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Soldaten in der Grundausbildung marschieren.

© dpa

Rechte Tendenzen bei Polizei und Bundeswehr: „Da ist bei vielen Beamten etwas in Schieflage geraten“

Driften Polizei und Bundeswehr nach rechts ab? Die Politik ist alarmiert, die Grünen fordern eine bundesweite Untersuchung.

Schon Anfang des Jahres hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor AfD-Sympathisanten in der Bundeswehr gewarnt. Man habe erlebt, „dass der eine oder andere Soldat bei der AfD gelandet ist, weil sie sich vielleicht nicht wertgeschätzt und unterstützt fühlten“. Am Wochenende nun schlug CDU-Politiker Friedrich Merz in dieselbe Kerbe – und sorgte damit auch in den eigenen Reihen für Aufregung. „Wir verlieren Teile der Bundeswehr und der Bundespolizei an die AfD“, sagte der Ex-Unionsfraktionschef im Interview mit der „Bild am Sonntag“. Die Union versteht sich als die Partei, die bei den Sicherheitskräften das höchste Ansehen genießt. Umso größer scheint nun die Sorge, dass Angehörige in Polizei und Bundeswehr nach rechts abdriften.

Wie berechtigt ist die Befürchtung? Zumindest der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, bestätigt, dass in der Bundespolizei Mitarbeiter mit rechtsnationalen Parteien sympathisieren. „Da ist bei vielen Beamten etwas in Schieflage geraten, was sich in Sympathien für das rechtsnationale Parteienspektrum ausdrückt“, sagte er der „Rheinischen Post“. Die Bundesregierung habe der Bundespolizei nie erklärt, warum die Beamten im Jahr 2015 und danach trotz ihres strapaziösen Einsatzes an der Grenze von ihrem gesetzlichen Auftrag, die unerlaubte Einreise zu unterbinden, hätten abweichen müssen. Nun würden Bundespolizisten bei Landtagswahlen für die AfD kandidieren.

Die AfD versucht, sich als Soldatenpartei zu positionieren

Die AfD führt keine Statistik darüber, wie viele ihrer Mitglieder Polizeibeamte oder Soldaten sind. An der Zahl der Mandatsträger mit entsprechendem Hintergrund lässt sich aber erkennen, dass die Zahl nicht klein ist. Der Bundespolizeibeamte, den Radek wahrscheinlich meint, ist der AfD-Landtagskandidat Wilko Möller aus Frankfurt/Oder, Mitglied auch im Stadtrat. Im Bundestag sitzt der Polizist Martin Hess für die AfD im Innenausschuss. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz trat für die AfD der Polizeikommissar Sebastian Wippel an.

Zudem versucht die AfD, sich als Soldatenpartei zu positionieren. Anfang des Jahres berichtete die „Bild“, 2100 der 35000 AfD-Mitglieder seien Bundeswehrangehörige. Auffällig viele Mandatsträger der AfD waren früher Berufs- oder Zeitsoldaten. Prominente Beispiele sind etwa AfD-Vize Georg Pazderski, der AfD-Fraktionsvize Peter Felser und Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, früher Fallschirmjäger.

Die Äußerungen  von Friedrich Merz stoßen in der CDU allerdings nicht nur auf Begeisterung. „Der Zeitpunkt ist unglücklich“, sagte Armin Schuster, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuss des Bundestages, dem Tagesspiegel. Jetzt entstehe der Eindruck, „es gebe eine Verbindung zwischen rechten Tendenzen in der Polizei und dem Mordfall Lübcke“. Das sei aber „ein völlig falscher Zungenschlag“.

Schuster betonte, „rechtsextreme Einstellungen sind kein Mainstream in der Polizei“. Aber auch Einzelfälle seien „ ein ernstes Problem“. Schuster ist hochrangiger Beamter der  Bundespolizei.  

Die innenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Irene Mihalic, ist ebenfalls Polizistin und „beunruhigt, wenn sich bei der Polizei Einzelfälle häufen“. Sie könne aber nicht einschätzen, „ob es sich um feste rechtsextreme Strukturen in der Polizei handelt“. Mihalic kann verstehen, „wenn ein Polizist sagt, er sei mit der etablierten Politik unzufrieden“. Aber sie habe „überhaupt kein Verständnis dafür, wenn sich ein Polizeibeamter dann einer rechtsextremen Partei zuwendet wie der AfD“. Um Klarheit über das Ausmaß rechter Tendenzen in der Polizei zu bekommen, hält es Mihalic für notwendig,  dass die politischen Einstellungen der Beamten „bundesweit untersucht werden“. Darum sollten sich die Innenminister kümmern, sagte die Politikerin.

In Einzelfällen bekennen sich Polizistinnen und Polizisten aktiv zu rechten Parteien

Ein Beispiel aus Berlin zeigt, dass die AfD bis hinauf zu Führungsposten Anklang findet. Wie bei Gunnar Berndt, er war immerhin Polizeidirektor, höherer Dienst, drei goldene Sterne auf der Schulterklappe. Und er war Leiter des Polizeiabschnitts 34 in Berlin – und damit zuständig für das Parlaments- und Regierungsviertel. Bei der Kommunalwahl in Brandenburg Ende Mai trat der für die AfD an. Jetzt ist er Stadtverordneter in der Stadt Hennigsdorf. Freizeit hat er jetzt ohnehin viel, im Frühjahr war er in Pension gegangen.

In Brandenburg ist der frühere Studiendekan der Fachhochschule der Polizei, Norbert Bury, zur AfD gewechselt. Bury hatte immerhin den Rang eines Leitenden Polizeidirektors mit vier goldenen Sternen auf der Schulterklappe inne und war zuständig für die Ausbildung des gehobenen Dienstes in Brandenburg. Privat war Bury, Jahrgang 1954, einst in der CDU in Wandlitz aktiv, sogar im Ortsvorstand. Anfang 2019 trat er nach 33 Jahren CDU-Mitgliedschaft aus - aus Protest gegen die Asylpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Auch Bury, seit geraumer Zeit Pensionär, hat bei der Kommunalwahl ein Mandat in der Gemeindevertretung errungen - für die AfD. Er holte in Wandlitz die meisten Einzelstimmen. Der "MOZ" hatte er im April gesagt: "Der Staat und seine Verwaltungen sind an das Recht gebunden und unterliegen nicht dem Belieben. Wenn die Spitze des Staates glaubt, sich nicht an das Recht halten zu müssen, dann schlägt das bis aufs Lokale durch."

In einem im Mai vorgelegten Strategiepapier der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus zum Umgang mit rechten Beamten heißt es: „Gleichzeitig werben rechtspopulistische Kreise immer stärker um Polizistinnen und Polizisten, in Einzelfällen bekennen sich Polizistinnen und Polizisten aktiv zu rechten Parteien, übernehmen dort Funktionen.“ Tatsächlich herrscht in SPD-geführten Innenressorts die Sorge, vor einem Erstarken der AfD in der Belegschaft: Auch die NSDAP sei vor der Machtergreifung zunächst in den Sicherheitsbehörden der Weimarer Republik stark geworden, heißt es.

Auch der Berliner GdP-Landeschef Norbert Cioma räumt ein: Selbstverständlich gebe es innerhalb der Berliner Polizei AfD-Wähler, wie in anderen Berufsgruppen auch. „Die Innere Sicherheit ist eines der zentralen Themen dieser Partei und leider haben die anderen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen hier in den letzten Jahren ordentlich etwas liegen lassen, so dass sich einige auch aus Frust und Enttäuschung eine neue politische Heimat gesucht haben.“ Dennoch wählten die Beamten CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP.

Jörn Badendick, Sprecher des Polizei-Berufsverbands „Unabhängige“ hält die Debatte für sekundär. Schlechte Ausrüstung, Rückstände beim Gehalt, Unverständnis für politische Entscheidung führten zu Politikverdrossenheit. „Auch ein Innensenator der AfD würde ein Personaldefizit vorfinden, dass er mit sinkenden Bewerberzahlen bewältigen muss.“ Die Politik streite gerade um Wähler, aber nicht um die Missstände bei der Polizei.  

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