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Ein Blick in den Gerichtssaal, in dem der NSU-Prozess verhandelt wird.

© dpa

Prozess in München: V-Mann soll NSU-Terrorzelle geholfen haben

Ein V-Mann des Verfassungsschutzes soll versucht haben, den mutmaßlichen NSU-Terroristen bei ihrem Weg in den Untergrund zu helfen. Die Aussage von Tino Brandt könnte noch in diesem Jahr erfolgen - und für weitere brisante Geschichten sorgen.

Von Frank Jansen

Ein früherer V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes gerät im Fall der Terrorzelle NSU immer stärker ins Zwielicht. Tino Brandt habe ihm einen Mann vermittelt, der Reisepässe für die untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe besorgen sollte, sagte am Donnerstag der Jenaer Rechtsextremist André K. als Zeuge im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München.

Der Mann habe nach zwei, drei Wochen die Pässe auch geliefert, doch sie seien „leer“ gewesen. Er habe mit Brandt darüber gesprochen, sagte André K. Später seien dann die Pässe aus dessen Auto verschwunden.

Der Zeuge berichtete auch, Brandt habe ihn nach Berlin zu dem NPD-Funktionär Frank Schwerdt geschickt, weil man sich „Gedanken gemacht hat“, die Untergetauchten außer Landes zu bringen. André K. fragte Schwerdt nach entsprechenden Kontakten. Für die Fahrt nach Berlin habe ihm Brandt sein Auto gegeben, sagte der Zeuge.

Brandt war bis zum NPD-Vize aufgestiegen

Die Aussage stärkt den Verdacht, der V-Mann sei in die Hilfe für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eingebunden gewesen. Tino Brandt wurde von 1994 bis zu seiner Enttarnung 2001 vom Thüringer Verfassungsschutz als Spitzel geführt. Dafür bekam er insgesamt 200 000 D-Mark. Der V-Mann baute allerdings auch die rechtsextreme Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“ auf und war von 2000 bis 2001 Vizechef der NPD in Thüringen. Im Juli hatte zudem im Prozess ein Beamter des Bundeskriminalamts ausgesagt, nach Angaben des Angeklagten Holger G. habe Brandt die Neigung zu Gewalt bei Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bestärkt.

Mundlos und Böhnhardt verübten nach dem Gang in den Untergrund im Januar 1998 zehn Morde und weitere schwere Verbrechen.

Der frühere V-Mann soll noch in diesem Jahr als Zeuge im NSU-Prozess aussagen. Da könnten noch mehr brisante Geschichten beleuchtet werden.  Der Tagesspiegel hatte im Dezember 2011, einen Monat nach dem Ende des NSU, aufgedeckt, dass die Behörde über Tino Brandt versucht hatte, den drei Untergetauchten 2500 D-Mark zukommen zu lassen – in der Hoffnung, sie würden sich mit dem Geld falsche Pässe ausstellen lassen und würden dann beim Grenzübertritt erwischt.

Wie André K. ins Visier der Ermittler geriet

Ob das Geld die drei erreichte, ist allerdings unklar. Einen Teil der Summe soll Brandt an André K. gegeben haben, damit er es an die drei weiterreicht. André K. äußerte sich dazu im Prozess nur vage: das 1998 kursierende Gerücht, „es sei Geld im Umlauf“, sei nicht wahr gewesen. Er habe dann darum gebeten, ihn aus der „Sache“,also der Unterstützung für die drei, „rauszuziehen“. Wen er gebeten habe, sagte K. nicht.

Er habe danach nichts mehr von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehört. Strafrechtlich ist die Unterstützung von André K. für den NSU im Jahr 1998 verjährt. 

Im Februar geriet André K. jedoch ins Visier der Bundesanwaltschaft, die ihn in die Liste der Beschuldigten im NSU-Komplex aufnahm. Bei den Ermittlungen hatte sich herausgestellt, dass ein Handy, das K. nutzte, ausgerechnet am 4. November 2011 in einer Funkzelle in Eisenach registriert wurde. An dem Tag hatten Mundlos und Böhnhardt in der thüringischen Stadt eine Filiale der Sparkasse beraubt und wurden auf der Flucht von der Polizei überrascht. Im Fluchtfahrzeug, einem Wohnmobil, erschoss Mundlos dann Böhnhardt und anschließend sich selbst.

Vor Gericht sagte André K. nun, er habe an dem Tag mit seinem Vater einen Pick-up gekauft und sei auf der Rückfahrt nach Jena in Eisenach auf die Autobahn gefahren. Die Geschichte ist offenbar nicht zu widerlegen. Im Prozess teilte kürzlich ein Vertreter der Bundesanwaltschaft mit, das Ermittlungsverfahren gegen André K. sei „materiell einstellungsreif“.

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