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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

© imago/photothek

Update

Reform der Grundsteuer: Union legt Veto gegen Grundsteuer-Modell von Scholz ein

Die Union im Bundestag lehnt das Grundsteuer-Modell des Finanzministers ab. Ein zäher Koalitionskonflikt droht. Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Am Montag will sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit seinen Länderkollegen treffen. Es wird um die Reform der Grundsteuer gehen. Das von Scholz im November vorgestellte Reformmodell ist nicht überall gut angekommen. Es sieht vor, die Grundsteuer weiterhin nach einem Wertmodell zu berechnen. Einfließen sollen tatsächliche und (bei reinen Privatimmobilien) fiktive Nettomieten, das Alter der Gebäude, Bodenfläche und die Restnutzungsdauer. Das kam in den Ländern sehr unterschiedlich an. Bayern hatte gleich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr eine Abkehr von der Wertbasierung hin zu einem reinen Flächenmodell gefordert, wie auch Hamburg (wo Scholz bis vor einem Jahr Bürgermeister war).

Die Karlsruher Richter hatten die Reform verlangt, weil die bisherige Bemessung der Steuer auf der Basis völlig veralteter Einheitswerte von 1964 (im Westen) und 1935 (im Osten) als grundgesetzwidrig eingestuft wurde. Auch andere Finanzminister moserten am Scholz-Vorschlag herum, der vom längst vorliegenden Modell der Ländermehrheit abweicht. Zugute kommt die Grundsteuer allein den Kommunen, die deswegen zuständigen Länder hatten aber darauf gedrungen (bis auf Bayern), auch künftig eine bundeseinheitliche Steuergrundlage zu haben und daher den Bund zum Handeln aufgefordert.

Reform wird zum Koalitionskonflikt

Doch nun ist aus dem möglichen Bund-Länder-Konflikt ein Koalitionskonflikt geworden. Auch die Unions-Fraktion im Bundestag trägt das Modell nicht mit. Fraktionsvize Andreas Jung (CDU) sagte der „Frankfurter Allgemeinen“, die Fraktion lehne das wertabhängige Modell von Scholz ab. Stattdessen wolle sie ein reines Flächenmodell ohne Wertkomponente. „ Es ist einfacher, gerechter und transparenter“, sagt Jung. Die CSU-Landesgruppe hatte das zuvor bei ihrer Klausurtagung in Seeon beschlossen. Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach hält Scholzens Vorschlag für „völlig verfehlt“, wie er dem Tagesspiegel sagte.

Gleiche Werte würden ungleich behandelt. Da Scholz die vor allem in Metropolen zu erwartenden starken Höherbewertungen auffangen will mit einem flexiblen Abschlagsrecht der Kommunen, könne so eine „unterschiedliche Besteuerungsgrundlage entstehen. Es komme auch zu einer Ungleichbehandlung von Metropolzonen und ländlichen Regionen, so Michelbach. Nachteile sieht er auch für Gewerbeimmobilien. Und außerdem erfordere es einen „unnötig hohen Verwaltungsaufwand“. Dass die SPD parallel zu dem Scholz-Modell auch die Umlagefähigkeit der Gewerbesteuer auf die Mieten in Zweifel zieht, um hier mögliche Höherbelastungen von Mietern aufzufangen, kommt in der Unions-Fraktion auch nicht gut an.

Widerspruch zum Koalitionsvertrag?

Und damit wird der Reformvorschlag des Finanzministers nicht Wirklichkeit werden. Laut Jung widerspricht er dem Koalitionsvertrag. Dort steht zwar nur, dass sie „unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, der Sicherung des derzeitigen Aufkommens sowie unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes“ neu geregelt werden soll. Jung aber verweist darauf, man habe auch eine Wohnungsbau-Initiative und den Erhalt bezahlbaren Wohnraums vereinbart. Dem widerspricht nach Ansicht des Fraktionsvizes der Ansatz von Scholz.

Das reine Flächenmodell hat aus Sicht der Union den Vorteil, dass es zu einer einheitlicheren Besteuerung kommt, sowohl bei Eigentümern als auch bei Mietern. Aber es gibt noch einen Grund: Michelbach sieht in dem Vorschlag des Finanzministers die Gefahr, „dass mit den Berechnungsmodellen Grundlagen für die Einführung einer Vermögensteuer in der Zukunft geschaffen werden sollen“. Eine solche Steuer lehnt die Union ab.

Zurück auf Los

Mit dem Veto der Union heißt es nun für Scholz und die Länderminister: Zurück auf Los. Die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) sagte dem Tagesspiegel zu der neuen Situation: "Der Bundesfinanzminister hat offensichtlich einen Vorschlag vorgelegt, der noch nicht einmal in der Koalition auf Bundesebene konsensfähig ist. Auch der im November 2016 mit großer Mehrheit beschlossene Ländervorschlag im Bundesrat scheiterte letztlich auf Bundesebene. Jetzt ist es drei vor zwölf." Sitzmann verweist darauf, dass nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts in diesem Jahr unbedingt ein Kompromiss gefunden, die notwendigen Gesetze verabschiedet und die Reform dann möglichst unbürokratisch umgesetzt werden müsse. "Würde die Grundsteuer ausfallen, würden den Kommunen bundesweit Einnahmen in Höhe von rund 14 Milliarden Euro entgehen. Das wäre katastrophal für die Städte und Gemeinden, das müssen wir mit aller Kraft verhindern - und zwar gemeinsam und konstruktiv." Sie halte es für notwendig, "dass wir bei einer neuen Grundsteuer Komponenten berücksichtigen, die den Wert einer Immobilie abbilden".

"Pragmatischer Kompromiss"

Doch wie könnte eine Lösung aussehen? Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte dem Tagesspiegel: „Ein pragmatischer Kompromiss könnte in einem Mischmodell aus Bodenwertsteuer und Flächenmodell bestehen.“ Bach hält es für „skurril“, dass nach dem kritischen Karlsruher Urteil nur ein „vereinfachter Relaunch“ der alten Grundstücksbewertung aus dem Hut gezaubert werden solle.

„Da zu den Gebäuden keine aktuellen Informationen in den Datenbanken der Behörden vorliegen, müssen für 42 Millionen Wohnungen und einige Millionen Betriebsgrundstücke unverständliche Veranlagungsbögen ausgefüllt werden“, gibt der Ökonom zu bedenken. „Das gibt großen Ärger und wird ein Beschäftigungsprogramm für Steuerberater, Finanzbeamte und Architekten.“ Die reine Flächensteuer wäre laut Bach zwar deutlich einfacher zu erheben, „aber kaum gerecht“. Bei gleichen Grundstücks- und Gebäudeflächen würde ein Eigenheim in Kaulsdorf etwa genauso hoch besteuert wie eine Villa im Grunewald, und die Plattenbauwohnung in Marzahn genauso hoch wie der renovierte Altbau in Prenzlauer Berg.

Die Rolle des Bodenwerts

Stattdessen befürwortet DIW-Mann Bach, wie auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, die Bodenwertsteuer. Sie gilt als relativ einfaches wertabhängiges Modell ohne allzu großen bürokratischen Aufwand. Laut Bach ist sie „eine auch wirtschaftspolitisch sinnvolle Alternative, da die Bodenrichtwerte grundsätzlich vorliegen und sie Anreize setzt, das Grundstück stärker zu nutzen“. Doch fürchteten manche Politiker und Immobilienverbände hohe Belastungen von Eigenheimen und guten Lagen.

Die Verbindung mit einem Flächenmodell könnte laut Bach daher ein Kompromiss sein. Man könnte dabei auch auf die Unterschiede in den Ländern reagieren, schlägt Bach vor. „Es könnte den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden, die Gewichtung der Komponenten Bodenwert, Grundstücksfläche und Gebäudefläche selbst festzulegen.“

Was bleibt, ist die Frage der Umlagefähigkeit. Hier wird letztlich entscheidend sein, wie stark sich künftig - die neue Grundsteuer wird erst ab 2025 erhoben werden - die Belastung auffächert und wie viel mehr Steuer auf welche Mieter zukäme. Endgültig bewerten lässt sich das erst, wenn die Entscheidung gefällt ist, wie die Steuer reformiert wird.

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