zum Hauptinhalt
Bettina und Christian Wulff begrüßen sich im Landgericht Hannover.

© dpa

Prozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff: Seine Frau steht ihm zur Seite

Dieser Tag wurde mit Neugier erwartet: Bettina Wulff tritt im Prozess gegen ihren Mann als Zeugin auf. Sie hätte nicht kommen müssen, sie will aber - und steht ihm vor Gericht enger zur Seite als einst beim gemeinsamen Abschied aus dem Präsidentenamt.

Wie ist es denn so, das Verhältnis zu ihrem Ehemann? Es ist der Tag des mit Neugier erwarteten Zeugenauftritts von Bettina Wulff vor dem Landgericht Hannover, und bereits mit einer der ersten Fragen des Gerichts wird der Post-Trennungs-Klatsch aus den bunten Blättern in den Korruptionsprozess gegen Christian Wulff überführt. Ja, wie ist es denn so? Und vor allem: Muss man das wissen?

Frau Wulff, 40 Jahre alt, erscheint geraden Blicks und erhobenen Hauptes, helle Bluse, schwarzer Rock. Klassisch-elegant würde man wohl dazu sagen, etwas förmlich. Sie hätte nicht kommen müssen, sie will kommen. Als mit dem Angeklagten noch Verheiratete hätte sie schweigen dürfen. Der Richter belehrt sie, sie entgegnet: „Ich möchte aussagen und werde natürlich die Wahrheit sagen.“

Alles, was von der Affäre Wulff strafrechtlich noch übrig bleibt, ist ein Oktoberfestbesuch der Wulffs auf Einladung des mitangeklagten Filmfinanziers David Groenewold. Seit Wochen versuchen die Richter herauszufinden, was daran privat und was dienstlich war, wie viel gegessen und was getrunken wurde, welchen Umgang die Angeklagten miteinander pflegten.

Kein Hochmut, kein Überdruss

Eine Bettina Wulff kennt ihre Aufgaben, als gelernte PR-Beraterin, Prominentengattin, First Lady oder jetzt eben als Zeugin vor Gericht. Ein Eindruck, den sie vermitteln möchte und auch diesmal erfolgreich vermittelt. Sie sitzt am Zeugentisch, schlägt Hände und Beine übereinander und blickt erwartungsvoll zur Richterbank. Ihre Sätze sind geordnet und präzise. Kein Hochmut, kein Überdruss, wie ihn ihre Bekannte, die TV-Schauspielerin und Frau des Verlegers Hubert Burda, Maria Furtwängler, vor kurzem hier an ihrer Stelle zu verbergen sich kaum die Mühe machte. Ihre spitzeste Bemerkung gegenüber dem Gatten scheint ein Beispiel unfreiwilliger Ironie: Als sie von Groenewold ein Bild in den allerschönsten Farben zeichnet, von seiner „fröhlichen, offenen, extrovertierten Art“ schwärmt, fährt sie fort, er habe sich „sehr gut mit meinem Mann ergänzt“. Die Lacher erträgt Wulff mit routiniertem Grinsen.

Im Zentrum der Befragung steht der Festzeltbesuch Ende September 2008, von dem die Staatsanwaltschaft glaubt, Groenewold habe seinen Politikerfreund damit für Hilfe bei seinen Geschäften erwärmen wollen. Bettina Wulff erzählt von einem Abendessen im Januar des Jahres mit Furtwängler und Groenewold, bei dem die Idee aufgekommen sei und der Freund aus Berlin ankündigte, einladen zu wollen. Wie problematisch es dann gewesen sei, ein Treffen in den Terminkalender ihres Mannes einzupassen. Dass es dann doch geklappt hat, verbunden mit offiziellen Terminen. Wie sie sich wohl etwas übernommen hatten mit der langen Fahrt, der erst ein paar Wochen alte Sohn Linus „durch“ war und „krakeelte“. Als sie „natürlich überrascht“ war über die luxuriöse Suite im Bayerischen Hof, sich dann aber „ ums Kind gekümmert“ habe, statt Fragen nach der Rechnung zu stellen.

„Ich glaube nicht, dass wir zusammen essen waren“

Auch einen Vorabendbesuch im Hotelrestaurant zählt die Staatsanwaltschaft zu Wulffs angeblich korrupter Verabredung mit Groenewold. Nur will das Paar gar nicht dabei gewesen sein. Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow kramt den Bewirtungsbeleg aus den Akten und liest etwas von Evian, Saft, Garnelen und Chateaubriand vor.

„Ich esse kein Fleisch, ich esse keine Garnelen.“

Rosenow gibt nicht auf. „Huhn? Hier steht auch irgendwas mit Chicken.“

„Ich glaube nicht, dass wir zusammen essen waren“, sagt Wulff.

Kein lustiges Beisammensein. Ein Akt der Pflichterfüllung

Dann der folgende Abend auf der Theresienwiese. Das Gericht forscht inzwischen schon etwas verzweifelt danach, wer die auf der Rechnung verzeichneten fünf Flaschen Markenchampagner getrunken haben könnte. Doch glaubt man der Zeugin, waren die Wulffs nicht dabei. Sie habe gestillt und sich deshalb mit ein paar Schluck zum Anstoßen begnügt, ihr Mann mache sich nichts aus Alkohol. Ohnehin sei aus dem als lustiges Beisammensein geplanten Termin längst ein Akt der Pflichterfüllung im Dienst des Landes geworden. „Spätestens, wenn man mit Familie Burda an einem Tisch sitzt, hat der Abend seinen privaten Charakter verloren“, sagt Wulff. Sie habe ja gewusst, „was meinem Mann am Herzen lag“. Der NDR-Tatort aus Niedersachsen mit Furtwängler als Kommissarin habe zu viele „düstere Episoden“, das Land hätte dort doch „freundlicher erscheinen“ sollen. Und mit Burda sei es um Medienpolitik gegangen. Spätestens halb zwölf habe sie im Hotel den Babysitter abgelöst.

Treulich antwortet die Zeugin auf Nachfragen der Richter und bestätigt im Wesentlichen die Version ihres Mannes vom Geschehen. Nach dem Auschecken habe er ihr berichtet, dass der Babsysitter recht teuer gewesen sei – Wulff will das Geld Groenewold in bar erstattet haben, die Staatsanwaltschaft glaubt ihm das nicht. In seiner Frau hat der Angeklagte nun eine weitere Entlastung. Sie berichtet auch, dass der gewohnte Barzahler die Euroscheine lose in der Tasche trug. „Er hat eine Aversion gegen Kreditkarten.“ So hat es der Altpräsident in Vernehmungen oft erzählt: Dass er einfach in die Tasche griff, wenn der spendierfreudige Film unternehmer wieder etwas verauslagt hatte.

In ihrem Zusammenspiel passt alles

Alles passt im Zusammenspiel der beiden. Fast ein wenig wie damals, beim Einzug ins Schloss Bellevue. Er war ihnen nicht leicht gemacht worden. Die Herzen flogen dem heutigen Amtsträger zu, Wulff dagegen war Merkels Mann aus einem kleinen Reservoir Getreuer; brav und mehrheitlich ungewollt, außer von der Bundesversammlung, die ihn auftragsgemäß wählte. Es spricht für einiges Geschick der beiden, das öffentliche Missfallen erfolgreich mit einer Geschichte symbolischer Erneuerung pariert zu haben.

Denn so jung war noch kein Staatsoberhaupt ins Amt gekommen, dazu noch mit Kind im Windelalter und mitgebrachtem Sohn vom Ex, perfekt ergänzt von der Gattin als selbstständiger und selbstverständlich berufstätiger Frau. Familienpatchwork in emanzipierten Rollen. Während das aufgeklärte Bürgertum seine politischen Ideale noch an der Person Joachim Gaucks vermaß, dockte das Präsidentenpaar am Boulevard an, der berauscht von Karl-Theodor zu Guttenberg neues Interesse am Glanz politischen Herrschaftspersonals gewonnen hatte.

Ein nachhaltiges Interesse, gerade für Bettina Wulff, über deren neue Begleiter die Öffentlichkeit stets pünktlich informiert wird. Man nahm ihr übel, dass sie die Trennung von ihrem Mann in Buchform fasste. Doch verfügt Wulff über das Gemüt eines Fleischerhundes oder, wer weiß, mag er seine Frau noch immer sehr. Jedenfalls blickt er sie für die Stunde ihrer Aussage meist gelassen und freundlich von der Seite an. Vorher gab es ein Küsschen. Es läuft gut für ihn, er weiß es und lässt es merken.

Erschrecken über die eigene Gnadenlosigkeit

Ein Eindruck, der auch das öffentliche Bild bestimmt. Die wohl populärste Sichtweise auf den Prozess sagt weniger etwas über das Verfahren aus als das Publikum, das sie einnimmt. Demnach hat Wulff vielleicht einen Fehler gemacht, dafür jedoch durch Verlust von Amt und Würden mehr als genug gebüßt. Eine für das menschliche Maß ohnedies blinde Justiz will ihn nun hängen sehen, heißt es, weil ihr die Größe fehlt, in der Anklage des gestürzten Politikers den eigenen Irrtum zu erkennen und umzukehren. Zudem geht es ja nur um ein paar hundert Euro, einen Betrag, für den keiner der gut gestellten Beteiligen den ehrenwerten Job und schon gar nicht den Leumund riskieren würde. Es liegt darin auch ein wenig kollektive Reue und Erschrecken über die eigene Gnadenlosigkeit. Wulff, der einst Gejagte, ist heute Wulff, der Verfolgte.

Aus dieser Perspektive werden nun die Aussagen der Zeugen sortiert. Entsprechend findet sich bisher kaum etwas, das die Vorwürfe stützt. Groenewold soll dem Paar das Upgrade in die Edel-Suite bezahlt haben? Durchaus glaubhaft erzählen die Hotelangestellten, dass ein Eingeladener von einer Teileinladung dank vollautomatisierter Zimmerrechnung nicht unbedingt etwas merken muss. Der Festzelt-Besuch, bei dem man es auf Groenewolds Kosten krachen ließ? Laut war es, ungemütlich, unpersönlich, so schildern es die Gäste, und auch die vom stressigen Säugling vorübergehend entbundene Bettina Wulff will sich nur in Maßen amüsiert haben. Vom Abstinenzler Wulff erfahren wir, dass er zum Bananensaft greift, wenn es gesellig wird; nicht mal so weit kam es am Wiesntisch im Käferzelt. Groenewold, nur ein Scheinkumpel, der in der Freundschaft zu Wulff auf Geschäfte schielte? Nein, er simste ehrlichen Männerrat, als die Ehe des Gefährten entgleiste und dieser für Bettina Körner Feuer fing. Groenewold war es auch, der erste Fötusfotos der schwangeren Geliebten betrachten und bei der späteren Hochzeit gleich neben Tochter Annalena sitzen durfte. Näher kann man einander kaum kommen.

Der Richter kündigte an: ein "Zwischenfazit"

Richter Rosenow hat für nächste Woche ein „Zwischenfazit“ angekündigt, und er spricht auch am Donnerstag von einer „Bilanz“ , jedenfalls soweit es die Entgegennahme irgendwelcher Vorteile betrifft. Überraschend kommt das nicht, er hatte sich schon zum Auftakt des Prozesses bereit erklärt, das Beweisprogramm möglicherweise zu straffen. Wulffs Anwälte möchten endlich Zeugen aus der Staatskanzlei hören, die dartun, dass ihr Mandant keine Einladungen nötig hätte, weil er ohnehin auf erstattungsfähiger Dienstreise war. Auch jetzt betont Rosenow, man müsse „abwarten, wie sich der Prozess entwickelt“. Staatsanwalt Clemens Eimterbäumer wird unruhig. Er will noch Beweisanträge stellen, wenn das Gericht die Vorwürfe abbiegen will.

Tatsächlich steht das Verfahren auf der Kippe, sind Wulffs Aussichten auf einen Freispruch derzeit einigermaßen gut. Schon in seinem Eröffnungsbeschluss hatte das Gericht den Vorwurf als „Grenzfall“ markiert und statt Bestechlichkeit nur als Vorteilsannahme gewertet, weil Wulffs Einsatz für Groenewolds Geschäfte keine pflichtwidrige Diensthandlung gewesen sein soll.

Der Grenzfall könnte auch ein Musterfall sein

Doch zunächst will man noch aufklären, schließlich könnte der Grenzfall auch ein Musterfall sein. Der Weg ist kurz vom Business-Kontakt zur Freundschaft, zumal in der Film-PR-Eventbranche, um die es im parallel vor dem Landgericht laufenden Glaeseker-Prozess wie im Wulff-Verfahren geht. Wird die Administration hineingezogen, stellt sich die Frage, wer sich wem anpasst. Insofern erscheint es jetzt nicht ganz fair, wenn dem früheren Sprecher des Bundespräsidenten Glaeseker die gute Presse fehlt, die Wulff auf seiner Seite hat. Hatte er denn nicht auch Löbliches getan, als er sich für eine Veranstaltung im Landesinteresse beim Einwerben von Sponsoren „die Beine ausriss“, wie er erzählte? Waren die Einladungen des Eventmanagers Manfred Schmidt in Spaniens Wintersonne denn nicht auch bloß Zeichen tiefer, ja väterlicher Freundschaft, bezahlt aus einem Flugkontingent, über das Schmidt verfügte wie Groenewold über ein Tischkontingent beim Oktoberfest? Die Vorwürfe gleichen sich in beiden Prozessen, die Verteidigungsreden auch.

Soll nun Inbegriff allen Unrechts sein, dass es im einen Fall nur um ein paar hundert, im anderen um ein paar tausend Euro an Zuwendung ging? Für jeden gibt es eine Summe, ab der er käuflich ist, weiß der Volksmund. Doch ist nicht die Höhe von Beträgen das Entscheidende bei Korruptionsdelikten, sondern die Bereitschaft oder auch nur der Anschein, überhaupt käuflich zu sein. Das innerliche Ja zum Unrecht. Darum geht es in beiden Prozessen, und deshalb fällt die Beweisaufnahme so kleinteilig und mühsam aus.

Ihr Verhältnis? "Sehr freundschaftlich"

Anders als Maria Furtwängler hat die Staatsanwaltschaft Bettina Wulff in ihrer Anklageschrift als Zeugin benannt. Doch dass sie sich hinstellt und den Gatten in die Pfanne haut, werden auch die Ankläger nicht erwartet haben. Im Gegenteil. Sie steht ihm enger zur Seite als einst beim gemeinsamen Abschied aus dem Präsidentenamt. Sie widerspricht auch ausdrücklich der Annahme der Staatsanwaltschaft, Groenewold sei zu dem Paar großzügiger gewesen als umgekehrt. „Es wurde abwechselnd bezahlt. Wichtig ist, dass es ein Geben und Nehmen ist.“ Altmodischer als gedacht, war es aber wohl etwas, das stets „die Männer“ unter sich ausmachten. Geht es um Rechnungsdetails, kann sich die Zeugin notorisch schlecht erinnern.

Wie steht es also um das Verhältnis der beiden? Rosenow hätte anfangs gar nicht zu fragen brauchen. Doch für die Zeugin herrscht auch in diesem Punkt eine in Mitteilungsdrang überschießende Wahrheitspflicht. „Sehr freundschaftlich“, betont sie, „wir stehen in regem Kontakt und telefonieren häufig.“ Für den Sohn sähen sie sich in einer Verantwortung, die weit über die Rolle nur als Vater oder als Mutter hinausgehe. „Hass“? fragt Richter Rosenow fühlbar deplatziert. „Davon kann keine Rede sein“, stellt die Befragte klar. Vielleicht der letzte gemeinsame Auftritt der beiden. Ein gelungener Auftritt. Wer in den Wulffs noch immer ein Vorbild sucht, auch im Gerichtssaal kann er fündig werden.

Zur Startseite