zum Hauptinhalt
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

© Martin Schutt/dpa

Ramelow fordert Komplettschließung in Corona-Krise: Wirtschaft muss „endlich in richtigen Lockdown gehen“

Lange stemmte er sich gegen schärfere Corona-Auflagen. Wegen der weiter hohen Fallzahlen fordert Thüringens Ministerpräsident nun einen kompletten Shutdown.

Nach den Feiertagen sind die Fallzahlen in der Coronavirus-Pandemie in Deutschland zwar nicht valide, wie das Robert Koch-Institut (RKI) seit Tagen betont. Dennoch deuten die aktuellen Daten an, dass das Infektionsgeschehen in Deutschland weiter sehr hoch ist. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) fordert daher nun einen klaren Schnitt: Er will die komplette Wirtschaft in den Lockdown schicken.

„Wir müssen jetzt einfach einmal komplett eine Pause machen“, sagt er MDR Aktuell. „Ich sehe keine Alternativen. Der Fehler, den wir in ganz Deutschland gemacht haben, war, dass wir den Dezember nicht genutzt haben, um tatsächlich auch die allgemeine Wirtschaft in eine Pause zu schicken.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sagte der Linken-Politiker, er ärgere sich, nicht bereit gewesen zu sein, den Dezember mit seinen vielen Feiertagen für eine bundesweit Generalpause zu nutzen. „Alles, was nicht lebensnotwendig ist oder systemisch nicht abgestellt werden kann, hätte vier Wochen lang angehalten werden müssen.“ Eine permanente Verlängerung von Einzelmaßnahmen, die aber insgesamt nicht zum Austrocknen des Virus führten, sei ein teurer und falscher Weg. „Wir müssen endlich in einen richtigen Lockdown gehen“ sagte Ramelow.

„Die Kanzlerin hatte Recht, und ich hatte Unrecht“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe den heftigen Anstieg der Infektionszahlen schon im Oktober vorausgesagt. „Die Kanzlerin hatte Recht, und ich hatte Unrecht“, sagte Ramelow rückblickend. Der Thüringer Landeschef hatte sich lange gegen besonders harte Maßnahmen in der Pandemie gestemmt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wie das RKI am Freitagmorgen mitteilte, stieg die Zahl der Covid-19-Toten binnen 24 Stunden mit 1188 auf einen neuen Höchstwert. Außerdem wurden 31.849 Neuinfektionen gemeldet. Bei den binnen 24 Stunden registrierten Neuinfektionen war mit 33.777 am 18. Dezember der höchste Wert gemeldet worden - darin waren jedoch 3500 Nachmeldungen enthalten.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Bei der Interpretation der Fallzahlen sei weiter zu beachten, dass in den Wochen um Weihnachten und den Jahreswechsel vermutlich weniger Menschen einen Arzt aufsuchten, weniger Proben genommen und weniger Laboruntersuchungen durchgeführt wurden, hieß es vom RKI. „Dies kann dazu geführt haben, dass weniger Erregernachweise an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet wurden.“

Kanzleramtsminister warnt vor längerem Lockdown

Am Donnerstag hatte bereits Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) angedeutet, dass die nun bis zum 31. Januar von Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichen könnten. Zwar seien die Neuinfektionen etwas zurückgegangen, sagte Braun. Wenn es aber in dieser Geschwindigkeit weiter gehe, dauere es 15 Wochen, bis die Sieben-Tage-Inzidenz wie angestrebt unter 50 komme.

Mit Blick auf einen möglicherweise deutlich längeren Lockdown sagte Braun den Sendern RTL und n-tv: „Das ist etwas, das will ich für unsere Volkswirtschaft nicht und auch nicht für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“

Merkel: Schwerste Monate der Pandemie noch vor uns

Merkel selbst hatte am Donnerstag in Berlin bei der Klausurtagung der CSU-Abgeordneten im Bundestag gesagt: „Natürlich haben wir die schwersten Monate – das kann man glaube ich erahnen – der Pandemie noch vor uns.“ Dies sei jedoch „gepaart mit einem Stück Hoffnung“ durch die inzwischen zur Verfügung stehenden Impfstoffe.

Merkel sagte, gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland würden nach der Corona-Pandemie „eine noch größere Herausforderung“ werden. „Es ist für mich auch die Voraussetzung dafür, dass die Fliehkräfte in unserem Lande nicht immer größer werden“, betonte die Bundeskanzlerin.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ministerpräsident Ramelow kritisierte in der FAZ auch die Ungleichheit der bisherigen Maßnahmen, für die ausschließlich Gastronomen, Hoteliers, Künstler und Solo-Selbstständige, Schausteller und alle Kinder zur Pandemieabwehr in Verantwortung genommen würden - die gesamte weitere Wirtschaft aber so tue, als wäre nichts.

Deutsche Industrie mit guten Daten

In der Tat zeigen aktuelle Zahlen, dass die Wirtschaft die Coronavirus-Krise bisher erstaunlich gut meistert. So sind die deutschen Exporte im November ungeachtet der zweiten Coronavirus-Welle bei vielen Handelspartnern bereits den siebten Monat in Folge gewachsen. Sie stiegen um 2,2 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Plus von 0,8 Prozent gerechnet. Die Produktion – Industrie, Bau und Energieversorger zusammen – zog mit 0,9 Prozent zum Vormonat ebenfalls zum siebten Mal in Folge an.

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

„Weder der leichte Lockdown in Deutschland selbst noch die verschärften Restriktionen in einigen Nachbarländern haben die deutsche Industrie im November beeinträchtigt. Stattdessen setzten die Industrieproduktion und die Exporte im November ihre positive Dynamik fort (…)“, sagte Carsten Brzeski, Ökonom bei der ING DiBa Reuters.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sein Kollege Thomas Gitzel von der VP Bank sagte: „Beim reinen Blick auf die Industrie- und Außenhandelsdaten würde man nicht glauben, dass Deutschland derzeit eine der schwierigsten Phasen der Nachkriegsgeschichte durchläuft. (…) Das Datenmaterial lässt eher auf einen Konjunkturboom als auf wirtschaftliche Magerkost schließen.“

[Lesen Sie hier ein Pro & Contra zu der Frage, ob Corona-Geimpfte mehr Freiheiten genießen sollten als Nicht-Geimpfte]

Allerdings zeige die Entwicklung in der Industrie nur die eine Seite der Medaille. „Die andere Seite ist, dass Teile des Dienstleistungsbereichs allen voran das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Freizeitsektor massiv unter den Eindämmungsmaßnahmen leiden.“

Kampagne ruft zum Bruch der Auflagen auf

Und die Proteste aus diesen Branchen nehmen zu. Einem bundesweiten Aufruf zum Bruch der Corona-Auflagen „Wir machen auf- Kein Lockdown mehr“ haben sich im Messengerdienst Telegram innerhalb weniger Tage mehrere zehntausend Personen angeschlossen. Händler, Gastronomen und Dienstleister kündigen darin an, am Montag die Geschäfte trotz Verbot wieder zu öffnen.

Ursprünglich sollte der Lockdown bis zum 10. Januar gelten. Der bundesweite Protestaufruf geht auf einen Kosmetikstudio-Betreiber in Nordrhein-Westfalen zurück. Einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge stehen hinter der Kampagne Akteure aus der „Querdenken“-Bewegung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false