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3. Februar 2008: Bei einer der schlimmsten Brandkatastrophen der Bundesrepublik sterben in Ludwigshafen sterben vier Frauen, darunter eine Schwangere, und fünf Kinder. Alle sind türkischer Herkunft. Nun wird der noch ungeklärte Fall neu aufgerollt, um eine mögliche Verbindung zu der Jenaer Neonazi-Terrorzelle zu prüfen.

© dpa

Rechtsextremistischer Terror: Ermittler prüfen Hintergrund nicht aufgeklärter Taten

Zehn Morde, 14 Banküberfälle und ein Anschlag mit einer Nagelbombe werden dem Jenaer Neonazi-Trio bislang angelastet. Welche Taten könnte es noch begangen haben?

Von Frank Jansen

Zehn Morde, 14 Banküberfälle, ein Anschlag mit einer Nagelbombe – das Jenaer Neonazi-Trio Uwe M., Uwe B. und Beate Z. hat seit seinem  Untertauchen im Januar 1998 schwere Straftaten begangen, die bis zu diesem November als nicht aufklärbar galten. Und die Liste der Delikte dieser Terrorgruppe namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ ist womöglich noch deutlich länger. Die vom Bundeskriminalamt gebildete „Besondere Aufbauorganisation ,Trio‘“ und mehrere Landeskriminalämter sind mit elf Fällen konfrontiert. Beinahe täglich kommen neu-alte hinzu.

BERLIN, 28. September und 19. Dezember 1998

Auf das Grab von Heinz Galinski, dem ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, werden zwei Sprengstoffanschläge verübt. Bei der Explosion einer Rohrbombe am 19. Dezember 1998 auf dem jüdischen Friedhof an der Heerstraße im Stadtteil Charlottenburg wird die Grabplatte aus Marmor zerstört. Drei Monate zuvor haben Unbekannte ebenfalls mit Sprengstoff die Ruhestätte angegriffen. Die drei Jenaer Neonazis kommen als tatverdächtig infrage, weil sie vor ihrem Verschwinden Rohrbomben gebaut hatten. Die Polizei fand im Januar 1998 vier funktionsfähige Exemplare in einer vom Trio genutzten Garage in Jena.

SAARBRÜCKEN, 9. März 1999

Bei einem Anschlag in Saarbrücken wird das Gebäude einer Volkshochschule schwer beschädigt, in dem das Hamburger Institut für Sozialforschung die Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht zeigt. Die Polizei spricht von einem „professionellen Sprengsatz“. Der rechten Szene ist die Wanderausstellung verhasst. Weniger Tage nach der Detonation geht bei mehreren Zeitungen ein Bekennerschreiben ein, dem der Rest eines Zündkabels beigelegt ist. Das Jenaer Trio könnte diese Tat verübt haben, auch wenn es sich bei anderen Straftaten nicht selbst bezichtigt hat. Sicherheitsexperten halten es aber für möglich, dass die Neonazis ihre Methoden wechselten.

RUHRGEBIET, 14. Juni 2000

Der Rechtsextremist Michael Berger erschießt in Dortmund und Waltrop drei Polizisten. Zunächst tötet Berger in Dortmund aus einem Auto heraus den Polizeikommissar Thomas Goretzky, der ihn kontrollieren will. Auf der Flucht feuert der Neonazi in Waltrop (bei Recklinghausen) auf die Polizistin Yvonne Hachtkemper und ihren Kollegen Matthias Larisch von Woitowitz. Beide sterben. Anschließend erschießt Berger sich selbst.

Etwas überraschend hat diesen Fall am Donnerstag der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), in einer Aktuellen Stunde im Landtag erwähnt. Die Polizei prüfe das Delikt „auf mögliche Bezüge“ zum Fall der Jenaer Terrorgruppe, sagte Jäger. Demnach schließen die Behörden nicht aus, dass die Neonazis mit dem Todesschützen Berger in Verbindung gestanden haben könnten. Bemerkenswert ist auch, dass der Mord an den drei Polizisten, vom Tagesspiegel im September 2010 in einer Liste rechts motivierter Tötungsverbrechen genannt, bislang offiziell nicht als politisch motivierte Gewalttat gilt.

DÜSSELDORF, 27. Juli 2000

Am S-Bahnhof Wehrhahn explodiert ein Sprengsatz. Zehn Menschen werden verletzt, eine Frau verliert ihr ungeborenes Baby. Da sechs der Verletzten jüdischen Glaubens sind, wird bald ein rechtsextremer Anschlag vermutet. Der Fall ruft bundesweit enorme Empörung hervor, die später in den vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“ mündet.

LAND BRANDENBURG, 10. Januar 2000 bis 30. Januar 2001

Eine ominöse „Nationale Bewegung“ verübt im Land Brandenburg Brandanschläge auf türkische Imbisse und weitere Straftaten. Als am 8. Januar 2001 die Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Potsdam bei einem Brandanschlag beschädigt wird, übernimmt die Bundesanwaltschaft wegen Terrorverdachts die Ermittlungen. Eine Verbindung zu den Taten des Jenaer Trios könnte sich über ihre zynische DVD ergeben. In dem Film, in dem mehrere Morde gefeiert werden, tauchen Schriftzüge auf, die mit der Schrift in den Bekennerschreiben der Nationalen Bewegung übereinstimmen könnten.

KÖLN, 19. Januar 2001

Bei einem Bombenanschlag in Köln auf den Kiosk eines Iraners wird eine 19-jährige Deutsch-Iranerin schwer verletzt. Auf der DVD des Jenaer Trios findet sich ein Hinweis auf die Tat.

BERLIN, 16. März 2002

Ein unbekannter Täter wirft eine Bombe in den Eingangsbereich des jüdischen Friedhofs in Berlin-Charlottenburg. Die Trauerhalle wird beschädigt. Wie schon nach den Anschlägen auf das Grab von Heinz Galinski im Jahr 1998 findet die Polizei die Täter nicht. Angesichts der Bombenbastelei des Jenaer Trios könnte es an diesem Anschlag beteiligt gewesen sein.

KÖLN, 9. Juni 2004

Vor dem Friseurladen eines Türken in Köln explodiert eine mit Nägeln gefüllte Bombe. 22 Menschen werden verletzt. Auf der DVD des Jenaer Trios sind Bilder vom Tatort zu sehen. Für den Anschlag in Köln sei vermutlich das Trio verantwortlich, heißt es in Sicherheitskreisen.

LUDWIGSHAFEN, 3. Februar 2008

Bei einer der schlimmsten Brandkatastrophen in der Geschichte der Bundesrepublik sterben in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) vier Frauen, darunter eine Schwangere, und fünf Kinder. Alle sind türkischer Herkunft. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal, die zunächst einen rassistischen Hintergrund nicht ausgeschlossen hatte, sagt im März 2008, ein Brandanschlag sei „äußerst unwahrscheinlich“. Die Aussagen zweier türkischer Mädchen, ein fremder Mann habe das Feuer gelegt, werden nach einem psychologischen Gutachten zu den beiden Kindern als unzutreffend bezeichnet. Am Mittwoch hat nun die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, der Fall werde neu aufgerollt, um eine mögliche Verbindung zu der Jenaer Terrorgruppe zu prüfen.

PASSAU, 13. Dezember 2008

Der Passauer Polizeichef Alois Mannichl wird durch einen Messerstich in den Oberkörper schwer verletzt. Der Täter habe, wie Mannichl später berichtet, ihn als „Bullenschwein“ beschimpft und „schöne Grüße vom nationalen Widerstand“ gesagt. Die Tatwaffe ist ein Messer aus Mannichls Haushalt, es lag vor der Tür. Die Polizei nimmt kurz nach der Tat ein Paar aus der rechten Szene fest, muss es aber wenige Tage später wieder freilassen. Der Verdacht hat sich nicht erhärtet. Das bayerische Landeskriminalamt untersucht nun, ob das Jenaer Trio mit dem Messerangriff zu tun hatte.

DÖBELN, 1. November 2011

Ein maskierter Mann erschießt den Libanesen Jamal al M. in dessen Imbiss. Die Polizei geht jetzt dem Verdacht nach, ein Mitglied des Trios könnte das Opfer getötet haben.

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