zum Hauptinhalt
Der alte Ungeist. Zeichnung eines Wehrmachtssoldaten und eine Maschinenpistole aus der Nazizeit in der Kaserne im Elsass, in der Franco A. stationiert war

© Patrick Seege/picture alliance/dpa

Prozess gegen rechtsextremen Offizier Franco A.: Der Oberleutnant, der sich als syrischer Flüchtling ausgab

Aus rechtem Hass wollte Franco A. als vermeintlicher Flüchtling Attentate auf Politiker verüben. Nun muss er sich in Frankfurt vor Gericht verantworten.

Von Frank Jansen

Er kann kein Arabisch, er stellte sich mit dem jüdisch klingenden Namen „David Benjamin“ vor und behauptete dennoch, syrischer Flüchtling zu sein. Mit Erfolg. Im Dezember 2016 bescheinigt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dem  französisch und auch deutsch sprechenden Franco A. den „subsidiären Schutzstatus“.  Der damals 28-jährige Mann hätte nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen, weil ihm angeblich Verfolgung drohte. Dass das Bamf auf einen fanatischen Oberleutnant der Bundeswehr hereinfällt, der offenbar seine Flüchtlingslegende nutzen wollte, um mit vermeintlich islamistischen  Attentaten auf Politiker den Rassismus in Deutschland noch anzuheizen, ist eine der abgründigsten Geschichten im Rechtsextremismus seit der Wiedervereinigung. Und von diesem Donnerstag an Thema am Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Franco A. war vermutlich in ein Netzwerk von Preppern eingebunden

Der Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Christoph Koller muss sich mit einem Mann befassen, den die Bundesanwaltschaft für einen potenziellen Terroristen hält. In der Anklage geht es um die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, um Waffendelikte und weitere Straftaten. Nach Erkenntnissen der Ermittler plante der Offizier von 2015 an Anschläge auf prominente Politiker wie den damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), auf die Grünenpolitikerin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, aber auch auf Anetta Kahane, Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin und bundesweit bekannt für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus. Die Dimension des Falles ist jedoch offenbar noch größer.

Franco A. war im Quartier Leclerc der Kaserne des Jägerbataillons 291 in Illkirch bei Straßburg stationiert.
Franco A. war im Quartier Leclerc der Kaserne des Jägerbataillons 291 in Illkirch bei Straßburg stationiert.

© Patrick Seege/dpa

Vermutlich war Franco A. auch  in ein Netzwerk rechter Soldaten und Polizisten eingebunden, die sich als „Prepper“ begreifen. Die Szene rüstet sich für den „Tag X“, an dem in Deutschland der Staat kollabiert und ein Bürgerkrieg beginnt. Gegen Migranten,  gegen Muslime, gegen Linke und andere Nazigegner.

Selbst im Preppermilieu war Franco A. offenbar eine bizarre Figur. Die bei Bamf und Bundeswehr von einem beträchtlichen Mangel an Wachsamkeit profitierte. Franco A., seit 2008  Soldat, schreibt als Offiziersanwärter während seines Studiums an der französischen Militärakademie Saint-Cyr eine erschreckende Masterarbeit. Der Prüfer bescheinigt ihm einen „radikalnationalistischen, rassistischen Appell“, der an die Propaganda der Nazis erinnert. Doch Franco A. hat Glück. Er darf noch eine Masterarbeit schreiben. Von 2014 an ist er dann Oberleutnant in der Deutsch-Französischen Brigade im elsässischen Illkirch-Graffenstaden.

[Alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy: Laden Sie hier unsere App für Apple- und Android-Geräte herunter.]

Franco A. radikalisiert sich weiter. Bis hin zum Selbsthass. Offenbar wegen seines italienischen Vaters, den er nie kennenlernte. Franco A. will nur als Deutscher wahrgenommen werden. So bezeichnete er sich  im Januar 2016 in einer Audiodatei  als „Produkt dieses perversen Rassenhasses, der darauf aus ist, Rassen zu zerstören“. Das klingt, als glaube A., der Vater habe ihn in völkermörderischer Absicht gezeugt. Mehr Wahn geht kaum.

Kurz zuvor, im Dezember 2015, hat sich Franco A. in Offenbar als syrischer Flüchtling „David Benjamin“ registrieren lassen. Sicherheitskreise berichten, was dann passiert sein soll. Im Juli 2016 besorgt sich Franco A. in Paris eine alte Pistole und Munition. Die mit sieben Patronen geladene Waffe versteckt er im Januar 2017 im Flughafen Wien-Schwechat in einer Behindertentoilette. Nach Erkenntnissen der Ermittler unterschlägt  Franco A. auch  Waffen der Bundeswehr.

Tausende Euro an Geld- und Sachleistungen kassiert

Im Januar 2017 stellt die Polizei auf dem Wiener Flughafen die Pistole sicher. Als Franco A. im Februar des Jahres im Airport in das nun alarmgesicherte Versteck greift, um die Waffe zu holen,  wird er festgenommen. Franco A. behauptet, er habe die Pistole in einem Gebüsch gefunden. Die Wiener Polizei lässt ihn  frei, übermittelt aber den deutschen Behörden die Fingerabdrücke. So kommt heraus, dass Franco A. auch als syrischer Flüchtling „David Benjamin“ auftritt. Und schon  tausende Euro an Geld- und Sachleistungen kassiert hat. Im April 2017 nimmt die Polizei den Oberleutnant  am Bundeswehrstandort Hammelburg fest. Die irre Geschichte des Franco A. schockt das Land.

Die Justiz tut sich allerdings schwer. Die Anklage der Bundesanwaltschaft vom Dezember 2017 fällt zunächst beim  Frankfurter Oberlandesgericht durch. Die Richter sehen  keinen Terrorverdacht und verweisen den restlichen Fall mit den  minderschweren Waffendelikten ans Landgericht Darmstadt. Die Bundesanwaltschaft widerspricht, im November 2019 gibt ihr der Bundesgerichtshof Recht. Frankfurt muss den Terrorprozess führen. Womöglich wird er nicht  lange dauern. Der Strafsenat hat nur Termine bis August angesetzt. Und Franco A. ist schon seit November 2017 aus der Untersuchungshaft raus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false