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Protest gegen Fracking in Niedersachsen (Archivbild von 2015)

© dpa/Holger Hollemann

Raus aus der Abhängigkeit von Russland: Eine saubere Lösung der Energieprobleme gibt es nicht

Putins Krieg finanzieren oder deutsches Schiefergas per Fracking aus den Gesteinen pressen? Die Frage wird dringlicher. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Recht so. Deutschland will nicht länger erpressbar sein durch Wladimir Putin und dessen Drohung mit einem Stopp der Energielieferungen. Denn für diesen Fall prophezeit nicht nur Wirtschaftsminister Robert Habeck die Schließung großer Unternehmen, gefolgt von Massenarbeitslosigkeit und Armut. Auch will Deutschland nicht länger Putins Russland und dessen Armee durch Energieimporte finanzieren. Deshalb wird nun fieberhaft die Frage diskutiert: Was tun?

Doch warum in die Ferne schweifen? Also Flüssiggas über Tausende Kilometer aus den USA herbeischiffen, wobei Deutschland nicht einmal über eigene Flüssiggasterminals verfügt? Das Dilemma verschärft sich, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht schnell genug vorankommt und durch Einsparungen nicht schnell genug eingespart wird. Gegen die heimische Kohle als Ersatz spricht, dass sie die mit Abstand schmutzigste und klimaschädlichste aller fossilen Brennstoffe ist. Deshalb dürfte sich, über kurz oder lang, eine alte Frage mit neuer Dringlichkeit stellen: Wie hältst Du‘s mit dem Schiefergas?

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Deutschland braucht jährlich rund 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Die eigenen Reserven werden auf rund 41 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Davon werden rund 6 Milliarden Kubikmeter pro Jahr gefördert. Aber es gibt nicht nur Reserven, sondern auch Potenziale. Wie hoch die genau sind, ist allerdings umstritten. Laut Deutscher Rohstoffagentur lagern 227 Milliarden Kubikmeter Schiefergas in deutschen Böden. Wirklich fördern ließen sich davon maximal 30 Prozent.

450 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Kohleflözen

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzt das Potenzial weitaus höher ein. In einer Studie vom Januar 2016 geht sie von einer Größenordnung zwischen 320 und 2030 Milliarden Kubikmeter aus. „Die Gewinnung von Erdgas aus heimischen Schiefergas-Vorkommen würde helfen, die zunehmende Importabhängigkeit Deutschlands zu mindern“, heißt es darin.

Noch optimistischer ist der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG). Er beziffert die Menge auf 450 Milliarden Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Kohleflözen plus bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Schiefergestein. Eine heimische Produktion von Erdgas trage „spürbar zur Versorgungssicherheit“ bei und verbessere die CO-2-Bilanz, heißt es beim BVEG. „Durch Rohrleitungen und Pipelines lassen sich Energieverbrauch, Emissionen sowie Umweltschadstoffe vermeiden, die durch lange Transportwege per Lkw oder Schiff aus dem Ausland entstehen.“

Durch Einpressen einer Flüssigkeit in das Gestein werden Risse erzeugt

Allerdings lässt sich Schiefergas nur durch Fracking („Hydraulic Fracturing“) fördern, der hydraulischen Risserzeugung im Gestein. Bei dieser Methode werden durch Einpressen einer Flüssigkeit in das Gestein kleine Risse erzeugt, durch die das Gas freigesetzt wird und durch Bohrleitungen an die Oberfläche gelangen kann. Bei der Förderung von Erdgas aus dichten Sandsteinen wird das Fracking seit Jahrzehnten in Deutschland praktiziert.

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Dieses konventionelle Fracking sei „langjährig erprobt“, betont das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Hingegen seien kommerzielle unkonventionelle Fracking-Vorhaben in Deutschland bis auf weiteres nicht zulässig. Das Verbot betrifft die Erdgasgewinnung in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein. Auch der Umweltrat der Bundesregierung ist gegen ein unkonventionelles Fracking.

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Hans-Joachim Kümpel, der ehemalige Präsident der BGR, hält die Einwände gegen das unkonventionelle Fracking für übertrieben. Die Risiken der Technologie für Mensch und Umwelt würden überschätzt, schreibt er im Vorwort zur Studie „Schieferöl und Schiefergas in Deutschland“. Die Besorgnis über eine Verunreinigung des Grundwassers mit Chemikalien sei schon deshalb unbegründet, weil das Grundwasser in tieferen Schichten ohnehin fast überall für eine menschliche Nutzung ungeeignet sei.

Eine ganz und gar saubere Lösung der deutschen Energieprobleme gibt es nicht. Auch Erdgas ist ein fossiler Brennstoff, der im Rahmen der Energiewende allenfalls als Brückentechnologie nützlich ist. Wer sich aber schnell aus den Klauen Russlands befreien will, darf sich keine ideologischen Scheuklappen leisten. Das gilt für die Atomtechnologie ebenso wie fürs Fracking. Ach ja, auch das amerikanische Flüssiggas, das jetzt massenhaft nach Europa geschifft wird, wird durch Fracking gewonnen.

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