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Geimpft - und dann? Einen gültigen 2G-Nachweis zu bekommen, ist nicht für alle leicht.

© Ottmar Winter

Regierung verkürzt Fristen: Die Hürden für Genesene werden höher

Essen im Restaurant, Drink in der Bar – für Menschen mit überstandener Corona-Infektion hat sich das Leben verändert. Doch warum gibt es die Neuregelung?

Wer eine Corona-Infektion hinter sich hat und einen tagesaktuellen Test vorweist, konnte sich bislang der entspannten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sicher sein: Restaurant- oder Kinobesuchen stand nichts im Wege. Denn in den Corona-Regeln von Bund und Ländern gilt eine überstandene Infektion bisher als so schützend wie eine Impfung. Wer etwa vor vier Monaten einen positiven PCR- Test hatte, galt jetzt als genesen und hatte damit dieselben Freiheiten wie jemand mit zwei Impfungen.

Doch das hat sich nun, ziemlich plötzlich, geändert – mit einer Verordnung, die seit vergangenem Wochenende in Kraft ist. Die Neuregelung hat weitreichende Auswirkungen auf den Alltag vieler der rund sieben Millionen Genesenen in Deutschland.

Wer zum Beispiel im vergangenen Oktober ein positives PCR-Ergebnis erhalten hat und anschließend eine Impfung, galt vergangene Woche noch als zweifach immunisiert. Heute kommt die betreffende Person nicht mehr auf 2G-Events. Denn alle Genesenenzertifikate, die älter als drei Monate sind, sind ab sofort ungültig.

Inzwischen gilt der Immunitätsstatus nach einer Corona-Infektion nicht wie bislang sechs Monate, sondern nur noch für 90 Tage. Das gab das Robert Koch-Institut (RKI) am vergangenen Freitagnachmittag bekannt. Die Behörde machte damit Gebrauch von einer neuen Regelung, die der Bundesrat zuvor beschlossen hatte. Demnach entscheidet nun nicht mehr der Bundestag über die Frage, wie lange sich Genesene auf ihren Immunitätsstatus berufen können, sondern direkt das RKI und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Lauterbach delegiert das Grundrechtsproblem an nachgeordnete Behörden

Die beiden Behörden bekommen damit nicht nur die Deutungshoheit über die Dauer des Infektionsschutzes – sondern bestimmen auch über die Freiheitseinschränkungen, die möglichst viele Corona-Infektionen verhindern sollen.

Das hat Politik und Gesellschaft nicht nur überrumpelt, sondern auch manche empört: Kathrin Vogler, Obfrau der Linken im Gesundheitsausschuss, ist zum Beispiel in der Sache einverstanden mit der Verkürzung; die Auffassung des RKI sei für sie als Fachpolitikerin „nachvollziehbar“.

Aber: „Das RKI entscheidet nicht über die Grundrechtseingriffe selbst, das ist weiterhin Aufgabe der Politik, und darauf bestehen wir auch.“ In diesem Fall hätten „sicher alle demokratischen Fraktionen im Bundestag das auf der Basis der jetzt vorliegenden Informationen ebenso entschieden“. Die Letztverantwortung müsse aber „immer bei den Parlamenten“ bleiben.

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Ihre Vorgaben sollen die Institute nach dem Willen der Regierung künftig auf ihren Internetseiten immer aktuell halten. „Veränderungen finden nur statt ohne politischen Einfluss ausschließlich auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, also ohne eine Beeinflussung durch den Minister zum Beispiel“, erläuterte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu am Freitag vor dem Bundesrat.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte bereits im Dezember angesichts der Ausbreitung der Omikron-Variante ihre Einschätzung geändert, wie lange die Immunität nach einer Infektion beziehungsweise einer Impfung anhält – und empfahl eine Gültigkeit der Nachweise entsprechend nur noch für drei Monate. Im „Epidemiologischen Bulletin“ des Robert Koch-Instituts (RKI) vom vergangenen Donnerstag wird in diesem Zusammenhang auf Laborstudien hingewiesen, nach denen es nach einer zweiten Impfung mit den Stoffen von Astrazeneca und Biontech ohne Auffrischung drei bis vier Monate später „zu einem starken Absinken der Impfeffektivität“ komme.

Das gleiche gilt analog auch nach einer Infektion. Die Bundesregierung will damit den Druck auf Genesene erhöhen, sich um eine Auffrischungsimpfung zu kümmern.

Corona-Apps mit erheblichen Lücken

Die gerade aktualisierten Versionen der Corona-Apps, mit denen sie ihren Status nachweisen können, zeigen den Immunisierungsstatus durch Genesung und Impfung bisher nicht ausreichend an. In den „Fragen und Antworten zum digitalen Impfnachweis“ auf der Website des Gesundheitsministeriums heißt es, dass auch eine Person als vollständig geimpft gelte, „wenn sie entweder zwei Impfungen erhalten hat oder genesen ist und eine Impfung erhalten hat“, wobei die Genesung per PCR-Test nachgewiesen werden muss.

Tatsächlich zählt etwa die CovPassCheck-App eine Genesung nicht – und wertet die weitere Immunisierung durch eine Impfung und einen Impstoff-Booster lediglich als zweifache Immunisierung.
Für die Corona-Warn-App war eine verbesserte Version am Mittwoch sowohl für iPhones wie für Android-Geräte verfügbar – aber auch das Gesundheitsministeriums räumt ein, das genüge nicht: „Die App muss noch weiter angepasst werden.“

Zur Frage, ob es nicht mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht heikel sein könnte, Grundrechtseinschränkungen an Behörden zu delegieren, äußerte sich Ministeriumssprecher Hanno Kautz gegenüber dem Tagesspiegel unbestimmt: „Diese Verordnung ist vor der Verabschiedung durch Bundesrat und Bundestag natürlich auch rechtlich geprüft worden.“

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