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© Uwe Anspach/dpa

Reformationstag: Diesen Feiertag sollte es jedes Jahr geben

Die Erinnerung an die Reformation vor 500 Jahren passt sehr gut zur Lage in Deutschland. Wir sollten das nutzen - nicht nur in diesem Jahr. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Befindet sich das Land nicht gerade auf der Suche nach dem, was es eigentlich ausmacht? Nach Identität und Zusammenhalt und Heimat? Da liegt eine Antwort direkt vor uns, eine ganz einfache und doch sehr komplexe: die Reformation. Seit 500 Jahren wirkt sie nun nach, und vielleicht gibt es keinen Feiertag, der so gut zu diesem Land, dieser Gesellschaft und der deutschen Geschichte passt wie dieser.

Dieser 31. Oktober ist so voll und reich beladen, dass man gut und gerne dauerhaft einen bundesweiten Feiertag daraus machen kann.

Es wäre ein Feiertag für Sprache und für Bildung, für Fortschritt und für Freiheit. Also für all das, auf das sich viele Menschen in diesem Land berufen und manche sich auch etwas einbilden. Wenige Ereignisse stehen so sehr für diese Begriffe wie die Reformation.

Personalisierung - und neue Ideen: Das passt!

Eigentlich trifft es sich ganz gut, dass sich die Reformation auch noch personalisieren lässt. Nicht mit einem strahlenden Helden, sondern einem streitbaren Menschen. Martin Luther hat die deutsche Sprache geprägt, ästhetisch und praktisch. Seine Bibelübersetzung damals hatte eine Bedeutung wie heute der Anschluss Deutschlands ans Internet. Luther hat die Kirche im Kopf als Zensor ausgeschaltet, Kommunikation jetzt bitte direkt zwischen Mensch und Gott.

Die zwei stärksten Säulen, auf denen unsere Kultur steht, sind die griechisch-römische Geschichte und eben das Christentum. Wenn Luther aber nur Christ gewesen wäre und die Reformation nur evangelisch, hätte ihn die DDR nicht oben auf dem Sockel stehen lassen. Luther stand dafür, sich seine eigenen Überzeugungen nicht wegnehmen zu lassen, sich auch mit der Obrigkeit anzulegen. Es kommt einfach eine Menge zusammen, Bewegendes – aber auch Grauenhaftes. Luther hat befreit, Bildung befördert, doch er verkörpert auch den deutschen Antisemitismus, sein Judenhass ist ein furchtbares Erbe.

Kein Hurra-Tag - aber ein Geschenk wäre dieser Feiertag schon

So ist dieser Feiertag eben kein Hurra-Deutschland-Tag. Es spricht aber noch etwas ganz anderes dafür, den 31. Oktober jetzt jedes Jahr als bundesweiten Feiertag zu begehen: Es wäre ein Zeichen, ein Geschenk, überhaupt einen Feiertag einzuführen. Das würde einem allgemeinen Bedürfnis entsprechen, mehr Zeit zu haben, ob für sich selbst, für die Familie, oder um mit anderen etwas zu unternehmen oder sich zu engagieren. Alles verdichtet sich. Dieser Feiertag würde dagegen die Gelegenheit zum Luftholen bieten, auch die, etwas mit anderen oder für andere zu machen, sei es in der Kirche, in Sportvereinen oder anderen Gruppen. Das kann Gesellschaft zusammenhalten.

Es mag sein, dass sich die wirtschaftlichen Verluste für die Einführung eines Feiertags bis hinters Komma vorhersagen lassen. Aber manche Probleme sind ohnehin so groß, dass das Gegenrechnen mit einzelnen Feiertagen Flickschusterei ist. Die Abschaffung des Buß- und Bettags hat den Pflegenotstand jedenfalls nicht beheben können.

Überhaupt geht es bei einem Feiertag um mehr. Bei diesem könnte es um Selbstbesinnung wie um gesellschaftliche Besinnung zugleich gehen, je nachdem, wer sich persönlich auf was einlassen möchte. Ein Aspekt wäre auch, die Zahl der Feiertage bundesweit etwas gerechter zu gestalten.

Ein neuer Feiertag sollte nicht beliebig ausgewählt werden. Der Reformationstag mit seinen Werten und Folgen könnte der richtige sein in einer Zeit, in der das Land auf der Suche nach sich selbst ist.

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