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Als Patientenbeauftragte bisher Teil der Exekutive: Claudia Schmidtke am Rednerpult des Bundestages.

© Bundestag

Reformer fordern Ernennung durch den Bundestag: Mehr Unabhängigkeit für Patientenbeauftragte?

Kritik am Corona-Krisenmanagement hat die Patientenbeauftragte bisher kaum geübt. Das könnte daran liegen, dass sie selber Teil des Regierungsapparates ist.

Warum eigentlich ist bei der Bewältigung der Corona-Pandemie so wenig von der Patientenbeauftragten zu hören? Findet Amtsinhaberin Claudia Schmidtke alles in Ordnung – die Probleme mit genügend Schnelltests, den Impfstau und den Streit um vermeintlich gefährliche Vakzine, die Überlastung von Pflegekräften und Intensivmedizinern in den Krankenhäusern, den Dauerstreit der Ministerpräsidenten um Lockdowns, Notbremsen und wirksamen Gesundheitsschutz? Oder traut sie sich bloß nicht, die Regierenden zu kritisieren? Kann und darf sie nicht, wie sie vielleicht gerne möchte?

Tatsache ist: Die oberste Patientenanwältin im Land ist – anders als beispielsweise die Wehrbeauftragte oder der Datenschutzbeauftragte – Teil des Regierungsapparats. Sie ist formell dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt. Aber ist das sinnvoll? Warum gewährt man ihr keine eigenständige Position wie den anderen Beauftragten auch? Wieso ist sie nicht Teil der Legislative? Weshalb wird sie von der Bundesregierung ernannt und nicht vom Parlament gewählt?

Schlagkräftiger dank Zusammenlegung mit Patientenberatern?

Es gibt einen Krankenkassen-Chef, der nun genau dieses fordert. Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK, kennt sich gut aus in der Sozialpolitik. Er war 15 Jahre lang CDU-Abgeordneter, zweimal Staatssekretär, kurzzeitig auch saarländischer Gesundheitsminister. Und zu seinem Appell, das Amt der oder des Patientenbeauftragten endlich mal unabhängiger zu machen, hat er gleich noch einen zweiten gepackt. Dem Posten sollte, findet Storm, auch die ohnehin reformbedürftige Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) zugeordnet werden. Dadurch wären die Amtsinhaber nicht nur näher dran an den Alltagsproblemen von Patienten mit Medizinern, Versicherern und politischen Vorgaben. Sie könnten dank des dreistelligen UPD-Mitarbeiterstabes dann auch weit schlagkräftiger agieren als bisher.

Wenn man beides miteinander verbinde, so warb Storm dieser Tage im Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health, schaffe man „eine wechselseitige Win-win-Situation“. Die Patientenbeauftragte könne auf diese Weise entschiedener und ohne falsche Rücksichten gegenüber allen Akteuren des Gesundheitswesens auftreten. Sie sei dann „weniger regierungsnah“, was nicht nur in Corona-Zeiten von Vorteil wäre. Gleichzeitig könne die in der Vergangenheit viel kritisierte UPD durch Steuerfinanzierung unabhängiger agieren und auf diese Weise auch an Akzeptanz gewinnen.

Unterstützung aus der Union

Die derzeitige Patientenbeauftragte jedoch gibt sich skeptisch. „Ich stehe jeder Idee offen gegenüber, die eine Stärkung der Rechte und der Beteiligung der Patientinnen und Patienten zum Ziel hat“, sagt Claudia Schmidtke auf Anfrage. „Ob diesem konkreten Vorschlag ein Mehrwert zukommt, halte ich jedoch für fraglich, da insbesondere die rechtliche Ausgestaltung des Amtes der Patientenbeauftragten nur bedingt mit der des Datenschutz- oder der Wehrbeauftragten vergleichbar ist.“ Und was die Zukunft der Unabhängigen Patientenberatung betrifft, verweist die CDU-Politikerin und ehemalige Oberärztin für Herzchirurgie lediglich auf laufende Gespräche, „wie für die UPD nachhaltige Organisationsstrukturen geschaffen werden können, um die Schwächen des aktuellen Ausschreibungsmodells auszuschließen und eine qualitative und stete Verbesserung der Patientenberatung zu sichern“.

Schmidtkes Parteifreund Erwin Rüddel, derzeit Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, findet Storms Vorschlag dagegen „diskussionswürdig“. Dieser enthalte „interessante Ansätze, die einen wichtigen Beitrag zur Lösungsfindung leisten können – beispielsweise die gerechtere Steuerfinanzierung, aber auch die Aufwertung der Rolle der Patientenbeauftragten“. Ähnlich die Grünen. „Der Vorschlag, die Patientenbeauftragte oder den Patientenbeauftragten künftig durch das Parlament wählen zu lassen, ist auf jeden Fall eine Überlegung wert“, so Fraktionsexpertin Maria Klein-Schmeink. Eine solche Neuverankerung könne „die Unabhängigkeit der oder des Patientenbeauftragten insbesondere vom Bundesgesundheitsministerium fördern“.

Plädoyer für eine Stiftungslösung

Auch eine Reform der UPD sei „mehr als überfällig“, findet die Grünen-Abgeordnete. „Wir schlagen jedoch als neuen Träger der UPD die Gründung einer Stiftung vor, denn sie genießt hohes Vertrauen, ermöglicht eine unabhängige Trägerstruktur und Planungssicherheit.“ Die Patientenberatung müsse „auf nachhaltige und unabhängige Füße gestellt“ werden, fordert Klein-Schmeink. Patienten- und Verbraucherverbände seien dort ebenso konsequent einzubeziehen wie Selbsthilfeorganisationen. Es brauche „eine starke und zivilgesellschaftlich getragene Institution, die an der Seite der Patientinnen und Patienten steht und stets unabhängig von politischen Interessen agieren“ könne. Daher halte sie „eine Anbindung der UPD auch zu einer oder einem durchs Parlament gewählte/n Patientenbeauftragte/n für nicht geeignet“.

Experten aus den Fraktionen von SPD und FDP sähen die UPD ebenfalls am liebsten als unabhängige, gemeinnützige Stiftung. „Wir wollen die Unabhängigkeit der Beratung langfristig sichern und das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die UPD stärken“, sagte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas dem Tagesspiegel Background. „Eine Anbindung an die Patientenbeauftragte sehen wir kritisch.“ Reden ließe sie mit sich aber bei den anderen Vorschlägen. „Um Kontinuität zu garantieren und die Qualität der Beratung langfristig zu verbessern“, würde die SPD-Politikerin etwa auch gern weg vom derzeitigen Ausschreibungsverfahren. Und bei einer Finanzierung aus Steuern wäre sie ebenfalls dabei.

Wie lässt sich DAK-Chef Storm dagegen ist der Ansicht, dass eine Stiftungslösung „mehr Probleme schafft, als sie lösen kann“. Dasselbe gelte für den Alternativvorschlag aus einer wissenschaftlichen Studie, wonach die UPD auch bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) angedockt werden könne. Schließlich hatten die Gutachter für diesen Fall selber „Neutralitätsprobleme“ ins Feld geführt. Kein Wunder, befindet sich die BZgA als Bundesoberbehörde doch im Geschäftsbereich des BMG und damit in direkter Abhängigkeit zum Ministerium. Unabhängige Patientenberatung sieht etwas anders aus.

Guter Zeitpunkt für eine Grundsatzentscheidung

Tatsächlich muss die Trägerschaft für die UPD nach den bisherigen Regelungen im Jahr 2022 neu ausgeschrieben werden – was die in der Coronakrise gerade einigermaßen in die Pötte gekommene, aber auch an personelle Grenzen geratene Einrichtung wieder ordentlich durchschütteln könnte. Wünschenswert wäre für sie und auch für die ratsuchenden Patienten ein fließender Übergang zu einem Träger, bei dem die Expertise erhalten bliebe. Aber das müsste dann dringend noch in dieser Legislatur eingetütet werden. Die bisherigen Betreiber – eine ausgegründete Tochterfirma des Duisburger Sanvartis-Konzerns – wünschen sich ebenfalls eine „Verstetigung“ ihrer Arbeit durch unbefristete Laufzeit und argumentieren, dass dies auch im Sinne der Beratungsbedürftigen sei. Zudem fordern sie – nach heftiger Kritik an angeblichen Qualitätsmängeln, unwirtschaftlicher Mittelverwendung sowie allzu großer Nähe zu Pharmaunternehmen und Krankenkassen – inzwischen auch selber eine Radikalreform ihrer Finanzierungs- und Trägerstrukturen.

Es müsse noch in diesem Sommer geklärt werden, wie es mit der UPD weitergehen solle, drängelt Storm. Auch deshalb, so argumentiert er, wäre der Zeitpunkt für eine Grundsatzentscheidung mit Blick auf das Amt der Patientenbeauftragten ideal. Schließlich wünsche man sich in der aktuellen Corona-Pandemie stärker denn je eine unabhängige Anwältin für Patienteninteressen mit großem Stab und „voller Handlungsfreiheit gegenüber der Exekutive“, die dann auch mal das Krisenmanagement der Regierung kritisieren und den Ländern klarmachen könne, „dass man hochbetagte Menschen für Impftermine nicht tagelang in irgendwelche Hotlines schicken kann“.

Wie eine allein dem Bundestag verantwortliche Patientenbeauftragte das Gesundheitssystem darüber hinaus durchwirbeln und zum Besseren verändern könnte, müsste der Versuch zeigen.

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