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SVP-Wahlsieger und "Weltwoche"-Chef Roger Köppel.

© REUTERS

Rechtsruck in Europa: Der Aufstieg der Rechtspopulisten

Der Wahlsieg der SVP in der Schweiz zeigt: Europa wird nicht nur von der Flüchtlingskrise herausgefordert, sondern von den Rechtspopulisten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Europa bietet in diesen Tagen das Bild eines Kontinents, der beides ist: gefordert und herausgefordert. Gefordert von den Hunderttausenden Flüchtlingen, die innerhalb der vergangenen Wochen auf der Suche nach einer besseren Zukunft gekommen sind. Und herausgefordert von rechten und rechtspopulistischen Parteien.

Mit den Flüchtlingszahlen wachsen auch die Parteien weit rechts der politischen Mitte. In der Schweiz kann die rechtspopulistische SVP ihre Stellung als stärkste Kraft ausbauen, in den Niederlanden liegt die „Partei für die Freiheit“ von Geert Wilders in den Umfragen weit vorn, in Frankreich möchte die Front-National-Chefin Marine Le Pen bei den Regionalwahlen im Dezember triumphieren. Und in Polen stehen am kommenden Sonntag Parlamentswahlen an. Auf dem ersten Platz in den Umfragen liegt auch hier die nationalkonservative Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“. Deren Parteichef Jaroslaw Kaczynski warnte jüngst davor, dass die Flüchtlinge „Krankheiten einschleppen“ würden.

Wer so redet, nutzt die Sorgen einer angesichts der Flüchtlingskrise verunsicherten Bevölkerung schamlos aus. Damit diese Ängste entstehen können, müssen noch nicht einmal viele Flüchtlinge in der Nachbarschaft der potenziellen Wähler rechtspopulistischer Parteien leben, wie der Siegeszug der polnischen Kaczynski-Partei zeigt. Auch die Schweiz ist – ähnlich wie Frankreich – gegenwärtig nicht das wichtigste Ziel der Flüchtlinge in Europa.

Der Erfolg der Rechtspopulisten hat eine Vorgeschichte

Dass die nationalkonservative SVP in der Eidgenossenschaft dennoch am vergangenen Wochenende erneut punkten konnte, weist darauf hin, dass der gegenwärtige Erfolg der Rechtspopulisten eine längere Vorgeschichte hat. In Frankreich ist der Front National schon seit Jahrzehnten zum Sammelbecken derjenigen geworden, die sich – zu Recht oder zu Unrecht – sozial deklassiert fühlen und sich grundsätzlich von der Hauptstadt-Politik in Paris nicht mehr vertreten sehen. Und in der Schweiz, die von jeher einen hohen Ausländeranteil verzeichnet, ist die „Das Boot ist voll“-Rhetorik endgültig salonfähig geworden, als die SVP-Volksinitiative gegen „Masseneinwanderung“ im Februar 2014 erfolgreich war.

Angesichts der Stimmungsmache gegen Einwanderer jeder Art, die sich in Europa in Umfragen und bei Abstimmungen niederschlägt, erscheint Deutschland wie ein Hort politischer Stabilität – trotz der vielen Menschen, die hier Zuflucht fanden. Auch das „Wir schaffen das“ von Angela Merkel kommt in Deutschland nicht aus dem Nichts: Die Kanzlerin konnte den Satz auch deshalb sagen, eben weil es hierzulande keinen Front National und keinen Geert Wilders gibt. Die gegenwärtigen Umfrage-Verluste der Union und der Aufwind der AfD verlieren an Dramatik, wenn man sie mit dem Zuwachs der Rechtspopulisten anderswo in Europa vergleicht.

Für Selbstzufriedenheit aber gibt es in der Flüchtlingsdebatte in Deutschland dennoch keinen Anlass. Die Volksparteien in der Mitte sind herausgefordert, mit den Bürgern einen Diskurs zu entwickeln, in dem es Raum auch für dies gibt: echte Überforderung in den Behörden und bei Helfern, neue Konkurrenzkämpfe am unteren Ende des Wohnungsmarktes – und des Arbeitsmarktes. Nur wer sich diesen Diskussionen stellt, kann auch den offenen Fremdenhass der Pegida-Bewegung glaubwürdig geißeln.

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