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Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen bei der Kundgebung "Solidarität für Russland ist Solidarität für unser Land".

© Annette Riedl/dpa

Putins Linksverteidiger: Abgeordnete der Linken zeigen Verständnis für den Kreml

Die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und Sahra Wagenknecht verteidigen die Politik des Kremls. In der Linkspartei stößt das auf Kritik.

Janine Wissler sah sich zu einer Klarstellung gezwungen. Sie habe „keinerlei Sympathien“ für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und halte seine Politik für grundfalsch, sagte die Linken-Chefin am Montag.

Zugleich kritisierte Wissler den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine ebenso wie die verstärkte Präsenz der Nato in Osteuropa. Die Annexion der Krim durch Russland nannte sie einen „Verstoß gegen das Völkerrecht“. Zwar warf Wissler der Nato vor, mit der Osterweiterung Zusagen an Moskau nicht eingehalten zu haben. Dies rechtfertige aber nicht die derzeitige Eskalation. Damit ging die Linken-Chefin indirekt auf eine Debatte ein, die in ihrer Partei wieder einmal offen ausgebrochen ist: Wie halten wir’s mit Putins Russland?

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen trat am vergangenen Freitag bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor auf. „Sicherheit für Russland ist Sicherheit für unser Land“, lautete das Motto der Veranstaltung, zu der die Friedenskoordination Berlin eingeladen hatte. Russland fühle sich durch die Nato „zu Recht bedroht“, heißt es im Aufruf für die Kundgebung.

Dagdelen übermittelte die „solidarischen Grüße“ ihrer Fraktion, um dann in einer 20-minütigen Rede mit USA und Nato abzurechnen, die sie der „Kriegstreiberei und Kriegshetze“ bezichtigte. Den deutschen Medien warf Dagdelen vor, die „Lügenmärchen des US-Geheimdienstes“ zu verbreiten, und fragte: „Ja, sind wir denn in einem totalitären Staat?“

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Zugleich verteidigte die Linken-Abgeordnete den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Russland habe reagiert, weil die Ukraine die Ostukraine militärisch zurückerobern wolle. Der Kreml habe aufpassen müssen, „falls es einen Angriff auf den Donbass, auf die russischen Minderheiten dort“ gebe, „und sogar vielleicht auf die Krim“.

Lesart der russischen Staatsmedien

Damit gibt die Linken-Politikerin ziemlich genau die von den russischen Staatsmedien verbreitete Lesart der Ereignisse wieder. Den Aufmarsch von mehr als 100000 Soldaten an den Grenzen der Ukraine kritisierte sie mit keinem Wort. Dagegen warf Dagdelen den USA vor, ein Interesse an der Eskalation zu haben: Den Amerikanern sei „egal, ob Ukrainer sterben, ob Russen sterben“. Ihnen gehe es nur um die Durchsetzung ihrer geopolitischen Interessen.

Dagdelen plädiert aber nicht für eine Politik der Äquidistanz zu den Regierungen in Washington und Moskau. Ein solcher Schritt geht aus ihrer Sicht offenbar nicht weit genug. Die Parole der Äquidistanz diene „der Verniedlichung der Nato-Aufrüstung“. Dagdelen gehört innerhalb der Linksfraktion zu denjenigen, die immer wieder lautstark die Politik des Kremls verteidigen. Nachdem der russische Ex-Spion Sergej Skripal 2018 in Großbritannien mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden war, richtete Dagdelen eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung. Alle Fragen hatte sie von der russischen Regierung übernommen.

Hunko reiste zu den Separatisten

Mit ihrer Haltung steht Dagdelen nicht allein: Eine Gruppe von Abgeordneten zeigt seit Jahren viel Verständnis für Putins Russland. Der ehemalige Vize-Fraktionschef Andrej Hunko besuchte 2015 mit seinem damaligen Fraktionskollegen Wolfgang Gehrcke die von Russland kontrollierten Separatisten im Donbass und ließ sich mit einem ihrer Anführer fotografieren. Kürzlich reiste Hunko im Auftrag der Linksfraktion in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu Gesprächen nach Moskau. Die russische „Reaktion“ nannte er „nachvollziehbar“.

Die Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht kritisierte am Sonntag in der Talkshow von Anne Will die „Aggressivität“ der USA, mit der ein russischer Einmarsch angeblich herbeigeredet werde. Russland habe gar kein Interesse an einem Einmarsch, sagte die Linken-Abgeordnete. Es gehe Moskau um berechtigte Sicherheitsinteressen. Zugleich forderte Wagenknecht einen neutralen Status für die Ukraine.

„Was soll links daran sein, die Argumentation der russischen Regierung zu übernehmen?“

Wagenknechts Auftritt zog parteiinterne Kritik nach sich. Was sei eigentlich so schwer daran, als Linke außenpolitisch ausgewogen und faktenbasiert zu argumentieren, fragte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn auf Twitter. „Und was bitte soll links daran sein, die Argumentation der russischen Regierung einfach zu übernehmen?“

Der Verteidigungsexperte, der den Wiedereinzug ins Parlament verpasste, verwies darauf, dass Russland zu keinem Zeitpunkt seit 1990 von außen militärisch bedroht worden sei. Deswegen gehe es aktuell nicht um Sicherheitsinteressen, sondern um Russlands „Einfluss- und Machtinteresse“, betonte Höhn. „Das Recht des Stärkeren darf nicht akzeptiert werden, egal ob es von Demokratien oder Diktaturen praktiziert wird. Die Androhung militärischer Gewalt ist völkerrechtswidrig und inakzeptabel.“

Der ehemalige Abgeordnete Stefan Liebich, der heute für die Rosa-Luxemburg-Stiftung in den USA ist, schloss sich der Kritik an Wagenknechts Äußerungen an. Er verwies auf ein Zitat des US-Senators Bernie Sanders, der Putin die Hauptverantwortung für die aktuelle Krise zugeschrieben hatte.

Gegenwind gibt es für die Kreml-Apologeten auch in der Linksfraktion. „Für einen Autokraten wie Putin darf es keinerlei Sympathien, für seine Aggression gegenüber der Ukraine keinerlei Verständnis geben. Sollte eigentlich selbstverständlich sein", twitterte die Abgeordnete Caren Lay.

Doch weil das offenbar in der Linkspartei nicht für alle selbstverständlich ist, war Parteichefin Wissler am Montag um eine Klarstellung bemüht. Wie in jedem Krieg leide auch in diesem Krieg vor allem die Bevölkerung, betonte sie. Deswegen sei es wichtig, die Perspektive der Menschen in der Ukraine in den Mittelpunkt zu stellen. Auf Nachfrage sagte Wissler, die Rede ihrer Fraktionskollegin Dagdelen habe sie nicht gehört.

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