zum Hauptinhalt
Hilfe oder Falle? Um die Pflege in den Kliniken sicherzustellen, müssen immer mehr Leiharbeitskräfte einspringen.

© Sven Hoppe/dpa

Exklusiv

Reaktion auf drohendes Verbot: Lohnbegrenzung für Pflege-Leiharbeiter in Berlin

Die Drohung der Berliner Gesundheitssenatorin wirkt: Um ein Verbot für die Pflege zu verhindern, will der größte Vermittler Löhne von Leasingkräften begrenzen.

Die Bemühungen von Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, Leiharbeit in der Pflege verbieten zu lassen, haben in der Branche eine erste Reaktion ausgelöst. Deutschlands größte Vermittlungs-Plattform für Pflegekräfte plant nun eine Preisobergrenze für alle mit ihr kooperierenden Zeitarbeitsunternehmen.

Demnach sollen die Löhne für geleaste Pflegekräfte, von einem kleinen Flexibilitätsbonus abgesehen, in Berlin nicht mehr höher liegen als das Tarifentgelt für das Stammpersonal. Die SPD-Politikerin zeigte sich davon am Mittwoch allerdings wenig beeindruckt. Sie setzt weiter auf eine Bundesratsinitiative, um die zunehmende Leiharbeit in Krankenhäusern zu unterbinden.   

[Dieser Text erschien zuerst im Tagesspiegel-Fachnewsletter „Gesundheit & E-Health“. Erhalten Sie exklusive, aktuelle Hintergrundinformationen für die hohen Ansprüche von Entscheidern. Hier kostenlos testen]

Ziel der Lohndeckelung sei es, „die in Teilen überhöhten Preise für Leiharbeit auf ein adäquates Maß zu reduzieren“, sagte der Geschäftsführer der Firma InSitu, Alexander Muschalle, dem Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health. Bisher verdienen Leiharbeitskräfte in Berliner Krankenhäusern für die gleiche Arbeit und ohne starres Schichtsystem teilweise fast ein Drittel mehr als fest angestelltes Pflegepersonal. 

Ein Grund dafür ist die Personalknappheit, die den Preis für Aushilfskräfte nach oben treibt. Gleichzeitig führen die höheren Löhne und besseren Arbeitsbedingungen für Leasingkräfte dazu, dass immer mehr festangestellte Pflegekräfte zu Verleihfirmen abwandern und so den Pflegenotstand weiter vergrößern.

Lohnobergrenze soll schon ab März gelten

„Der Einsatz von Zeitarbeit in der Pflege wird zunehmend problematisch, da sich die Arbeitsbedingungen des Stammpersonals im Verhältnis zum Zeitarbeitspersonal dramatisch verschlechtern“, räumt auch Muschalle ein. Obwohl er damit gutes Geld verdient, findet er diese Entwicklung „etwas schräg“.

Ein Verbot des Pflegekräfte-Leasings löse das Problem jedoch nicht. „Im Sinne der nötigen Flexibilität“ sei Zeitarbeit im Pflegesektor erhaltenswert. Das funktioniere freilich nur, wenn sie „langfristig auf ein wirtschaftliches und sozial verträgliches Maß reduziert wird, das angemessene Löhne für alle erlaubt“. Zeitarbeit könne die Personalplanung sinnvoll ergänzen, müsse aber „weiterhin als Ausfallkonzept betrachtet werden und nicht als Ersatz für Planstellen zu Lasten des Stammpersonals“.

Die Preisobergrenze, die seine Plattform nun einziehen will, soll ab März 2020 gelten – und zwar für sämtliche über InSitu vermittelten Zeitarbeitsangebote im Bereich Pflege. Die Anpassung werde „schrittweise innerhalb von zehn Monaten“ erfolgen, so Muschalle.

„Wir hoffen, dadurch den rein monetären Anreiz, in die Zeitarbeit zu wechseln, zu reduzieren und Krankenhäuser darin zu unterstützen, ihren Versorgungsauftrag mit stabiler Personaldecke und einer entsprechender Qualität zu erfüllen.“ Zum Jahresende wolle man dann Bilanz ziehen.

Nach eigenen Angaben hat InSitu seit 2015 deutschlandweit schon mehr als eine Million Pflegekräfte an Kliniken oder Pflegeheime vermittelt. Aktuell sind 25.000 Zeitarbeitskräfte auf der Plattform registriert, davon 15.000 im Bereich Fachpflege.

Senatorin: Leiharbeit und Pflege vertragen sich grundsätzlich nicht

Mit der Berliner Gesundheitssenatorin ist der Vorstoß nicht abgestimmt. Die SPD-Politikerin hatte Ende des vergangenen Jahres angekündigt, eine Bundesrats-Initiative zur Eindämmung von Leiharbeit in der Pflege zu wollen. „Wir bleiben dabei: Leiharbeit und Pflege vertragen sich grundsätzlich nicht“, sagte Kalayci am Mittwoch dem Tagesspiegel Background. 

Der Antrag für die Bundesratsinitiative werde im Februar erst im Berliner Senat und dann in der Länderkammer eingebracht. „Wir beobachten, dass sich Leiharbeit zu einem eigenen Sektor in der Pflege entwickelt“, so die Senatorin. Das gebe Anlass zur Sorge.

Durch Leiharbeit seien Patientensicherheit, Pflegequalität und Versorgungssicherheit gefährdet. „Es braucht verlässliche Teamarbeit in der Pflege und feste Bezugspersonen. Gute Pflege ist eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung.“

[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig auch mit den Themen Gesundheit und Pflege auseinander. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Hochrechnungen zufolge sind bundesweit bis zu zwei Prozent des Pflegepersonals bei Zeitarbeitsfirmen angestellt. In Berlin liege der Durchschnitt bei sieben Prozent, heißt es bei der Berliner Krankenhausgesellschaft. In einigen Fällen würden 30 Prozent einer Schicht durch Leiharbeitskräfte besetzt.

Das Land kann aber nicht alleine gegen die Leiharbeit in der Pflege vorgehen, möglich ist ein solcher Eingriff in die Unternehmens- und Arbeitnehmerfreiheit nur durch eine Regelung auf Bundesebene. Sympathie für den Berliner Vorstoß gibt es bislang von zwei weiteren Ländern: Hamburg und Schleswig-Holstein.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht die Forderung nach einem Verbot von Pflege-Leiharbeit dagegen skeptisch. „Häufig wechselndes Personal sei „weder gut fürs Team noch für die Patienten“, räumte der CDU-Politiker zwar vor kurzem im Tagesspiegel-Interview ein. Aber die zunehmende Leiharbeit in Krankenhäusern sei nun mal „Ausdruck des Arbeitsmarktes, wie er eben ist“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false