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Dunkle Regenwolken über der Ostsee: der Urlaubsansturm im Herbst bleibt aus.

© picture alliance/dpa

Regel-Durcheinander: Fünf Punkte, die Corona-Reisende auf die Palme bringen

Um Berlin wird gerade die Corona-Mauer gezogen: Urlaub woanders ist kaum noch möglich – die neuen Regeln drohen die Akzeptanz der Bürger zu gefährden.

Wenn selbst Karl Lauterbach eine Corona-Regel zu weit geht, dann scheint etwas nicht zu stimmen. „Es wäre daher besser, die Regel zu kippen, bevor sie in der ,heute-show‘ und in ernsten Formaten zu viel berechtigte Kritik erfährt“, meint der SPD-Gesundheitsexperte, der sonst einer der Wortführer strenger Regeln ist.

Doch das aktuelle Wirrwarr um das in vielen Bundesländern verfügte Beherbergungsverbot für inländische Besucher aus Risikogebieten gefährdet aus seiner Sicht die Akzeptanz für die Corona-Politik – und bringe außer Ärger wenig zur Eindämmung der neuen Corona-Welle. Eine Auswahl von fünf besonders strittigen Punkten.

1. Rom ja, Potsdam nein

Rom, Venedig oder Sardinien können problemlos angesteuert werden, obwohl das Infektionsrisiko durch den Weg zum Flughafen und das Fliegen größer scheint. Gleichzeitig können viele Berliner nun nicht mehr in Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen in Brandenburg übernachten. Ausnahmen gibt es bei einem negativen Test. Pendler sind ausgenommen. Vor allem Familien werden nun in den Herbstferien zu Opfern der hohen Berliner Infektionszahlen, die aus Sicht des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) vor allem aus Partys junger Leute auf engem Raum resultieren.

Thüringen aber, mit schönen Zielen wie Weimar, lässt Bürger aus Risikogebieten ohne Auflagen rein. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagt, dass die Einschätzung der Gesundheitsämter vor Ort entscheidend sein müsse, ein genereller Bann sei ein falsches Signal. Warum alle Menschen aus einer solchen Region nicht beherbergt werden sollten, sei für ihn nicht nachvollziehbar.

So hatte auch der Fall Gütersloh gezeigt, dass der große Corona-Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies kaum auf die übrige Bevölkerung übergriffen hatte. Dennoch mussten Urlauber aus dem Kreis Hotels etwa auf Usedom verlassen.

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In Mecklenburg-Vorpommern müssen Urlauber aus Risikogebieten wie Berlin erstmal in Quarantäne.
In Mecklenburg-Vorpommern müssen Urlauber aus Risikogebieten wie Berlin erstmal in Quarantäne.

© dpa

2. Quarantäne statt Urlaub

Der Urlaub an der Ostsee ist durch hier geltende besonders strenge Auflagen für viele in jedem Fall passé – in Mecklenburg-Vorpommern gelten Quarantänepflichten allerdings mit vielen Ausnahmen, die wiederum manchen "Normaltouristen" ärgern. Auch bei einem negativen Corona-Test gibt es eine zweiwöchige Quarantänepflicht für Einreisende aus Risikogebieten. Urlauber können sie nur verkürzen, wenn sie nach fünf bis sieben Tagen einen neuen Test machen lassen und dieser negativ ist. Da wäre die erste Urlaubswoche schon vorbei.

„Dass Berlin Risikogebiet wird, hat Mecklenburg-Vorpommern nicht zu verantworten“, sagt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Ausgenommen sind von der Quarantänepflicht laut einem Beschluss aber Berufspendler und Personen, die Post, Waren und Güter auf Straße, Schiene, Schiff oder per Flugzeug transportieren; dazu unter anderem medizinisches Personal. Außerdem dürfen Abgeordnete des Landtags, des Bundestags, des Europäischen Parlaments und alle Mitglieder einer Landesregierung oder der Bundesregierung „einreisen“.

3. Testpflicht, aber keine Tests:

Wer in den Herbstferien aus Berlin oder Bremen nach Bayern oder aufs Land nach Brandenburg will, kann nur in Gasthöfen oder Hotels übernachten, wenn ein höchstens 48 Stunden alter negativer Test vorgelegt wird. In Berlin sind aber die Labors am Limit.

Die Auslastung liegt bei 95 Prozent, es gibt kaum Kapazitäten, zusätzlich die Tests für Berliner auszuwerten, die in den Urlaub fahren wollen. Zudem dauert es inzwischen oft mehrere Tage, bis das Ergebnis vorliegt. Man nehme dadurch im Schnitt mehr als 1000 PCR-Tests am Tag den Risikogruppen weg, „um einen Fall zu finden, der zu 70 Prozent Wahrscheinlichkeit niemanden ansteckt“, sagt Lauterbach.

Durch die Schutzmaßnahmen in Hotels und Gaststätten und das Bewegen im privaten Kreis im Urlaub scheint dort das Ansteckungsrisiko geringer. „Das innerdeutsche Reisen trägt nicht wesentlich zur zweiten Welle bei“, meint Lauterbach. Bund und Länder fordern in ihrem Reisebeschluss, bei zu engen Testkapazitäten die Reise abzusagen: „Solche Frei-Testungen für Reisezwecke können nur durchgeführt werden, wenn die regionalen Kapazitäten für die Durchführung der Tests dies zusätzlich zulassen.“

An den Berliner Teststellen kommt es zu langen Wartezeiten und Engpässen.
An den Berliner Teststellen kommt es zu langen Wartezeiten und Engpässen.

© dpa

4. Berlin oder Bezirk

Im Prinzip entsteht gerade für die meisten Berliner eine neue Mauer, die Corona-Mauer, allerdings von einigen Bürgern durch ihr Verhalten selbstverschuldet. Der rot-rot-grüne Senat des Regierenden Berliner Bürgermeisters Michael Müller (SPD) hätte gerne eine Betrachtung Berlins als Gesamtstadt. Als man das in einer Protokollerklärung zum Bund/Länder- Beschluss für den Umgang mit Urlaubern aus Risikogebieten betonte, lag Berlin unter dem Grenzwert von 50 Neuinfektionen je 100000 Einwohner in sieben Tagen.

Nun hat ganz Berlin im Schnitt diese Grenze überschritten. Aber nicht alle Bezirke. Wer zum Beispiel im Bezirk Treptow-Köpenick wohnt, wo der Wert der Neuinfektionen bei 32,5 Fällen liegt, kann nur hoffen, dass wie bisher die meisten Bundesländer bei der Einordnung der Risikogebiete nach Berliner Bezirken bleiben.

Im Zweifelsfall hilft nur ein Anruf bei den Gesundheitsbehörden im angedachten Urlaubsland oder im gebuchten Hotel. Ohnehin hängt die Einstufung, wer Risikogebiet ist, von der Einschätzung der lokalen Behörden ab. In Bayern, werden auch weitere Parameter einbezogen, aktuell sind Hamm, Remscheid, die Berliner Bezirke Mitte, Neukölln, Tempelhof- Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Bremen als Risikogebiete eingestuft – obwohl inzwischen weit mehr Regionen die 50er-Grenze in Deutschland überschritten haben.

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5. Erst Buchungsaufruf, dann Bann

Am 25. September sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angesichts der zunehmenden Ausweisung von benachbarten Ländern als Risikogebiete im ZDF: „Man kann ja auch Urlaub im Inland machen.“ Auch Kanzlerin Angela Merkel empfahl Urlaub im Inland. Wer dem Rat folgte und etwas buchte, kann sich nun durch Stornorichtlinien wühlen. Denn die meisten Bundesländer schotten sich lieber ab – so sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) laut der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, dass er wegen der sonst vielen Urlauber an der Küste und im Harz Sorge vor zu vielen Neuinfektionen habe. „Einen solchen Pull-Effekt, eine besondere Anziehung in schwierigen Zeiten, können wir nicht riskieren“, betont Weil.

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