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Müssen sich Kritik anhören: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

© imago images/Future Image

Rechnungshof kritisiert Merkel-Regierung: „Der Bundeshaushalt ist in keinem guten Zustand“ 

Läuft der Koalition die Haushaltspolitik aus dem Ruder? Der Rechnungshof mahnt und warnt Finanzminister Olaf Scholz vor zu hoher Verschuldung.

Der Bundesrechnungshof hat dem Haushaltsausschuss des Bundestags einen Bericht zukommen lassen, der es in sich hat. Er widerspricht der bisherigen Darstellung der Bundesregierung, sie habe die Staatsfinanzen im Griff und Deutschland sei in der Lage, die wegen der Coronakrise aufgenommene hohe Schuldenlast durch künftiges Wachstum schultern zu können. Der Tenor: Der Etat und die Finanzplanung sind in keinem guten Zustand.

Der Rechnungshof, dessen Kernaufgabe die Haushaltskontrolle und die Beratung des Bundestags ist, reagiert mit dem kritischen Bericht auf den Ende März von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgestellten Nachtragsetat für 2021 und die vom Kabinett ebenfalls gebilligten Eckwerte für 2022 sowie die Finanzplanung bis 2025.

Rechnungshofpräsident Kay Scheller, der den Bericht in seiner Funktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung erstellt hat, betont: „Der Bundeshaushalt ist in einer deutlich schlechteren Verfassung als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 – trotz der im Vergleich derzeit noch niedrigeren Schuldenquote.“ 

Ein Herauswachsen aus Krise und Verschuldung allein durch Wachstum sei unrealistisch. Scheller und seine Behörde mahnen daher eine Konsolidierung des Bundesetats in den kommenden Jahren an – im Umfang einer „niedrigen zweistelligen Milliardensumme“ pro Jahr. Auszugehen ist dabei wohl von etwa 20 Milliarden Euro.

Rechnungshof schlägt Maßnahmen vor

Dies soll erreicht werden durch ein Bündel von Maßnahmen: Überprüfung von steuerlichen Subventionen und Vergünstigungen, etwa beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz oder beim verbilligten Diesel, eine „bessere Ausrichtung der Sozialtransfers“, ein Ausgabenmoratorium zur Stabilisierung des Etats, Konzentration auf Aufgaben des Bundes (also weniger Transfers an Länder und Kommunen) sowie das Sichern von Steuereinnahmen, etwa durch die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug. 

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Letzteres etwa hat die Koalition allerdings schon auf den Weg gebracht. Komme es nicht zu Konsolidierungsmaßnahmen, befürchtet der Rechnungshof, dass die Schuldenbremse auch nach 2022 nicht eingehalten werden könne.

Der Rechnungshof weist darauf hin, dass die nach der von Scholz vorgelegten Planung die künftigen Etats nicht sauber gedeckt sind. Ausdrücklich ist in der Information an den Bundestag von „Fehlbeträgen“ die Rede. Sie summieren sich demnach auf etwa 20 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025. 

Im kommenden Jahr wird der Etat weitgehend ausgeglichen durch die nochmals über die Notfallregel der Schuldenbremse ermöglichte Kreditsumme von 81,5 Milliarden Euro. Erst in den Folgejahren ist der Einsatz der sogenannten Rücklage aus den Überschussjahren vorgesehen – in Höhe von 48 Milliarden Euro.

"Schulden-Lawine"

Insgesamt erhöht sich die Verschuldung des Bundes durch die Coronakrise massiv. Im Rechnungshof-Papier ist sogar von einer „Schulden-Lawine“ die Rede. Neue Kredite in Höhe von 452 Milliarden Euro sind pandemiebedingt 2020 bis 2022 aufgenommen worden und geplant. Zum Vergleich: Zwischen 2000 und 2019 nahm der Bund neue Schulden in Höhe von knapp 382 Milliarden Euro auf, den Großteil davon wegen der Finanzkrise. 

Dass die deutsche Schuldenquote mit demnächst wohl 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geringer ist als die in der Finanzkrise erreichten gut 80 Prozent, ändert laut Rechnungshof nichts am dringenden Handlungsbedarf.

Die Bonner Behörde plädiert dafür, die Schuldenbremse weiterhin einzuhalten. Andernfalls ist aus ihrer Sicht der Druck auf die als nötig erachteten Konsolidierungsmaßnahmen zu gering. Anders gesagt: Statt haushaltspolitisch aktiv zu werden, könnte die nächste Regierung dazu neigen, einfach die Schuldenregeln lockern.

Der regierenden schwarz-roten Koalition wirft der Rechnungshof vor, in der Pandemie nach dem Grundsatz „viel hilft viel“ zu agieren und die finanzwirtschaftlichen Folgen der Pandemiebekämpfung in die ferne Zukunft zu verschieben. „Die Frage nach der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen wurde und wird nichtgestellt“, heißt es.

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