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Bild aus der Kölner Silvesternacht 2016/17

© dpa

"Racial Profiling"-Debatte: Sperrfeuer aus linken und rechten Ideologiegräben

Das anlasslose Überprüfen von Personen nur aufgrund von äußerlichen Merkmalen ist anzuprangern. Aber wo ist die Grenze zur "Anlasslosigkeit" in Zeiten des Terrors? Die Polizei wandelt auf einem schmalen Grat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

War vor einem Jahr die Kölner Silvesternacht bald zur Chiffre für aus dem Ruder gelaufene Flüchtlingspolitik geworden, so hat die gleiche Veranstaltung ein Jahr später das Zeug, zur Chiffre für Festgefahrenheit im öffentlichen Diskurs zu werden. Was ist geschehen? Die Kölner Polizei hat durch einen hohen Personaleinsatz unterbunden, dass sich Vorfälle aus der Silvesternacht 2015/2016 wiederholten, in der Männer oft nordafrikanischer Herkunft bandenmäßig und massenhaft über Frauen hergefallen waren, sie begrapscht, belästigt, beklaut hatten. Anzeigen wegen Vergewaltigungen gab es auch. Dazu wurden Männer, die nach Alter, Aussehen und Auftreten als potenzielle Täter erschienen, kontrolliert – was nach einem vernünftigen Schachzug klingt.

Während der Nacht machte dann ein Tweet mit Absender „Polizei NRW K“ die Runde, verfasst in mehreren Sprachen, der die Kontrolle mehrerer hundert „Nafris“ zum Inhalt hatte. Daraus wurde schnell eine Debatte über „racial profiling“ und Rassismus der Polizei, und daraus noch schneller das sattsam bekannte Sperrfeuer aus den linken und rechten Ideologiegräben.

Es ist richtig und wird auch von der Polizei selbst nicht bestritten, dass nicht in Ordnung war, diese Abkürzung für Nordafrikaner zu versenden, denn sie klingt verächtlich, und das ist nicht akzeptabel. Andererseits lässt sich nachlesen in offiziellen Landtagsdrucksachen aus dem rot-grünen Nordrhein-Westfalen, dass nach den Ausschreitungen der Silvesternacht von vor einem Jahr eine polizeiliche Sonderkommission namens „Nafri“ eingesetzt wurde, um die Vorfälle aufzuklären. Wieso störte sich da keiner?

Der Auftritt der Kölner Polizei war nicht perfekt, aber besser als 2015

Natürlich ist ein Skandal immer eine Frage des Zeitpunkts, aber es scheint derzeit kein guter Zeitpunkt für einen Skandal zu sein. Denn die Aufregung überdeckt das eigentliche Thema: die Frage, wie umzugehen ist mit einer zu erwartenden Kriminalitätslage, ohne dabei freiheitlich-demokratische Maßstäbe zu verraten. Diese Frage ist zentraler und wichtiger als die Debatte über den verunglückten Tweet. Der jetzige Auftritt der Kölner Polizei war besser als der ein Jahr zuvor, gleichwohl auch nicht perfekt. Die daraus folgende Frage sollte nicht lauten: Wer soll büßen? Sondern: Was ist daraus zu lernen? Für das nächste Mal und für alle nächsten Male, in denen es darum geht, Menschen ausfindig zu machen, die dem Aussehen nach vermutlich aus dem nordafrikanischen oder arabischen Raum stammen – nämlich dann, wenn islamistische Terroristen gesucht werden.

War die Kontrolle von Anis Amri in Mailand auch "Racial Profiling"?

„Racial profiling“ definiert sich als anlassloses Überprüfen von Personen allein aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale. Das wird zurecht angeprangert. Es ist ein schmaler Grat, auf dem die Polizei wandelt. Wo ist die Grenze zur „Anlasslosigkeit“ in Zeiten, in denen junge orientalisch aussehende Männer europaweit Terroranschläge verüben? Wird jeder Kontrolle unter den Irgendwie-verdächtig-Aussehenden eine Debatte über „racial profiling“ folgen, oder wo genau verläuft die Grenze zwischen der Erstellung von Gefährderprofilen und Diskriminierung? In die Reihe darauf abzuklopfender Einsätze könnte möglicherweise auch die Routinekontrolle des Berliner Attentäters Anis Amri in Mailand gehören.

Es ist nichts Verwerfliches an solchen Überlegungen und Fragen. Sie helfen sicherzustellen, dass Polizei und Sicherheitsbehörden sich nicht verirren in rassistisches Terrain. Dass sie nicht aus Gruppen von bestimmten Verdächtigen eine Täterschablone machen, an der sie nicht vorbeischauen. Das schnelle öffentliche Reagieren des Kölner Polizeipräsidenten auf die „racial profiling“-Vorwürfe spricht dafür, dass seine Behörde sich nicht gegen eine kritische Auseinandersetzung verwahrt. Es ist also gut, wenn diese Debatten auf diese Einsätze folgen. Jedenfalls dann, wenn sie der Selbstvergewisserung dienen. Wenn sie folgen, um ideologische Kämpfe in Sachen Flüchtlingspolitik fortzuführen, sind sie so falsch wie enervierend.

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