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Erste Runde. Mario Draghi im Gespräch mit Senatoren. Foto: Andreas Solaro/AFP

© Andreas Solaro/AFP

Regierungskrise in Italien: Mario Draghi gewinnt Vertrauensabstimmung - und verliert Partner

Italiens Premier war bereit weiterzumachen. Aber gleich drei seiner Koalitionspartnerinnen haben bei der Vertrauensabstimmung nicht mitgestimmt.

Einen Augenblick gibt es während der Rede Mario Draghis vor dem Senat am Mittwoch, die womöglich viel über diese jüngste italienische Regierungskrise sagt. In seiner fast einstündigen Bilanz kommt der Ministerpräsident schließlich zum Thema „reddito di cittadinanza“, dem Grundeinkommen. Es sei wichtig, um die Armut im Land zu begrenzen, sagt Draghi. „Aber es muss verbessert werden, weil es negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat.“

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Da setzt es kurz Zwischenrufe aus den Reihen der Senator:innen. Schließlich ist es diese Reform, auf die Draghis bis vor kurzem zahlenstärkste Bündnispartnerin, die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), besonders stolz ist. Es sind nur Sekunden.

Auch die strenge Senatspräsidentin interveniert diesmal nicht, Zwischenrufe sind schließlich fester Teil der parlamentarischen Auseinandersetzung. Doch der Premier verstummt sofort und lässt einen vernichtenden Blick auf den Störerenden ruhen, bis dort wieder Ruhe herrscht. Er scheint aus einer Zeit zu stammen, als Familienväter auf diese Weise Kinder zur Räson brachten, die bei Tisch nicht nur stumm und mit durchgedrücktem Rücken das Besteck zum Munde führten.

Der Premier will mehr Steuereinnahmen - die Rechte ist dagegen

Das Fremdeln des lebenslangen Bankers mit parlamentarischen Verfahren – die Fünf Sterne warfen ihm vor, ihre Projekte zu ignorieren – scheint da mit Händen zu greifen. Dabei hatte Draghi noch zu Beginn seiner Rede für eine Mehrheit geworben: „Ich meine, dass ein Ministerpräsident, der sich nie den Wählern gestellt hat, den breitestmöglichen Konsens im Parlament haben muss.“

Der ist geschwunden. Am Mittwochabend sprach der Senat Draghi zwar das Vertrauen aus – aber aus seiner eigenen Regierung stimmten drei Parteien nicht mit: Die einst größte Partnerin Fünf Sterne, Berlusconis Forza Italia und die rechtsradikale Lega von Matteo Salvini. Am Morgen hatte Draghi die Zweite Kammer aufgefordert, Farbe zu bekennen: „Ich bin heute in diesem Saal und an diesem Punkt der Debatte nur, weil die Italiener das verlangt haben“ – anscheinend ein Hinweis auf die zahlreichen Appelle der letzten Tage an Draghi, im Amt zu bleiben. Es brauche einen „neuen, ernsthaften und konkreten Pakt“ in der Koalition. „Sind Sie dazu bereit?“ fragte er. Aber „diese Frage müssen Sie nicht mir beantworten, sondern allen Italienern“. Draghi, eigentlich amtsmüde, war inzwischen bereit zu bleiben, allerdings zu seinen Bedingungen.

Änderungen am Kernprojekt der Fünf Sterne, dem Grundeinkommen, gehören dazu.

Aber auch die Lega bekam Einiges von Draghi zu hören: Kein Wort zur Flat tax, wie die Leghisti monierten, dafür kündigte der Premier härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung an: Die Finanzverwaltung komme auf 1.100 Milliarden Euro Steuern, die noch nicht gezahlt seien. Das entspreche 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, „eine beeindruckende Zahl“.

Nimmt der Staatspräsident Draghis Rücktritt jetzt an?

Dass er mit mehr Steuerstrenge Berlusconis Forza Italia ebenso aus seiner Koalition treiben werde wie die Lega, die ihre Wählerbasis unter den mittleren und Kleinunternehmen vor allem in Norditalien hat, muss Draghi gewusst haben. Auch Draghis Vorstellungen zur Belebung der Konkurrenz im Wirtschaftsleben - er sprach ausdrücklich von den Taxiunternehmen und den Strandpächtern, deren einträgliche Geschäfte praktisch nie neu ausgeschrieben werden - waren geeignet, die beiden Parteien von Mitte- und weiter Rechts zu provozieren. Gleiches gilt für seine in einem Zitat versteckten Ankündigung, die Ukraine weiter gegen Russland zu bewaffnen - was auch von M5S nicht geschätzt wird. FI und Lega machten bereits am Nachmittag klar, dass sie zu diesen Bedingungen nicht weiter dabei sein würden.

Die Fünf Sterne, deren erste Verweigerung des Vertrauens am Mittwoch Draghi dazu gebracht hatte, seinen Rücktritt einzureichen, blieben bei ihrer Haltung. So ist zur Halbzeit von Draghis parlamentarischem Marathon – an diesem Donnerstag wollte er ins Abgeordnetenhaus – noch immer unklar, wie diese Krise endet. Erwartet wird, dass Draghi erneut Staatspräsident Sergio Mattarella um seine Entlassung aus dem Amt bittet. Mattarella, der ihm dies letzte Woche verweigerte, könnte nun zustimmen und das Parlament auflösen.

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