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Szene auf einer Demonstration von Rechtsextremen.

© dpa

Konspirative Demonstrationen: Neonazis suchen nach neuen Aktionsformen

Konspirativ geplante Aufmärsche überraschen immer häufiger die Polizei. Auf viele Jugendliche übt das Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden eine hohe Anziehungskraft aus.

Von Frank Jansen

Die Sicherheitsbehörden sind mit einer bizarren Neonazi-Kampagne konfrontiert, die sich rasch ausweitet. Seit Anfang 2011 veranstalten Rechtsextremisten, in schwarzer Kapuzentracht und vermummt mit weißen Masken, konspirativ geplante Mini-Aufmärsche. Außerdem werden öffentliche Veranstaltungen, zum Beispiel Festumzüge, gestört. Mehrere Auftritte wurden von Neonazis gefilmt und im Internet als Videos präsentiert. Die an der Kampagne teilnehmenden Rechtsextremisten bezeichnen sich als „Die Unsterblichen“ und behaupten in ihren Parolen, durch die Einwanderung von Ausländern drohe ein „Volkstod“. Die Sicherheitsbehörden haben bundesweit bereits ungefähr 50 Provokationen registriert, mehrere Male wurde die Polizei überrascht. Aktionen gab es unter anderem im sächsischen Bautzen, in Potsdam, Hannover, Ludwigshafen, Düsseldorf, Essen, Hamburg und Konstanz.

Als Initialzündung bewerten Sicherheitsexperten den ersten größeren Auftritt der „Unsterblichen“ in der Nacht zum 1. Mai 2011 in Bautzen. Etwa 200 maskierte Neonazis tauchten plötzlich auf und zogen mit Fackeln durch die Stadt. Einige Teilnehmer zündeten Feuerwerkskörper. Der Aufzug wird im Internet in einem düsteren Video gefeiert.

Die Kampagne ist nach Informationen des Tagesspiegels eines der ersten größeren, überregionalen Themen, mit denen sich das Ende 2011 gegründete „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR)“ befasst. In dem von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) als Reaktion auf die rechtsextremen Terrormorde initiierten GAR tauschen Polizei und Verfassungsschutz Informationen aus. In einer „Gefährdungsbewertung“ aus dem GAR zu den „Unsterblichen“ heißt es, „der Eventcharakter der Veranstaltungen und die professionelle mediale Aufbereitung über das Internet bewirken aktuell eine hohe Anziehungskraft auf für rechte Propaganda empfängliche Jugendliche und junge Erwachsene“. Weitere Aktionen seien zu erwarten, wobei „auch abweichende, innovative Agitationsmuster und neue Themenfelder einzukalkulieren sind“.

Brandenburgs Verfassungsschutz warnt in seinem Jahresbericht 2011, durch die Kampagne „Die Unsterblichen“ hätten unangemeldete Aufmärsche „einen erheblichen Bedeutungszuwachs“ erlangt. Sicherheitsexperten werten die Flash-Mob-Taktik und die an den Ku- Klux-Klan erinnernde Vermummung als Reaktion der Neonazis auf den wachsenden Widerstand der Zivilgesellschaft gegen die herkömmlichen Aufmärsche der braunen Szene. Angesichts der vielen Blockaden durch Nazigegner versuchten Rechtsextremisten neue Aktionsformen.

Als Initiator der „Unsterblichen“-Kampagne gelten Brandenburger Neonazis um das Internetportal „Spreelichter“. Die Rechtsextremisten provozieren schon länger mit Aktionen gegen den angeblich drohenden „Volkstod“. Die NPD bleibt bei der Kampagne weitgehend außen vor. Der Polizei gelang es unter anderem in Kiel und Ludwigshafen, Aktionen zu unterbinden. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 17 Neonazis, die sich im Dezember an einer Aktion beteiligt haben sollen. Bei einer Razzia fand die Polizei Masken, Fackeln, Gaspistolen und Totschläger.

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