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Horst Seehofer bei seiner Rede im Bundestag

© AFP/Tobias Schwarz

Rede im Bundestag: Horst Seehofer, Heimatminister auf Abruf

Horst Seehofer kämpft um sein politisches Vermächtnis, will beim Thema Heimat nochmal punkten. Doch seit dem Maaßen-Debakel ist seine Zukunft unsicher wie nie.

Was ist über ihn und sein Heimatministerium gespottet worden. Im Internet nannten sie ihn „Heimathorst“. Gewitzelt wurde, mit ihm, Horst Seehofer, als Heimatminister gebe es bald Maßkrüge, Lederhosen und Maibäume für ganz Deutschland. Rückständig und deutschtümelnd fanden die Kritiker seine Idee, ein Ministerium für Heimat.

Doch Horst Seehofer will jetzt zeigen, dass die Spötter unrecht hatten. Am Mittwoch trifft er zehn Minuten vor der Zeit im Plenarsaal des Bundestages ein, die anstehende zweistündige Debatte ist ihm wichtig. Es geht um „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in Stadt und Land, in Ost und West. Ein emotionales Thema in Deutschland, wo bestimmte Regionen immer mehr ausbluten. Der Heimatminister hat eine Kommission dazu eingesetzt. Er will dieses Thema zu seinem machen.

Es geht jetzt um nicht weniger als sein politisches Vermächtnis. Davon, was von ihm bleiben wird, wenn er einmal nicht mehr Innenminister ist. Und Seehofer weiß: Er befindet sich im Spätherbst seiner politischen Karriere.
Für die nächste Woche hat Seehofer eine Erklärung über seine persönliche Zukunft angekündigt. Dass er nach der Niederlage für die CSU in Bayern nicht CSU- Chef bleiben kann, scheint sicher. Aber er selbst behauptet, er sei noch nicht entschieden. Einen Bericht der „Zeit“, wonach er den Parteivorsitz niederlegen aber Innenminister bleiben will, dementierte Seehofer. Klar ist: Es wird nach der Causa Hans-Georg Maaßen schwer für ihn, das Amt zu halten.

Der Applaus ist spärlich

Da hat Seehofer fast einen Koalitionsbruch für den irrlichternden Verfassungsschutzchef riskiert. Wochenlang war das Land gelähmt. Und als die Sache ausgestanden scheint, fällt Maaßen Seehofer in den Rücken. Wiederholt seine Medienschelte von vor ein paar Wochen, spricht sogar von „linksradikalen Kräften“ in der SPD. Seehofer steht jetzt da als Innenminister ohne Urteilsvermögen.

Doch unter der Reichstagskuppel will Seehofer jetzt beweisen, dass er sehr wohl weiß, was wichtig ist im Land. Das Plenum ist nur schwach besetzt, als er ans Rednerpult tritt, der Applaus dementsprechend spärlich. „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse heißt nicht Gleichmacherei“, sagt Seehofer. Die regionalen Unterschiede müssten bestehen bleiben. „Ich kann aber aus meiner Arbeit als bayerischer Ministerpräsident sagen: Wenn aus einer Region Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Ärzte verschwinden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Menschen wegziehen.“ Immer wieder verweist er auf die guten Erfahrungen, die die CSU in Bayern bei der Stärkung ländlicher Räume gemacht hat. Es ist auch ein Verweis auf seine eigenen Erfolge.

Horst Seehofer wartet auf den Beginn der Debatte im Bundestag.
Horst Seehofer wartet auf den Beginn der Debatte im Bundestag.

© AFP

Seehofer war Staatssekretär unter Blüm, Minister unter Kohl und Merkel, Ministerpräsident von Bayern. Doch seitdem er das um die Bereiche Bau und Heimat aufgeblasene Innenministerium übernommen hat, geht für ihn alles schief. Mit seiner Forderung nach Zurückweisungen an der Grenze hat er eine Regierungskrise ausgelöst. Mit seinem Rücktritt vom Rücktritt sorgte er für Kopfschütteln. Sein Hinweis, just an seinem 69. Geburtstag seien 69 Afghanen abgeschoben worden, sorgte für Empörung. Und dann waren da eben noch Maaßen und der Spruch, die Migration sei die „Mutter aller Probleme“.

„Minister auf Abruf“

Seehofer gilt so manchem als Fehlbesetzung im Innenministerium. In der Opposition lästern sie, er habe sein Haus nicht im Griff, kümmere sich nur um die Themen, auf die er Lust hat. Das habe man etwa daran gesehen, dass er am Mittwoch zwar im Bundestag gesprochen habe, aber nicht vor dem Innenausschuss erschienen ist. Dort wäre es um die Causa Maaßen gegangen.

Auch im Parlament bekommt Seehofer für seine Rede Gegenwind. Gelobt wird zwar, dass sich die Koalition endlich dem Thema gleichwertige Lebensverhältnisse widmet. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, sagt aber, man habe bei dem Thema kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ruft: „Eine Kommission, der Sie vorstehen, kann ich nicht mehr ernst nehmen. Sie sind nach der Causa Maaßen nur ein Minister auf Abruf.“ Und wenn die Bundesregierung ihren Job gemacht hätte, würde es die Kommission gar nicht brauchen.

Wer Seehofer dieser Tage trifft, der erlebt zuweilen einen verletzten, fast trotzigen Mann. Seehofer fühlt sich und seine Politik falsch verstanden. Für sein Heimatministerium habe man ihn verspottet, für seine Ansichten zur Migration verurteilt. „Wenn man gegen Zuwanderung ist, ist man sofort ein Radikaler, ein Psycho“, beschwerte er sich im Juli bei der Vorstellung seines Masterplans Migration. „Jetzt steht also dieser böse Horst Seehofer vor euch“, sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Erding. Früher war wohl bei solchen Worten noch Ironie zu hören, ein Augenzwinkern – heute klingt es vor allem bitter.

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