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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (l, CDU) berät mit Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, die nächsten Schritte in der Corona-Krise.

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Regieren im Krisenmodus: "Corona-Partys" auflösen - Ausgangssperre als letztes Mittel

Nicht alles läuft rund im Krisenmanagement von Bund und Ländern - aber alle eint der Wille, störrische Bürger dazu zu bewegen, zu Hause zu bleiben.

Markus Söder will notfalls die Polizei schicken, um "Corona-Partys" aufzulösen. "Sorry, aber das geht gar nicht", sagt der bayerische Ministerpräsident. So wie in einigen bayerischen Parks auf die Coronabedingte Freizeit angestoßen wird, haben sich in Berlin die "Spätis" zu Party-Treffpunkten in Zeiten eines weitgehenden Stillstands gemausert.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat diese noch nie dagewesene Krise zur Chefsache gemacht. Für sie, Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die 16 Ministerpräsidenten ist die Krise auch ein öffentliches Telekolleg - die Kommunikation in der Krise verfängt zu wenig.

Weil viele Bürger weiter rausgehen, den sozialen Kontakt nicht meiden, droht die Fallkurve nicht ausreichend abgeflacht zu werden - und es wird egoistisch gehamstert. Daher sind nun alle ständig „auf dem Platz“ - und reden dem uneinsichtigen Teil des Volks ins Gewissen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht im Kanzleramt zu einem Termin für ein Statement über den Coronavirus-Ausbruch und die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung des Virus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht im Kanzleramt zu einem Termin für ein Statement über den Coronavirus-Ausbruch und die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung des Virus.

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Söder rät zum Unterhaken

"Lassen Sie uns unterhaken", appelliert Söder am Dienstag - trotz Corona-Krise ist auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach München gereist, um an der Kabinettssitzung teilzunehmen. Söder kündigt an, dass die wegen der Empfehlung, alle Urlaubsreisen zu canceln, leer bleibenden Hotels zur Unterbringung von Intensivpatienten genutzt werden können. Mit geballtem Einsatz versuchen Bund und Länder derzeit, das Verhalten der Bürger in eine der Viruslage angemessene Spur zu lenken. Doch das Krisenmanagement läuft dabei längst nicht so rund, wie es oft scheint - das haben die vergangenen Tage gezeigt. Material und Schutzausrüstung fehlt, Regale können oft nicht schnell genug wiederbefüllt werden.

Gesundheitsministerium und "Fake News"

Und Vertrauen in das Regierungshandeln ist entscheidend - da ist es Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungstheoretiker, was das Bundesgesundheitsministerium von Minister Spahn am Samstag via Twitter veröffentlicht hat: "Es wird behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen. Das stimmt NICHT!" Das bezog sich auf Whats-App-Gruppen, in denen für Samstagmittag eine Pressekonferenz angekündigt wurde, bei der die Regierung das Dichtmachen des Landes verordnen wolle.

Was zu dem Zeitpunkt nicht stimmte. "Wahr ist, dass wir Tag für Tag die Lage neu bewerten", sagt Spahns Sprecher. Im Kontext der dann aber erfolgten einschneidenden Maßnahmen vom Montag befeuerte dies Spekulationen, die Regierung verheimliche etwas. Letztlich wollte das Ministerium einer weiteren Welle vom Hamsterkäufen vorbeugen.

Ringen um klare Linie

Kanzlerin Merkel besprach am Sonntag mit den zuständigen Ministern die Lage mit der weiter rapide steigenden Zahl an Infektionen. Am Montag beriet sich das „Corona-Kabinett“ erneut, dazu gehören unter anderem Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Angesichts von über 6000 Infizierten wurden dann tatsächlich weitreichende Empfehlungen mit der Schließung aller nicht für die Grundversorgung notwendigen Läden und dem Verbot zum Beispiel von Gottesdiensten erlassen.

Doch in einer anschließenden Telefonschalte mit den Ministerpräsidenten wurden diese Maßnahmen noch verändert und teils verschärft. Die größte Verwirrung entstand bei der Frage, ob Spielplätze auch geschlossen werden. Erst empfahl die Regierung hier nur Einschränkungen, nun sagte Merkel mit Bezug auf "Outlet-Center und Spielplätze" "Das sind also die Dinge, die geschlossen werden." Doch diese demonstrative Einigkeit gab es in der Frage nicht. NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) teilte wenig später mit: "Wir halten Spielplätze noch offen, um Kindern in Städten frische Luft zu ermöglichen. Gerade auch Virologen empfehlen, dass Kinder rauskommen, allerdings auch dort engeren Kontakt mit anderen Kindern meiden.“"

NRW dreht bei

Auch der Berliner Senat des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) will Spielplätze nicht schließen, um in Zeiten von Schul- und Kitaschließungen und Home Office einem Lagerkoller vorzubeugen. Müller ließ auch lange Clubs und Bars offen - viele haben sich dort mit Corona infiziert, am 7. März hat zum Beispiel in dem Club Kater Blau ein Infizierter rund 17 Stunden gefeiert.

Während Berlin bei den Spielplätzen einen Sonderweg gehen will, drehte Nordrhein-Westfalen am Dienstag bei. Als wolle er Söder überbieten, sagte Ministerpräsident Armin Laschet, Kandidat für den CDU-Vorsitz: "Es geht um Leben und Tod." Stamp sekundierte, auch Bolz- und Spielplätze würden doch dicht gemacht. Zu viele Familien würden die Aufforderung, zu Hause zu bleiben, schlicht ignorieren. Und Restaurants werden im bevölkerungsreichsten Bundesland nun schon um 15, nicht erst um 18 Uhr geschlossen.

Kommen auch Ausgangssperren?

Als letztes Mittel sind auch Ausgangssperren möglich. "Wir stehen bereit, sobald die Bundesregierung die Lage anders bewertet", sagt Laschet. Stamp betont: "Es wird über weitere Maßnahmen diskutiert, wenn die Bürger sich nicht an die Regeln halten, die notwendig sind. Alle müssen jetzt ihre Egos zurücknehmen."

Das Beispiel Frankreich zeigt, dass Präsident Emmanuel Macron es auch mit schrittweisen Verschärfungen versuchte, um dann mangels Einsicht bei den Bürgern doch den Hammer der Ausgangssperre herauszuholen. Aber spätestens hier könnte die neue, weitgehende Bund-Länder-Einigkeit auf eine harte Probe gestellt werden.

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