zum Hauptinhalt
Im Gazastreifen und in anderen Regionen der arabischen Welt wird heftig gegen Präsident Macron protestiert.

© Said Khatib/AFP

Proteste nach den Anschlägen von Paris und Nizza: Der Zorn der Muslime

Warum sich viele Menschen in der islamischen Welt vom französischen Präsidenten provoziert fühlen und welche Folgen das haben kann.

Aufrufe zum Boykott, wütende Demonstranten, brennende Frankreich-Fahnen – Staatschef Emmanuel Macron hat den Zorn von Teilen der muslimischen Welt auf sich gezogen. Auslöser der Proteste waren dessen Klarstellungen nach der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty. Frankreich werde die Meinungsfreiheit verteidigen und Mohammed-Karikaturen nach wie vor zulassen, ließ der Staatschef die Welt wissen.

Doch vor allem eine generalisierende Bemerkung Macrons nahmen ihm viele Gläubige übel: Der Islam befinde sich „weltweit in der Krise“. Und Innenminister Gerald Darmanin erklärte, dass er von separaten Regalen mit Halal-Produkten in Supermärkten nichts halte, weil sich damit eine religiöse Gemeinschaft vom Rest der Gesellschaft selbst abgrenze.

Der Zorn der Muslime in Teilen der Welt ist momentan derart groß, dass Paris für mehrere Länder neue Sicherheitshinweise veröffentlicht hat. So sollten sich Franzosen möglichst von Menschenansammlungen fernhalten.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Im Vordergrund des Streits steht weniger der gewaltsame Tod des Lehrers oder die Ermordung dreier Menschen in Nizza – die Anschläge werden zumeist als grausame Taten einzelner Extremisten verurteilt –, sondern der als feindselig empfundene Umgang mit dem Islam. Einige Politiker in der arabischen Welt nehmen diese Stimmung auf.

Präsident Erdogan teilte kräftig gegen seinen französischen Amtskollegen aus.
Präsident Erdogan teilte kräftig gegen seinen französischen Amtskollegen aus.

© Reuters

Da werden „systematische Angriffe“ auf die Gefühle der Muslime beklagt, von Beleidigungen ist die Rede. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al Sisi etwa warnt: „Hört auf, uns zu verletzen.“ Irans Außenminister Dschwad Sarif spricht sogar davon, dass Muslime Opfer einer „Hasskultur“ seien, die von Kolonialmächten verstärkt werde.

Auch westliche Arroganz wird mit Blick auf Karikaturen über den Propheten beklagt. Terror und Islam würden in einen Topf geworfen.

Wird der Konflikt eine unkalkulierbare Dynamik entwickeln? Könnten sich Muslime so radikalisieren wie 2005, als die dänische Zeitung „Jyllands Posten“ satirische Bilder über Mohammed veröffentlichte, Botschaften des Landes in Brand gesteckt wurden und es zu Gewalttaten kam?

Tatort Nizzas Basilika Notre Dame - hier tötete ein Islamist drei Menschen.
Tatort Nizzas Basilika Notre Dame - hier tötete ein Islamist drei Menschen.

© Norbert Scanella/imago/PanoramiC

Das ist derzeit schwer vorauszusagen. Beobachter rechnen aber nicht damit, dass sich die Lage rasch wieder beruhigt – das Ausmaß der Wut über Frankreich gilt als zu groß. Nach den Freitagsgebeten gab es viele Kundgebungen mit Tausenden Teilnehmern – von Äthiopien über Afghanistan bis nach Bangladesch.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

Auf den Straßen wurden Parolen wie „Wir sind alle Soldaten des Propheten Mohammed“ oder „Vertreibt den französischen Hund“ skandiert. In Pakistan und im Libanon kam es zu Zusammenstößen aufgebrachter Demonstranten mit Sicherheitskräften.

Da kann es kaum verwundern, dass Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian eindringlich warnt: „Die Bedrohung ist überall.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false