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Tausende protestierten am Samstag in Belgrad gegen Präsident Vucic

© AFP/OLIVER BUNIC

Proteste in Serbien: Präsident Vucic ist genervt

In Serbien demonstrieren Zehntausende gegen politische Gewalt und ausufernde Korruption. Der Präsident versucht, die Proteste herunterzuspielen.

Trommelschläge läuten die wöchentliche Störung von Serbiens Friedhofsruhe zum Jahresende ein. Der Trillerpfeifenchor der Demonstranten steigert sich vor dem Sitz des staatlichen TV-Senders RTS zum Orkan. Buhrufe schallen durch die Straßenschlucht der Ulica Takovska.

Da den Demonstranten die Forderung nach fünf Minuten Sendezeit über die Proteste in den Abendnachrichten verwehrt blieb, beginne nun „fünf Minuten Krach“, verkündet eine Sprecherin von der Rednerbühne auf einem Lastwagen.

Serbiens marginalisierte Opposition im faktischen Einparteienstaat gibt Lebenszeichen. Zum vierten Mal in Folge haben in Belgrad am Wochenende Zehntausende gegen die politische Gewalt, ausufernde Korruption und die Mediengängelung beim EU-Anwärter demonstriert.

Waren es bei der Premiere am 8. Dezember knapp 10.000 Menschen, die über den eisigen Asphalt marschierten, zogen bei der letzten Samstagdemonstration vor dem Jahresausklang laut Angaben der Organisatoren bereits 40.000 Regierungskritiker durch die Innenstadt.

Der allgewaltige Staatschef Aleksandar Vucic zeigt sich genervt – und spielt die Proteste herunter. „Marschiert so viel ihr wollt, ich werde euch keine einzige Forderung erfüllen – auch wenn fünf Millionen von euch kommen sollten“, erklärte der angesäuerte Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei SNS schon nach der Protestpremiere. „Einer von fünf Millionen“ verkünden seitdem spöttelnd die Protestplakate der Demonstranten.

Unter dem Motto „Stoppt die blutigen Hemden“ hatten nach der brutalen Attacke gegen den Oppositionspolitiker Borko Stefanovic die Proteste begonnen: Maskierte Schläger hatten dem Chef der „Linken Serbiens“ Ende November vor einer Kundgebung in der Provinzstadt Krusevac aufgelauert und ihn mit Metallstangen krankenhausreif geprügelt.

Aleksandar Vucic
Aleksandar Vucic

© AFP/ANDREJ ISAKOVIC

„Vucic, du Dieb“, skandieren die am Präsidentenpalast vorbei flanierenden Demonstranten im Belgrader Festtagsschein: Die in vier Jahren um das 100fache gestiegenen Ausgaben für die Neujahrsbeleuchtung sind für Regierungskritiker ein tristes Sinnbild für die grassierende Vetternwirtschaft im SNS-Staat.

Seit die von von der ultranationalistischen SRS abgespaltene SNS vor sechs Jahren das Regierungsruder übernommen hat, wird ihr machtbewusster Vormann Vucic im Westen als pro-europäischer Hoffnungsträger für den anvisierten Ausgleich mit Kosovo verhätschelt. Der ist jedoch nicht in Sicht. Um Demokratie, Pressefreiheit und Gewaltenteilung ist es beim EU-Anwärter Serbien immer schlechter bestellt. Statt des von der EU geforderten Rückzugs des Staates nimmt die Regierungspartei Medien und Justiz immer fester in ihren Griff.

Noch liegt Vucic in den Umfragen einsam vorn – seine SNS triumphiert auch dank ihrer Medienmacht bei jeder Nachwahl. Doch die Unzufriedenheit über den Liebhaber des Selbstlobs und der vollmundigen Versprechen nimmt nicht nur in der Hauptstadt zu.

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