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Soldaten in der Grundausbildung in Parow (Mecklenburg-Vorpommern) bei Stralsund. (Symbolbild)

© Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

„Reichsbürger“, Rassisten und Antisemiten: Hunderte Extremismus-Verdachtsfälle bei Polizei und Bundeswehr

Zahlen zu rechtsextremen Umtrieben bei Polizei und Bundeswehr bringen die Behörden in Bedrängnis. Die Bundeswehr will nun eine Studie unter Soldaten erheben.

Neuste Zahlen zu rechtsextremen Verdachtsfällen bei der Polizei und Bundeswehr bringen die deutschen Sicherheitsbehörden in Erklärungsnot. Innenminister Horst Seehofer behauptete Anfang Juli noch, die deutsche Polizei habe kein Problem mit strukturellem Rassismus. Doch eine aktuelle Umfrage seiner Behörde und der Innenministerien der Länder lässt auf das Gegenteil schließen: In den vergangenen Jahren sind mindestens 400 Verdachtsfälle von rechtsextremen Umtrieben bei der Polizei bekannt geworden. Das berichtete der „Spiegel“ am Freitag.

Die Fälle bezögen sich auf rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Aktivitäten von Polizisten und Polizeianwärtern. Seit 2014 zählten die Bundesländer demnach rund 340 Fälle von Rechtsextremismus in der Polizei, bei der Bundespolizei waren es dem Bundesinnenministerium zufolge 36 rechtsextreme und 25 rassistische Verdachtsfälle seit 2012. In zwölf Fällen standen die Beamten der sogenannten „Reichsbürger“-Szene nah.

Bayern registrierte 18 mutmaßliche „Reichsbürger" in Uniform. Kleine Länder wie Bremen und das Saarland gaben dem „Spiegel" zufolge nur ein oder zwei Rechtsextremismus-Verdachtsfälle an, die sich zudem nicht erhärtet hätten. Andere Länder wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen-Anhalt zählten bis zu zwei Dutzend Vorkommnisse. Hessen verzeichnete mit 70 Verdachtsfällen die mit Abstand höchste Zahl.

Die Polizei steht jedoch nicht als einzige Sicherheitsbehörde mit ihren rechtsextremen Verdachtsfällen da. Nach Informationen des „Spiegels“ prüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) zurzeit 638 rechtsextreme Verdachtsfälle bei der Bundeswehr.

Von den bis zu 25.000 Rekruten, die jedes Jahr bei der Bundeswehr anfangen, wurden in den vergangenen drei Jahren 38 bei Sicherheitsüberprüfungen wegen rechtsextremer Einstellungen aussortiert. 78 Bewerber wurden in den vergangenen neun Monaten schon im Bewerbungsprozess ausgeschlossen.

Ermittlungen gegen KSK-Ausbilder wegen antisemitischer Aussagen

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Am Freitag wurde zudem bekannt, dass gegen einen weiteren Offizier der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus ermittelt wird. Das berichtete ebenfalls der „Spiegel“.

Zuletzt hatten sich Berichte über rechtsextreme Bundeswehrsoldaten bei der KSK gehäuft. Der Präsident des MAD, Christof Gramm, sagte Ende Juni, er sehe eine „neue Dimension“ des Rechtsextremismus bei der Bundeswehr.

Seit Mitte Juni ermittelt der MAD gegen besagten KSK-Offizier, Oberstleutnant W. Er war demnach für die Ausbildung der Kommandosoldaten zuständig. W. soll bei einer Mission der Einheit in Afghanistan 2019 in einer Besprechung mit Kollegen gesagt haben, die Lage am Hindukusch sei „wie der Holocaust“. Als es um eine Erhöhung des Milchpreises in dem Land ging, soll W. gefragt haben, welche „Judensau“ dies organisiert habe, zitiert ihn der „Spiegel“.

Dem Bericht zufolge soll W. nach den Hinweisen umgehend in den Urlaub geschickt worden sein, disziplinarische Ermittlungen wurden aufgenommen. Das Verteidigungsministerium hat sich auf „Spiegel“-Anfrage nicht zu dem Fall geäußert.

Erstmals seit 13 Jahren: Studie zu Gesinnung von Bundeswehrsoldaten

Als im Mai Munition und Waffen auf dem Privatgrundstück eines Kommandosoldaten gefunden wurden, kündigte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an, das KSK grundlegend zu reformieren.

Jetzt will das Verteidigungsministerium zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder den Einfluss des politischen Extremismus in der Bundeswehr untersuchen lassen. Dem Bericht zufolge sollen dabei auch die parteipolitischen Präferenzen der Soldaten mithilfe der sogenannten „Sonntagsfrage“ abgefragt werden.

Das Abzeichen des Kommandos Spezialkräfte (KSK)
Das Abzeichen des Kommandos Spezialkräfte (KSK)

© dpa

Das Design der umfassenden sozialwissenschaftlichen Studie wird zur Zeit vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit dem Beirat Innere Führung erarbeitet. Die Ergebnisse sollen im kommenden Jahr veröffentlicht werden.

Die letzte empirische Untersuchung ist 13 Jahre alt. Damals wurde der Offiziersnachwuchs an den Bundeswehruniversitäten in München und Hamburg befragt. Fast die Hälfte der Studenten meldete Kritik am „politischen System“ und dem Zustand des Parlamentarismus an.

Die Untersuchung ergab aber auch, dass die Zustimmungswerte für neu-rechtes Gedankengut bei den 15- bis 32-Jährigen mit 26 Prozent doppelt so hoch lagen wie bei den Offiziersstudenten der Bundeswehruniversitäten. (Tsp,AFP)

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