Gewehr eine Aufwärtsbewegung, wohl um die Waffe zu laden. Stone wirft sich auf ihn und bringt ihn zu Boden. Skarlatos greift sich das Gewehr, doch El Khazzani zieht seine Pistole. Er zielt auf Stone und drückt den Abzug, doch keine Kugel löst sich. Skarlatos kann ihm die Pistole schließlich entreißen. Stone würgt den 25-jährigen Angreifer, der zieht sein Teppichmesser und verletzt den Soldaten am Hals und am Daumen.

Passagiere schlagen den Marokkaner bewusstlos und fesseln ihn

Andere Passagiere kommen den Soldaten zur Hilfe: Ihr Freund Anthony Sadler schlägt auf El Khazzani ein, der 62-jährige Brite Christopher Norman greift sich den rechten Arm des Angreifers. Die Passagiere schlagen Marokkaner bewusstlos und fesseln ihn. In dem Handgemenge löst sich ein Schuss, die Kugel trifft den Franko-Amerikaner Mark Moogalian, schlägt in seiner Schulter ein und tritt auf Höhe des Halses wieder aus. Der ebenfalls schwer verletzte Stone leistet erste Hilfe.

Inzwischen wurde der Lokführer alarmiert, er bremst den Zug ab. Auf Höhe der Stadt Hénin-Beaumont zerschlagen mehrere Passagiere in Panik die Fenster und springen aus dem Zug. Im Bahnhof von Arras hält der Thalys, El Khazzani wird um 18.15 Uhr festgenommen. (AFP)

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