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Peter Gauweiler gehörte als CSU-Abgeordneter und Anwalt zu den Top-Verdienern im Bundestag.

© imago/Gerhard Leber

Rechtsanwälte im Bundestag: Wo Geheimnisse an Grenzen stoßen sollten

Mit dem Fall Gauweiler wird die Affäre um Unionsabgeordnete fortgesetzt. Er ist kennzeichnend für grundlegende Mängel in Sachen Transparenz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Bundestagswahlen werden bekanntlich erst in dem Moment entschieden, in dem sie stattfinden. Doch was derzeit in und mit der Union geschieht, dürfte mit weiteren Entschuldigungen ihrer Führungskräfte bis dahin kaum ausgestanden sein.

Sie hat mit der irritierenden Bereitschaft einiger Abgeordneter, aus der Coronakrise Geld zu schlagen, eine Affäre am Hals, die so schnell keinen Abschluss findet. Nächste Episode: mutmaßliche Millionenzahlungen eines im Hintergrund politisch hoch engagierten Milliardärs an den früheren CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler.

Nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ soll August Baron von Finck Gauweiler in den Jahren von dessen Mandatszeit im Bundestag mehr als elf Millionen Euro zugewendet haben. Gauweiler arbeitet als Anwalt, er soll Finck beraten haben. Der Politiker zählte jahrelang zu den Spitzenverdienern im Parlament, was allseits bekannt war.

Bekannt war auch, dass er seit zwei Jahren mit dem Rechtsanwalt, Landtagspolitiker und früheren bayerischen Justizminister Alfred Sauter die Kanzlei „Gauweiler & Sauter“ betreibt; jenem Sauter, der nun wegen Corona-Geschäften im Visier der Münchner Staatsanwaltschaft steht. Bekannt war zudem, dass Gauweiler zu den engen Buddies des Ex-Bankiers Finck gehört, von dem wiederum bekannt war, dass er unter anderem rechtspopulistische Bewegungen förderte, wohl auch die AfD.

 Kein anderer Nebenjob ist so gut vor Transparenz geschützt

Was nicht bekannt war, waren die Millionen, die in Gauweilers aktiver Politikerzeit geflossen sein sollen. Den Grund dafür benennt dieser selbst: das gesetzlich abgesicherte Mandatsgeheimnis, das Anwältinnen und Anwälte zum Schweigen berechtigt und verpflichtet. Es wird auch in den Verhaltensregeln für Parlamentarier berücksichtigt.

Nebenverdienste sind in Stufen anzugeben. Doch wer beauftragt und zahlt, unterliegt keinerlei Anzeigepflicht, geschweige denn das, was für das Geld geleistet wird. Kein anderer Nebenjob von Abgeordneten ist so gut vor Transparenz geschützt.

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So werden theoretisch Konstellationen denkbar, mit denen sich finanziell potente Privatpersonen, Verbände oder Unternehmen über Beraterverträge anwaltliche Einflussagenten im Bundestag halten könnten. Eine unschöne Vorstellung, von der man nur hoffen kann, das sie im Fall Gauweiler nicht bereits Wirklichkeit geworden ist. Doch auch klassische Lobbyarbeit wird heute nur allzu gern über die verschwiegenen Kanzleien abgewickelt.

Schweigen zahlt sich aus. Ebenso für die Bundesregierung übrigens, die sich ihre Angelegenheiten oft von Rechtsanwaltsfirmen besorgen lässt und dann auf deren Geschäfts- oder Anwaltsgeheimnis verweist, wenn es eigentlich gilt, die nötige Transparenz herzustellen. So gibt es eine ganze Reihe erfolgreicher Anwältinnen und Anwälte, die parlamentarisches Mandat und berufliche Nebenjob-Mandate in privilegierter, weil vor zudringlichen Informationsbegehren geschützter Stellung vereinbaren können.

 Die Verbindungen sind ein Politikum

Es ist überfällig und uneingeschränkt zu begrüßen, wenn nun mit den Vorstößen zu mehr Sichtbarkeit der Abgeordneten-Nebenjobs auch versucht wird, Anwaltsgeheimnis und Transparenzerfordernisse in einen besseren Ausgleich zu bringen. Über Mandatsbeziehungen wie die, die es zwischen Finck und Gauweiler möglicherweise gegeben hat, sollte das Volk wenigstens in Ansätzen Bescheid wissen dürfen, wenn es seine Vertreterinnen und Vertreter in den Bundestag entsendet. Solche Verbindungen sind ein Politikum. Dass sie nicht eher öffentlich werden und nun als Skandal erscheinen, bringt all jene Abgeordneten in Misskredit, die redlich mit ihren Befugnissen umgehen und weit davon entfernt sind, sich über Nebenjobs von fremden Interessen vereinnahmen zu lassen.

Es wird zunehmend deutlich, dass die Bundesrepublik in Sachen Transparenz ihrer Staatsgewalten erst noch am Anfang steht. Verschwende niemals eine gute Krise, heißt es. Nicht nur die Union, die Politik insgesamt steckt derzeit mittendrin in dieser guten Krise.

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