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Bis heute wird der durch eine Autobombe getötete Premier Rafik Hariri von vielen Libanesen verehrt. Er hatte den Spitznamen „Mr. Lebanon“.

© dpa

Prozess um Hariri-Mord: Leere Anklagebank, offene Drohungen

Am Donnerstag beginnt vor einem UN-Sondertribunal der Prozess um die Ermordung des libanesischen Ex-Premier Rafik Hariri. Die Angeklagten kommen aus den Reihen der Hisbollah. Verhaftet wurden sie bisher nicht.

Es war das spektakulärste Attentat seit Ende des libanesischen Bürgerkriegs: Am 14. Februar 2005 um 12.55 Uhr legte eine Lastwagenbombe nahe der Corniche von Beirut eine ganze Häuserzeile in Schutt und Asche. Vor dem St. George Hotel klaffte ein riesiger Krater. Der Selbstmordanschlag galt dem Konvoi des langjährigen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Der 61-Jährige war sofort tot, mit ihm starben 22 Menschen. Am Donnerstag beginnt nach fast neun Jahren komplizierter Ermittlungen, politischer Spannungen und offener Drohungen der Prozess gegen vier der mutmaßlichen Täter vor dem „Sondertribunal für den Libanon (STL)“ in Den Haag.

Der Mord an Rafik Hariri spaltet den Libanon bis heute

Bis heute spaltet der Mord an dem beliebten Ex-Premier die kleine Nation am Mittelmeer. 1,5 Millionen Menschen campierten damals aus Protest auf den Plätzen Beiruts. Sie machten Syrien verantwortlich und forderten ein Ende der Besatzung. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen unter der Leitung des deutschen Ermittlers Detlev Mehlis kam in einem ersten Bericht zu dem Schluss, dass Teile der libanesischen Sicherheitskräfte ihre Hände mit im Spiel hatten und deutliche Spuren nach Damaskus führten. Washington zog daraufhin seinen Botschafter aus Syrien ab. Und der bedrängte Präsident Baschar al Assad musste nach 29 Jahren seine Truppen aus dem kleinen Nachbarland abziehen.

UN geht von Hisbollah als Drahtzieher aus

Das im März 2009 eingesetzte UN-Sondertribunal in Den Haag ließ aber schon bald die syrische Spur fallen und setzte die vier verhafteten libanesischen Generäle auf freien Fuß. Stattdessen gingen die Fahnder davon aus, dass die Täter in den Reihen der Hisbollah zu suchen sind. Erste Hinweise fand bereits Anfang 2006 ein junger libanesischer Spezialermittler, als er aus Millionen von Handydaten drei Ringe von verdächtigen Mobiltelefonen herausfiltern konnte. Ein Netz von acht „roten“ Handys sei in den Tagen zuvor sowie am Tattag auffällig häufig in der Nähe Hariris verwendet worden. Alle Geräte gehörten offenbar den Bombenlegern. Das „rote Netz“ stand in Verbindung zu einem „gelben“ und „blauen“ Handy-Ring, deren Besitzer offenbar als Hintermänner die Planung der Mordtat steuerten. Alle „Ringe“ hatten Kontakt zu einer Festnetznummer in einem Krankenhaus – dem Hospital „Großer Prophet“ in Südbeirut, wo die Hisbollah ihre Hochburg hat. Der findige libanesische Polizeioffizier Wissam Eid hat seinen Spürsinn inzwischen mit dem Leben bezahlt. Im Januar 2008 starb der 31-Jährige zusammen mit seinem Leibwächter und drei Passanten durch eine Autobombe – ausgeführt von einem Kommando der Hisbollah.

Vier Hisbollah-Männer werden für Attentat auf Ex-Premier verantwortlich gemacht

Doch die Kriminalisten in Den Haag ließen sich nicht beirren. Mehrfach fuhren sie in den Libanon und verhörten Hisbollah-Mitglieder. Ende Juni 2011 schließlich übergaben sie dem libanesischen Generalstaatsanwalt vier Haftbefehle. Bekanntester Name auf der Liste ist der 52-jährige Mustafa Amine Badreddine, ein Schwager von Imad Moughniyeh, dem langjährigen Terrorplaner der Hisbollah. Moughniyeh wurde 2008 in Damaskus getötet, wahrscheinlich von israelischen Agenten. Der zweite Beschuldigte ist Salim Ayyash. Er soll die Terrorzelle geleitet haben, die Hariris Ermordung ausführte. Über die beiden anderen, Hussein Anaissi und Assad Sabra, ist wenig bekannt.

Prozess beginnt in Abwesenheit der Angeklagten

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah reagierte aggressiv und konfus. Mal denunzierte er das Hariri-Tribunal als „israelische und amerikanische Verschwörung“, mal sprach er von „einigen undisziplinierten Mitgliedern“ der Schiitenmiliz, die in Den Haag anklagt worden seien. Auch konnte bislang keiner der Gesuchten verhaftet werden, so dass das Gericht gegen alle Angeklagten in Abwesenheit verhandeln muss. Im März 2013 veröffentlichte eine Hisbollah-Zeitung zudem eine Liste von 32 geladenen Zeugen mit Passfotos, Geburtsdaten und Anschriften ihrer Arbeitsstellen – eine unmissverständliche Drohung in einem Land mit einer langen Geschichte politischer Morde.

Syrischer Bürgerkrieg spaltet auch Libanon

Die humanitäre Katastrophe des syrischen Bürgerkriegs jedoch hat für viele Libanesen die Bedeutung des Hariri-Mordprozesses in Den Haag relativiert. Die Hisbollah ist inzwischen an der Seite von Assads Kriegspartei. Sunnitische Extremisten aus dem Zedernstaat kämpfen in den Reihen der syrischen Opposition. Seit Monaten überziehen sich beide Lager in Beirut und Tripoli mit Bombenanschlägen, denen bereits mehr als hundert Menschen zum Opfer gefallen sind.

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