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Journalisten bauen sich vor dem Attentäter Stephan Balliet auf.

© Hendrik Schmidt / POOL / AFP

Update

Prozess gegen Halle-Attentäter: Der Moment, in dem die Hinterbliebenen den Gerichtssaal verlassen

Am zweiten Prozesstag wird das Video der Tat gezeigt. Ein Nebenkläger "will den propagandistischen Zielen des Attentäters einen Strich durch die Rechnung machen".

Der Attentäter von Halle hat am zweiten Prozesstag die Hinterbliebenen seines Verbrechens brüskiert. Am Mittwoch verließen einige der Hinterbliebenen seiner Opfer den Verhandlungssaal im Magdeburger Landgericht: Denn als das 37 Minuten lange Video der Tat vom 9. Oktober 2019 gezeigt wurde, grinste Stephan Balliet. Den Angriff auf die Synagoge in Halle hatte er bereits am Dienstag vor Gericht gestanden. Und auch, Jana L. und Kevin S. erschossen zu haben.

Der Rechtsextremist hatte seinen Mordzug durch Halle mit einer Helmkamera live ins Internet übertragen. Als das Video nun in der Verhandlung gezeigt wurde, verließen auch einige der 43 Nebenkläger den Saal. Andere schauten weg, als die Aufnahme gezeigt wurde oder bedeckten ihre Augen. „Mein Mandant hat bewusst darauf verzichtet, sich das Video anzuschauen“, sagte Nebenklage-Anwalt Onur Özata. „Er will den propagandistischen Zielen des Attentäters damit einen Strich durch die Rechnung machen.“

Der Berliner Jurist vertritt zwei Brüder, die in Halle das vom Attentat betroffene Döner-Lokal betreiben. Der Angeklagte hatte zum Prozessauftakt erklärt, er habe seinen Mordzug auch deshalb live übertragen, um mögliche Nachahmer zu ähnlichen Taten zu animieren. Im Gericht kümmerten sich sechs Seelsorger um die Verletzten und Hinterbliebenen des Anschlags. Die Anwälte der Nebenklage machten den anwesenden psychologischen Gutachter auf Balliets Reaktion auf das Tatvideo aufmerksam.

Granate in Halle zündete nicht

Der Prozess vor dem für Halle zuständigen Oberlandesgericht Naumburg findet wegen des großen öffentlichen Interesses und aus Sicherheitsgründen in der Landeshauptstadt Magdeburg statt. Wie berichtet, hatte die Bundesanwaltschaft den 28 Jahre alten Sohn einer Lehrerin unter anderem wegen zweifachen Mordes und vielfachen Mordversuchs angeklagt. Balliet hatte erklärt, er habe möglichst viele der 52 Besucher der Synagoge töten wollen.

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Der Versuch, auf das Gelände der Jüdischen Gemeinde einzudringen, scheiterte wohl auch deshalb, weil eine selbst gebaute Granate nicht zündete. Balliet erschoss die zufällig passierende Jana L., 40, dann in einem Döner-Lokal den 20 Jahre alten Kevin S., der dort zu Gast war. Die Bundesanwaltschaft wirft Balliet vor, „aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens“ geplant zu haben. Der Täter wählte den höchsten Feiertag im Judentum, Jom Kippur.

Familie des Angeklagten sagt nicht vor Gericht aus

Die Vorsitzende des Prozesses, Richterin Ursula Mertens gab am Mittwoch bekannt, die Familie des Angeklagten – Mutter, Vater, Schwester – nutze ihr Zeugnisverweigerungsrecht und würde in der Verhandlung nicht aussagen. Balliet zeigte weiter keine Reue, in der Synagoge hätten sich seine „Feinde“ aufgehalten. Bundesanwalt Kai Lohse sagte, jeder Mensch habe unabhängig von seiner Herkunft oder Religion das Recht auf Leben – zum Angeklagten sagte Lohse: „Sie werden einige Zeit haben, darüber nachzudenken.“

In dem in solchen Fällen üblichen Gutachten heißt es, Balliet habe eine Persönlichkeitsstörung mit autistischen Zügen. Seine Schuldfähigkeit sei jedoch nicht beeinträchtigt gewesen. Dem Angeklagten droht neben einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe eine Sicherungsverwahrung.

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