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Deutsche, die an pro-kurdischen Protesten teilnehmen (hier 2018 in Köln) stehen offenbar unter Beobachtung der türkischen Behörden.

© Marius Becker/dpa

Rede in Ankara: Türkei will mutmaßliche Regierungsgegner aus Deutschland bei Einreise festnehmen

Innenminister Soylu deutet an, politische Gegner in Deutschland zu beobachten - und will sie festnehmen lassen, wenn sie zum Urlaub in die Türkei kommen.

Die Türkei will künftig Urlauber aus Deutschland, die als mutmaßliche Regierungsgegner gelten, gleich bei der Einreise festnehmen lassen. Das kündigte Innenminister Süleyman Soylu jetzt an. Die Äußerung des Ministers legt nahe, dass Ankara die Teilnehmer von Türkei-kritischen Kundgebungen in der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten beobachten und Namenslisten von Verdächtigen erstellen lässt.

Kurz nach dem Entzug der Arbeitsgenehmigung für drei deutsche Korrespondenten in der Türkei facht Soylus Drohung die Spannungen in den Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland weiter an.

In einer Rede bei einer Kundgebung der Regierungspartei AKP in Ankara bezog sich Soylu laut Videomitschnitten und Berichten regierungsfreundlicher Medien auf Aktivitäten der kurdischen Terrororganisation PKK in Deutschland. „Es gibt ja Leute, die in Europa oder in Deutschland an Kundgebungen so einer Terrororganisation teilnehmen und dann nach Antalya, Bodrum oder Mugla kommen, um Urlaub zu machen“, sagte er. „Für die haben wir jetzt Maßnahmen getroffen. Die sollen ruhig kommen, dann werden sie bei der Einreise am Flughafen festgenommen - und ab geht’s mit ihnen. Im Ausland Verrat zu begehen und dann in der Türkei das Leben zu genießen, ist ab jetzt nicht mehr so einfach.“

Türkischstämmige Bundesbürger im Fokus

Die Worte des Innenministers richteten sich insbesondere – aber nicht nur – an türkischstämmige Bundesbürger. Ankara wirft den deutschen Behörden seit langem vor, nicht entschieden genug gegen die Präsenz der auch in Deutschland verbotenen PKK in der Bundesrepublik vorzugehen. Soylus Hinweis auf „Maßnahmen“ deutet an, dass die türkischen Behörden gezielt Informationen über mutmaßliche PKK-Anhänger in Deutschland sammeln.

Viele der rund drei Millionen Türken und türkischstämmigen Deutschen in der Bundesrepublik nutzen ihre Ferienzeit für Besuche bei Verwandten oder Freunden in der Türkei. In den vergangenen Jahren waren dabei mehrere von ihnen in der Türkei wegen angeblich staatsfeindlicher Kommentare in sozialen Medien festgenommen worden. Die Bundesregierung warnt deshalb in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes für die Türkei, dass auch „Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben“ könnten.

Die Rede des türkischen Innenministers dürfte das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin weiter belasten. Vorige Woche hatte das türkische Informationsamt dem Tagesspiegel-Korrespondenten Thomas Seibert, dem ZDF-Reporter Jörg Brase sowie dem NDR-Journalisten Halil Gülbeyaz die Akkreditierung für das Jahr 2019 verweigert.

Weiter Streit um Akkreditierung deutscher Journalisten

Die Bundesregierung bemüht sich bei der Regierung in Ankara um eine Rücknahme der Entscheidung und fordert die rasche Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für mehr als ein Dutzend weiterer deutscher Reporter, die noch auf ihre Akkreditierungen warten. Rund 30 Türkei-Korrespondenten aus anderen Ländern werden ebenfalls noch hingehalten.

Der Streit um die Akkreditierungen ist Folge eines Versuchs von Informationsamts-Leiter Fahrettin Altun, die ausländische Presse in der Türkei zu disziplinieren. Der in Aalen geborene Altun leitet seit dem vergangenen Jahr das im Rahmen des neuen Präsidialsystems gegründete Informationsamt. Vor seiner Ernennung führte der 42-jährige Soziologe eine regierungsnahe Denkfabrik und schrieb Kommentare für regierungsnahe Medien.

Kurz vor seinem Wechsel an die Spitze des Informationsamtes hatte Altun im vergangenen Jahr die angebliche Feindseligkeit westlicher Medien gegenüber der türkischen Regierung und Präsident Recep Tayyip Erdogan beklagt. Die Sicht westlicher Medien auf die Türkei werde von Regierungsgegnern im In- und Ausland beeinflusst, schrieb Altun damals in der Erdogan-nahen Zeitung „Daily Sabah“. Deshalb müssten sich die westlichen Medien an „korrekten Nachrichten- und Informationsquellen“ orientieren, forderte er. „Um das zu tun, müssen sie allerdings ihre ideologische Haltung gegenüber der Türkei und Erdogan aufgeben.“

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