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Demonstration unter dem Motto "My Right is your Right". Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters, und der Refugee-Aktivist Patras Bwansi am internationalen Tag gegen Rassismus in Berlin 2015.

© imago/Christian Mang

Rassismus im Alltag: Zwischen Duldung und Delikt

Empörung allein hilft gegen Rassismus nicht. Auch die Strafgesetzgebung ist gefragt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Barbara John

Das Thema Rassismus produzierte vergangene Woche in unterschiedlichen Kontexten Schlagzeilen. Fall eins: Der Leipziger Zoo kündigte auf seiner Website exotische Afrika-Abendveranstaltungen wie einen von afrikanischen Trommlern in traditioneller Kleidung begleiteten Streifzug durch die Savanne an und handelte sich damit vom Leipziger Migrantenbeirat in einem Offenen Brief einen Rassismusvorwurf ein.

Fall zwei: Die katholische Theologieprofessorin Johanna Rahner erklärte, zur Auseinandersetzung um die Priesterweihe für Frauen, Männer in der katholischen Kirche, die an der Geschlechterungerechtigkeit festhielten, seien Rassisten.

Fall drei: In Erfurt attackierte ein Deutscher in der Straßenbahn aus heiterem Himmel einen 17-jährigen Syrer auf das Heftigste und beleidigte ihn überdies rassistisch.

Diese Beispiele illustrieren, dass die Begriffe, rassistisch und Rassist zum Schlagwort geworden sind. Wer sie benutzt, erzeugt auf Anhieb Empörung. Doch die hilft den Opfern wenig, wenn sie nicht von Gesetzen begleitet wird, die abschrecken und als Leitplanken dienen, wie eine Gesellschaft lernt, rassismusfreier zusammenzuleben. Auch wenn Deutschland kein rassistisches Land ist, Rassismus gibt es direkt und indirekt, wie die erwähnten Fälle zeigen.

Die vielen Gesichter der Diskriminierung

Was es nicht gibt, ist eine Rassismus-Strafnorm im Strafgesetzbuch (StGB), die uns Maßstäbe über die Erscheinungsformen gewinnen lässt. Stattdessen verzetteln wir uns in öffentlichen Anklagen, wie mit den vielen Gesichtern des Rassismus umzugehen ist.

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Ältere Strafnormen wie Ehrverletzung, Beleidigung und Volksverhetzung wie auch die Strafverschärfungen bei einschlägigen Delikten, sind kein Ersatz. Damit lassen sich aktuelle Erscheinungsformen nicht erfassen und sanktionieren, schon gar nicht die in sozialen Medien. Anders in der Schweiz, wo seit 1995 im Strafgesetzbuch nach Paragraf 261 rassistische Verstöße sanktioniert werden können. Rassismus gilt als Offizialdelikt. Jede Person hat das Recht, eine Anzeige zu stellen.

Die Bevölkerung erfährt jährlich die Zahl der Verurteilungen und Freisprüche. Seit dieser Norm, die in einer Volksabstimmung mit fast 55 Prozent angenommen wurde, hat das Thema Rassismus große Aufmerksamkeit in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gefunden. Fragen wie „Sind rassistische Sprüche am Stammtisch strafbar?“ werden gestellt, öffentlich diskutiert und beantwortet von der unabhängigen Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. Bei uns wäre wohl schon die Frage verboten – ganz ohne Gesetz.

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