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Ungarns Regierungschef Viktor Orban

© AFP/Marco Bertorello

Proteste in Ungarn: Viktor Orbán zieht ins Kloster

Das Jahr beginnt in Ungarn mit einer erneuten Demonstrationswelle. Ministerpräsident Viktor Orbán zeigt Stärke: Er zieht ins Budapester Burgviertel.

Hoch über der Donau vor dem Palais Sándor drängen sich Touristen und zücken ihre Kameras: Wachwechsel im Burgviertel in Budapest. Der klassizistische Bau neben dem Eingang zur Budaer Burg ist die Residenz des ungarischen Staatspräsidenten. Aktuell bewachen die Garden Präsident János Áder. Zum Dreikönigstag wurde das Nachbargebäude, ein ehemaliges Karmeliterkloster, neu eingeweiht. Dort zog in diesen Tagen Ministerpräsident Viktor Orbán ein.

Budapest: Blick auf den erleuchteten Burgpalast auf dem Burgberg.
Budapest: Blick auf den erleuchteten Burgpalast auf dem Burgberg.

© dpa

Nach jahrelanger Renovierung, deren Kosten auf 65 Millionen Euro geschätzt werden, ist das Kloster seit dem neuen Jahr der Ministerpräsidentschaft vorbehalten. Die Regierung betont, dass der Umzug eine räumliche Trennung von der legislativen Gewalt ermöglichen soll. Das Parlament befindet sich gegenüber der Burg, am Pester Donauufer.

Umzug symbolisiere Nostalgie nach Miklós Horthy

Für viele Budapester hat der Umzug der Ministerpräsidentschaft vom Pester Donauufer in die Burg symbolische Bedeutung. Zuletzt war das Burgviertel vor dem zweiten Weltkrieg, unter der autoritären Herrschaft Miklós Horthys politisch besetzt. Horthy näherte sich in den dreißiger Jahren den faschistischen Regimes in Italien und Österreichs an.

Márta V. Naszályi, Politikerin der linken Partei “Dialog für Ungarn” (Párbeszéd Magyarországért), kritisierte bei einer Kundgebung gegen den Einzug des Ministerpräsidenten am 2. Januar, dass statt der dringend benötigten Restaurierung des Weltkulturerbes Burgviertel, die Regierung nur in die Nostalgie nach der Horthy-Ära investiere. Diese Nostalgie wird auch in anderen Projekten der Orbán-Regierung deutlich. Der zentrale Kossuth-Platz wurde schon 2014 so erneuert, dass Statuen aus der Horthy-Ära, die zu Zeiten des Sozialismus abmontiert waren, wieder aufgestellt wurden.

Kurz vor dem Jahreswechsel wurde dann am 28. Dezember am Märtyrerplatz das Denkmal zu Ehren des ehemaligen Ministerpräsidenten Imre Nagy abmontiert, nur eine Ecke vom Kossuth-Platz entfernt. Nagy war während dem Ungarnaufstand 1956 Ministerpräsident, wurde nach Niederschlagung des Aufstandes vom KGB verhaftet, nach Rumänien deportiert und 1958 nach einem Schauprozess ermordet. Viktor Orbán forderte schon 1988 als politischer Aktivist die Rehabilitierung Nagys, die nach der Wende 1989 stattfand. Die Statue Nagys soll nach offiziellen Angaben renoviert und etwas weiter nördlich am Jászai-Mari-Platz wieder aufgestellt werden.

Imre Nagy, Held von damals, jetzt verbanntes Denkmal am Stadtrand.
Imre Nagy, Held von damals, jetzt verbanntes Denkmal am Stadtrand.

© imago/ZUMA/Keystone

Die harte Hand zeigt sich symbolisch - und im Gesetz

Diese stadtpolitischen Aktionen gliedern sich ein in eine Politik der Stärke der Orbán-Regierung, die seit 2010 an der Macht ist und im Parlament auf eine Zweidrittelmehrheit der Fidesz-KDNP-Koalition bauen kann.

Orbán startet selbstbewusst ins neue Jahr. Zwei Wochen vor Jahresende hatten die Abgeordneten zwei entscheidende Gesetzesänderungen beschlossen: Zunächst wurde die Einrichtung eines neuen administrativen Gerichts für Fälle, die die Regierung oder Kommunalverwaltung betreffen, beschlossen, wobei die Ernennung der Richter dem Justizministerium unterliegt. Internationale Schlagzeilen machte die ebenfalls am 12. Dezember beschlossene Ausweitung der möglichen Überstunden für Beschäftigte von 250 auf 400 jährlich, die innerhalb von drei Jahren abgerechnet werden können. Damit erhofft sich die Regierung eine weitere Senkung der Arbeitskosten. Ausländische Investoren, von denen deutsche Firmen in Ungarn einen Großteil stellen, werden von dem neuen Gesetz profitieren. Die Opposition kritisiert die Erhöhung der Überstundenanzahl als „Sklavengesetz“.

Opposition organisiert sich über die Feiertage

Auch die Gegner Orbáns immer autoritärerer Politik sind vorbereitet: Nach einer Weihnachtspause setzte sich die Demonstrationswelle in Budapest und zahlreichen anderen Städten fort. Mit über 10.000 Teilnehmern galt die Demonstration am 5. Januar in Budapest als die größte bisher gegen das „Sklavengesetz“ und verlief friedlich.

Neu an den Protesten ist die gemeinsame Organisationskraft zwischen Gewerkschaften und Studentenprotesten. “Die zwei Wochen Pause haben uns geholfen, uns zu organisieren und besser kennen zu lernen”, sagt Viktor Mák, Student an der Central European University und einer der Hauptorganisatoren der Budapester Demonstration.

Vor dem staatlichen Fernsehsender protestierten schon vor Weihnachten die Menschen gegen Ungarns neues "Sklavengesetz".
Vor dem staatlichen Fernsehsender protestierten schon vor Weihnachten die Menschen gegen Ungarns neues "Sklavengesetz".

© REUTERS/Marko Djurica

Die bisher stark zersplitterten Oppositionsparteien versuchten, trotz ihrer Unterlegenheit im Parlament durch gemeinsame Aktionen die Wahl der Gesetze zu verhindern und sind bei den Demonstrationen vor Weihnachten von rechtsextremer Jobbik bis linker “Dialog”-Partei gemeinsam aufgetreten. “Dass wir alle an einen Tisch bringen konnten, um die weiteren Proteste und politischen Forderungen zu planen, ist ein großer Schritt”, so Mák. Vor den Parlamentswahlen im April 2018, als die Oppositionsparteien vergeblich versuchten, sich gegen die Übermacht der Fidesz-Kandidaten zusammen zu organisieren, sei man noch nicht so weit gewesen.

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