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Franziska Giffey hat Probleme mit Papieren, besonders aber mir ihrer Doktorarbeit.

© imago images/Future Image

Prüfverfahren der Freien Universität: Hin und Her mit Giffeys Doktorarbeit – und es geht noch weiter

Franziska Giffey ist bereits zurückgetreten, doch das zweite Prüfverfahren an der Freien Universität läuft noch. Ein Überblick über den Stand des Verfahrens.

Franziska Giffey wird der Doktortitel allen Anzeichen nach endgültig aberkannt – offiziell verkündet ist das aber noch nicht. Das nunmehr zweite Prüfverfahren an der Freien Universität läuft nämlich noch. In der vergangenen Woche ist allerdings bereits durchgesickert, dass die Prüfungskommission jetzt einen Entzug des Titels empfiehlt.

Doch noch hat Giffey Zeit für eine Stellungnahme. Ihre Frist läuft Anfang Juni ab. Die FU bestätigte am Mittwoch, was Giffey auch selber schrieb: Die Stellungnahme der Berliner Spitzenkandidatin liegt noch nicht vor. Erst wenn die Stellungnahme eingetroffen sei, treffe das Präsidium eine Entscheidung, ob der Doktortitel wirklich aberkannt wird – und zwar auf der Grundlage von Prüfbericht und Stellungnahme. Da das Präsidium sich ebenfalls noch einmal etwas Zeit nehmen muss, dürfte sich die Entscheidung also noch einige Wochen hinziehen. Dann wird man auch erfahren, was im Einzelnen als wissenschaftliches Fehlverhalten gewertet wird.

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Giffey wurde 2010 am Otto-Suhr-Institut der FU promoviert – mit einer Arbeit über „Europas Weg zum Bürger“. Damals wurde sie mit magna cum laude (sehr gut) bewertet. Die Plagiatsprüfung dauert – dank einigem Hin und Her – inzwischen zwei Jahre. Auch die FU musste für die vielen Volten und die Intransparenz im Verfahren heftige Kritik einstecken. Giffey beziehungsweise die Berliner SPD nutzen das inzwischen teilweise auch, um Giffey selber als Opfer einer Universität darzustellen, die ihre Kontrollmechanismen nicht im Griff habe.

Aber der Reihe nach. Ursprünglich machte im Februar 2019 die Plattform „VroniPlag Wiki“ auf Plagiate in der Dissertation aufmerksam. Demnach gibt es 119 Stellen, die auf wissenschaftliches Fehlverhalten hinweisen, sie befinden sich auf 37 Prozent der insgesamt 214 Seiten der Promotionsschrift. VroniPlag Wiki wirft Giffey dabei massives „wissenschaftliches Fehlverhalten“ vor.

Nach einem ersten Prüfungsverfahren sprach die FU nur eine Rüge aus

Trotz dieser Befunde sprach die FU acht Monate später nach einem ersten Prüfverfahren nur eine Rüge aus. Giffey durfte ihren Titel also behalten. Wegen der Schwere der Vorwürfe war diese erste Entscheidung schon damals unter Forschenden sehr umstritten. Auch dass die Rüge im Berliner Hochschulgesetz als Sanktionsmittel gar nicht vorgesehen ist, fiel sofort auf. Der Jurist und Plagiatsexperte Volker Rieble sprach daher von einem „geschenkten Doktortitel“.

Die Debatte nahm in diesem Sommer wieder an Fahrt auf, nachdem mehrere Gutachten in der Sache bekannt geworden waren. So macht der Asta das lange geheime Prüfgutachten öffentlich: Dieses diagnostizierte an 27 Stellen eine „objektive Täuschung“. In dem Prüfgremium habe „Konsens“ bestanden, „dass die in der Arbeit festgestellten Mängel auch einen systematischen Charakter haben“.

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Andere Gutachten bezweifelten, dass die FU überhaupt eine Rüge aussprechen durfte, obwohl sie gesetzlich gar nicht vorgesehen ist – oder, wenn doch, dass die Rüge wirklich angemessen war. Diese dürfe allenfalls in einem „minderschweren“ Fall vergeben werden. Die Freie Universität entschloss sich vor diesem Hintergrund im November, das Verfahren noch einmal neu aufzurollen – denn ein „minderschwerer“ Fall sei im ursprünglichen Prüfungsbericht eben „nicht dargetan“, wie es verklausuliert hieß.

Bis dahin hatte Giffey an ihrem Titel sehr gehangen. Dann änderte sie ihre Taktik – und kündigte wenig später an, den Titel nicht mehr führen zu wollen. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie ihn nicht mehr auf Dokumenten erwähnt. Die Strategie haben schon andere Plagiatoren vor ihr gewählt. Rein rechtlich spielte diese Ankündigung allerdings keine Rolle. Denn die Verleihung eines Doktortitels ist ein Rechtsakt, den nur die ausstellende Behörde – also die FU – rückgängig machen kann.

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