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Mindestens 26 Polizisten teilten auf ihren Privathandys in Chatgruppen rechtsextreme Inhalte.

© imago images/7aktuell

Rechtsextreme Chatgruppe von Polizisten: Messengerdienste als Rückzugsraum für Extremisten

Messengerdienste spielen bei der Verbreitung rechtsextremer Gedanken eine wichtige Rolle. Was kann der Staat dagegen tun - und was nicht?

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Schon lange wird die Rolle von Messengerdiensten wie Whatsapp oder Telegram bei der Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts diskutiert. Auch im Fall der mindestens 29 Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, die in Chatgruppen rechtsextreme Inhalte geteilt haben, spielen Messengerdienste offenbar eine wichtigen Rolle. Welchen sie benutzt haben, wurde am Mittwoch noch nicht bekannt. Eine Studie der Amadeu-Antonio-Stiftung listet Telegram unter den wichtigsten Kommunikationskanälen von Rechtsextremisten in Deutschland. Der in Russland gegründete Dienst mit Sitz in Dubai hat weltweit etwa 200 Millionen User. Wie viele Nutzer es in Deutschland gibt, veröffentlicht Telegram nicht. Der Frontmann der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, empfahl den Umstieg auf Telegram im Jahr 2019, nachdem er auf Facebook und Instagram gesperrt wurde. Auch der Munich Security Report der Münchner Sicherheitskonferenz nannte Messengerdienste als Rückzugsräume für Extremisten.

Sicherheitsbehörden können nicht einfach in diese Chats eindringen. Schließlich findet die Kommunikation in vielen Gruppen nicht öffentlich statt, sondern nur zwischen Sendern und Empfängern. Aus Datenschutzgründen haben viele Messenger hohe Sicherheitsstandards implementiert, wie zum Beispiel Whatsapp mit einer standardmäßigen Ende-zu- Ende-Verschlüsselung, die auch von Sicherheitsbehörden kaum geknackt werden kann.

Verschlüsselte Messengerdienste können von der Justiz zwar mittels der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) kontrolliert werden. Dabei verschaffen sich die Sicherheitsbehörden direkten Zugriff auf das Telefon eines Nutzers. Dafür ist aber ein richterlicher Beschluss notwendig aufgrund des Verdachts auf eine Straftat. Einen präventiven Zugriff auf verschlüsselte und unmoderierte Messengerdienste lässt die Quellen-TKÜ nicht zu.

Es gibt Überlegungen, die Befugnisse des Staates zu erweitern

Gleichwohl gibt es immer wieder Überlegungen, die Befugnisse des Staates an dieser Stelle zu erweitern, etwa beim Kampf gegen Kindesmissbrauch. Die EU-Kommission hat gerade einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der den Betreibern sozialer Netzwerke gestatten soll, auch private Kommunikation auf verdächtiges Material hin zu durchsuchen und etwaige Funde an die Behörden zu melden.

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Datenschützer halten von solchen Hintertüren allerdings wenig. „Entweder es gibt eine Verschlüsselung oder es gibt keine. Man sieht in Ländern wie Belarus oder Hongkong, wie wichtig geschützte Kommunikation für das Funktionieren von Demokratie sein kann – ganz abgesehen davon, dass jeder Mensch das Recht auf private Kommunikation hat“, sagt Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende des netzpolitischen Vereins Load e.V. und Referentin bei der Friedrich-Naumann-Stiftung. Unter dem Titel „Behind Closed Curtains“ hat sie kürzlich eine Studie zum Thema Desinformation in Messengerdiensten herausgegeben. „Mit mehr technischen Möglichkeiten ist das Problem nicht gelöst“, sagt Riedel. Es gebe so viele rechtsextremistische Inhalte in offenen Kanälen, die noch nicht ausreichend strafrechtlich verfolgt würden. Und Hintertüren können schließlich auch von den Falschen gefunden werden.

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