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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht im Bundestag bei der Zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag.

© Gregor Fischer/dpa

Rede von Emmanuel Macron im Bundestag: „Das schulden wir Europa“

Frankreichs Präsident ruft Deutschland auf, gemeinsam ein neues Kapitel in der EU aufzuschlagen. Im Bundestag wirbt Macron für eine „europäische Souveränität“.

Für Emmanuel Macron ist das Gedenken an den Ersten Weltkrieg eng mit Deutschland verknüpft. Vor einer Woche hatte Frankreichs Präsident gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel im Wald von Compiègne, wo die Deutschen vor 100 Jahren den Waffenstillstand unterzeichneten, an die Kriegsgräuel erinnert. Am Sonntag setzte Macron bei einer Rede im Bundestag dann den Schlusspunkt unter die zahlreichen Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkrieges. Deutschland und Frankreich teilten eine „tragische Vergangenheit, geprägt von Hoffnung und Zusammengehörigkeitsgefühl“, sagte er bei der zentralen Gedenkstunde zum Volkstrauertag, an dem der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird.

Es liegt 18 Jahre zurück, dass ein französischer Präsident im Bundestag eine Rede gehalten hat. Damals sprach sich der damalige Staatschef Jacques Chirac für eine europäische Verfassung aus, die später nach mehreren politischen Umwegen in der Form des heutigen EU-Vertrags von Lissabon verwirklich wurde. Seit dem Auftritt von Chirac im Jahr 2000 hat sich der Horizont für die EU verdüstert. Populistische Parteien haben überall in der EU verstärkt Zulauf, und auch bei der Europawahl im kommenden Mai könnten sie an Einfluss gewinnen. Macron holte in seiner Rede im Bundestag weit aus, bevor er auf die gegenwärtigen Probleme der Europäischen Union zu sprechen kam. Er erinnerte an die zwei Jahrhunderte, in denen Deutschland und Frankreich zum Ausgangspunkt von Kriegen wurden. Als das „deutsche Wunder“ bezeichnete Macron die Tatsache, dass hierzulande nach dem Zweiten Weltkrieg „die blutrünstigen Dämonen des Nationalismus überwunden wurden“. Deutschland und Frankreich sei es in der Nachkriegszeit gelungen, „den europäischen Gedanken“ auf dem Kontinent durchzusetzen.

Pflicht zu friedlichem Kurs

Nach dieser Vorrede erreichte Macron dann den Kern seiner Ausführungen – die aktuelle Weltlage, die unter anderem durch eine bedrohte Sicherheit, die Migration und den digitalen Wandel gekennzeichnet sei. „Für all das wurde die EU nicht konzipiert“, sagte der Staatschef. Deutschland und Frankreich müssten heute gemeinsam ein neues Kapitel in der EU aufschlagen, forderte er. „Das schulden wir Europa.“

Wie schon bei seiner Rede an der Sorbonne vor über einem Jahr verlangte Macron, „Europa mit den notwendigen Instrumenten der Souveränität“ auszustatten. „Europa, und in dessen Mitte das deutsch-französische Gespann, hat die Pflicht und die Aufgabe, die Welt nicht ins Chaos abdriften zu lassen und sie auf einen friedlichen Kurs zu bringen“, sagte er.

Bei einer Veranstaltung unter dem Motto „Youth for Peace“ hatte sich Macron zuvor in Berlin von jungen Menschen erklären lassen, welche Ideen sie bei einem fünftägigen Treffen für eine dauerhafte Friedenswahrung entwickelt hatten. „Die Jugend wird nicht in der Lage sein, die Zukunft zu gestalten, wenn sie nicht weiß, woher sie kommt“, sagte Macron. Bei der Begegnung mit den Jugendlichen, die bei dem internationalen Treffen des deutsch-französischen Jugendwerks auch eine gemeinsame Gedenkkultur gefordert hatten, beklagte Macron, dass das seit 2006 vorliegende deutsch-französische Geschichtsbuch im Schulalltag zu wenig genutzt werde.

Macron verlangt mehr Ehrgeiz

Der Gast aus Frankreich unternahm seine Reise nach Deutschland zu einem Zeitpunkt, zu dem er in der Innenpolitik unter Druck steht und gleichzeitig befürchten muss, dass seine Ideen zur EU-Reform unter die Räder kommen. Bei einer Protestwelle demonstrieren aufgebrachte Franzosen auf den Straßen des Landes gegen die geplante Erhöhung der Spritpreise, mit der Macron Maßnahmen zur Luftreinhaltung finanzieren will.

Inwieweit seine Vorschläge zur Reform der EU die Unterstützung Deutschlands haben, lotete Macron am Sonntagnachmittag im Kanzleramt bei einem Treffen mit Merkel aus. Vor dem Treffen erklärte die Kanzlerin, dass die beim deutsch-französischen Gipfel von Meseberg im vergangenen Juni begonnene Arbeit fortgesetzt werden müsse. Damals hatten sich Deutschland und Frankreich unter anderem auf ein gemeinsames Vorgehen zur Stärkung der Euro-Zone verständigt. Jetzt werde man „auch wirklich liefern müssen“, erklärte Merkel.

Macron verlangte derweil mehr Ehrgeiz in der deutsch-französischen Verteidigungspolitik. Der Präsident erinnerte an die Absichtserklärung für eine engere Kooperation bei der Rüstungspolitik vom Juli 2017 und fügte hinzu: „Wir möchten aber jetzt einen weiteren Schritt machen.“

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