zum Hauptinhalt
Demonstration gegen die IAA in Frankfurt am Main

© Daniel ROLAND / AFP

Radikalisierung der Streitkultur: Auch Klimaschützer müssen verbal abrüsten

SUV oder Inlandsflug dürfen nicht zu Chiffren im Streit der Guten gegen die Bösen werden. Denn da kann es keine Versöhnung mehr geben. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Die Versuchung ist offensichtlich zu groß: Zwar wissen alle, dass der Klimawandel eine Herausforderung ist, die in den kommenden Jahren jeden betrifft. Doch um Konsens und Überzeugung geht es den meisten Teilnehmern der politischen Klimadebatte der vergangenen Tage nicht. Es geht um Profilierung, Schuldzuweisungen, und um Geld. Dem Kampf gegen den Klimawandel nutzt das nicht.

Im Gegenteil: Nicht nur Unternehmer, Mitarbeiter und Familien in den Kohleregionen müssen sich auf eine fundamentale Veränderung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen einstellen. Nicht nur die Bürger der Großstädte werden ihr Konsumverhalten ändern müssen. Nicht nur die Autoindustrie wird sich in den kommenden Jahren neu erfinden müssen. Kaum ein Lebensbereich bleibt von den Klimabeschlüssen, die die Bundesregierung in der kommenden Woche auf den Weg bringen will, unberührt.

Eine solche Herausforderung kann eine Gesellschaft in einer gemeinsamen Anstrengung zusammenführen. Sie kann aber auch das Gegenteil bewirken – wie es bei Stuttgart 21, bei den Flüchtlingen, oder beim Freihandelsabkommen TTIP – Stichwort: „Chlorhühnchen“ – passiert ist.

Die Verrohung der Sprache wird in Deutschland im Wesentlichen den Rechtspopulisten vorgeworfen. Sie würden die Grenzen des Sagbaren systematisch ausweiten, im politischen Streit mit völkischen Begriffen operieren, und so beitragen, dass sich die Gesellschaft radikaler streitet und handgreiflich wird. Dieser Befund ist zutreffend.

Doch in der Klimawandeldebatte gibt es denselben Trend, nur von der anderen Seite. Darüber muss ebenfalls nachgedacht und diskutiert werden, damit es diesmal besser geht – und SUV oder Inlandsflug nicht zu Chiffren in einem Streit der Guten gegen die Bösen werden, in dem es am Ende keine Versöhnung mehr geben kann.

Wer es ernst meint mit dem Kampf gegen den Klimawandel, ist gut beraten, verbal abzurüsten – auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss, weniger Spenden zu bekommen. Oder mehr investieren zu müssen. Oder der eigenen Klientel als lasch zu erscheinen. Es lohnt sich.

Zur Startseite