zum Hauptinhalt
Good bye. Regierungschefin Arlene Foster muss gehen.

© Paul Faith,AFP

Regierungskrise in Nordirland: Der Abschied der Chefin

Der Brexit lastet schwer auf Nordirland. Die Spannungen zwischen Protestanten und Katholiken wachsen, die Ministerpräsidentin muss aufgeben.

Eindeutiger hätte die Geste nicht ausfallen können. Kaum sickerte in Belfast durch, die nordirische Ministerpräsidentin Arlene Foster werde nach gut fünf Amtsjahren ihren Rücktritt ankündigen, weil ihr die Probleme der Provinz mit dem Brexit über den Kopf gewachsen sind. Da signalisierte der Favorit auf die Nachfolge der 50–Jährigen schon einen Kurswechsel. Kurzfristig sagte Umwelt- und Agrarminister Edwin Poots ein lange vereinbartes Treffen mit seinem irischen Kollegen ab. Auf der Tagesordnung standen unter anderem Lösungen für die praktische Folgen des britischen EU-Austritts.

Der Brexit lastet schwer auf dem britischen Teil grünen Insel. Seit Neujahr, als das Vereinigte Königreich endgültig Binnenmarkt und Zollunion der Gemeinschaft verließ, gilt für Nordirland eine Ausnahmeregel. Dieses Protokoll im EU-Austrittsvertrag hält die kaum noch existente Landgrenze auf der grünen Insel offen und garantiert den Verbleib von ganz Irland im europäischen Binnenmarkt. Dadurch entstand aber die Notwendigkeit begrenzter Zoll- und Warenkontrollen zwischen der einstigen Bürgerkriegsprovinz und der britischen Hauptinsel – eine Notwendigkeit, die die Regierung von Premierminister Boris Johnson gern leugnet.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Realität sieht trostlos aus. Die Regale führender Supermärkte blieben in den vergangenen Monaten immer wieder leer, weil der Nachschub wegen zeitraubender Kontrollen fehlte. Dublin bedauere jegliche Beeinträchtigung der nordirischen Wirtschaft, beteuerte der irische Vizepremier Leo Varadkar kürzlich auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem irischen European Movement. Die Schuld an den neuen Handelshindernissen liege aber nicht bei ihm: „Wir wollten sie nicht, deshalb waren wir gegen den Brexit und gegen Großbritanniens Austritt aus dem Binnenmarkt.“ Auf brutale Weise umschrieb Varadkar damit das Dilemma der nach London orientierten Protestanten. Die DUP positionierte sich als einzige größere politische Kraft Nordirlands vor fünf Jahren für den Brexit. Hingegen stimmten die Nordiren mit 56:44 Prozent für den Verbleib in der EU. Kein Wunder, dass die nun auftretenden Probleme selbst von ihren Wählerndder Protestantenpartei zugerechnet werden.

Der mögliche Nachfolger gehört einer Sekte an

Zumal deren Unterhaus-Abgeordnete alle Kompromissideen von Johnsons Vorgängerin Theresa May torpedierten, darunter auch eine Lösung, die dem heutigen Protokoll annähernd gleichkommt. Brexit-Vormann Johnson versprach den Unionisten mehr Härte gegenüber Brüssel, unterzeichnete aber den nun geltenden Vertrag. London müsse „öffentlich akzeptieren, dass Nordirland anders behandelt werden muss als der Rest des Vereinigten Königreiches“, fordert Mays einstiger Vizepremier David Lidington. Noch mehr als für Johnson gilt dies für Fosters DUP-Nachfolger, der bis Ende Mai feststehen soll.

Kann man Einsicht von Poots erwarten? Der könnte gleich nach einer Amtsübernahme vor entscheidenden Problemen stehen. Mit ihr seien „rückwärtsgewandte Ideen“ nicht umzusetzen, kündigte Michelle O’Neil bereits an. Sie ist amtierende Regionalchefin der katholisch-republikanischen Sinn Fein. Die Unterstützung dieser Partei braucht laut dem Karfreitagsabkommen von 1998 jeder, der in Nordirland Regierungschef werden will. O’Neils Einspruch gegen Poots bezieht sich auf dessen Mitgliedschaft in einer protestantischen Sekte, die die Evolution leugnet und Schwule für Menschen hält, die „gefährlichen“ Sex haben.

Die Rückwärtsgewandtheit ist aber nicht auf eine Seite des politischen Spektrums beschränkt. O’Neill und Parteichefin Mary Lou McDonald nahmen vergangenen Juni mit 2000 anderen am Begräbnis des IRA-Terroristen Robert Storey teil, zu einer Zeit, als die Covid-Vorschriften Beerdigungen auf 30 Trauernde beschränkten. Das Ermittlungsverfahren gegen die Parteiführung wurde zu Monatsbeginn sang- und klanglos beerdigt, was weithin für Kritik sorgt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false