zum Hauptinhalt
Trump hat die Friedensverträge verhandelt, die Israels Staatschef Netanjahu 2020 fast serienweise einsammeln konnte (Archivfoto von 2017).

© Ronen Zvulun/Reuters

Pro & Contra: Hat Donald Trump den Nahost-Konflikt befriedet?

Mehrere Friedensverträge zwischen arabischen Staaten und Israel hat der Noch-US-Präsident ermöglicht. Eine historische Leistung? Zwei Meinungen.

Hat Donald Trump den Nahost-Konflikt befriedet und damit vollbracht, woran viele vor ihm gescheitert sind? Nein, argumentiert Andrea Nüsse an dieser Stelle. Ja, schreibt Christian Böhme hier:

Ein Polterer. Einer, der die Brechstange einsetzt. Einer, der bereit zu sein scheint, aus einem Bauchgefühl heraus einen Krieg zu riskieren. Das alles trifft auf Donald Trump und seine Amtszeit zu – und es gilt auch für sein Agieren im Nahen Osten. Diplomatisches Geschick? Fehlanzeige. Vermitteln statt eskalieren? Nicht mit ihm. Etwas anbieten, um die Gegenseite gewogen zu machen? Undenkbar für einen, der allein an die eigene Stärke glaubt.

Besonders deutlich zeigte sich diese Politik des „maximalen Drucks“ im Konflikt mit dem Iran. Mehrfach drohte der Streit mit den Mullahs, sich zu einer bewaffneten Konfrontation mit unabsehbaren Folgen auszuwachsen.

Dieses brachiale Auftreten überdeckt allerdings etwas Konstruktives. Denn Trump ist auch ein Dealmaker. Ihm und seinem Schwiegersohn Jared Kushner ist es gelungen, Israel und die arabische Welt einander näher zu bringen. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, der Sudan und jüngst Marokko: Nach Jahrzehnten erbitterter Feindschaft normalisieren sie ihre Beziehungen zum jüdischen Staat. Das heißt nichts Geringeres als: Sie machen ihren Frieden mit den „Zionisten“. Vermutlich wird sogar Saudi-Arabien bald offiziell mit dabei sein.

Ein Selbstläufer war das Normalisieren nicht. Trump und Kushner haben einiges auf- und angeboten, um den Arabern die Abkommen mit Israel schmackhaft zu machen. Es gab viel Geld, militärische Ausrüstung und handfeste Drohungen. Oder es wurden heikle Wünsche erfüllt. So erkennen die USA nun die Annexion der Westsahara durch Marokko als Fakt an.

Klar ist ebenfalls: Vor allem die Furcht vor dem Iran schweißt die arabischen Herrscher und Jerusalem zusammen. Dass es in einigen Ländern Proteste gibt gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel, braucht ebenfalls niemanden zu wundern. Die Menschen sind mit dem Hass auf den Judenstaat aufgewachsen. Nur: Schon bald werden Marokkaner, Sudanesen und Emiratis die Vorzüge einer Partnerschaft mit Israel zu schätzen wissen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das kleine Land am Mittelmeer ist eine wirtschaftliche Großmacht. Mit einem solchen Partner zu kooperieren, wird sich für alle bezahlt machen. Und quasi nebenbei werden viele Araber feststellen, dass die Israelis nicht des Teufels sind, sondern Geschäftspartner, Touristen und Verbündete.

Am Ende könnten sogar die Palästinenser vom neuen Nahen Osten profitieren. Jahrelang galt im Konflikt mit Israel: Land gegen Frieden. Bewegt hat sich mit dieser Doktrin rein gar nichts. Nun gilt in der Region Benjamin Netanjahus Devise „Frieden gegen Frieden“.

Die Zweistaatenlösung ist der arabischen Welt längst egal

Eine Zweistaatenlösung mag damit endgültig vom Tisch sein. Aber ist sie überhaupt noch eine realistische Option? Wäre es nicht Zeit, Neues zu wagen, jetzt, da die arabische Welt nicht mehr verhehlt, dass ihnen die palästinensische Sache einerlei ist?

Israelis und Palästinenser müssen sich zusammenraufen und allein ihren Konflikt lösen. Womöglich ist ein binationaler Staat ja doch ein gangbarer Weg. Trump und Kushner setzen darauf, dass die Aussicht auf ein wenig Wohlstand politische Vorbehalte aufwiegen kann. Das mag undiplomatisch gedacht sein. Es so versucht zu haben, verdient aber Respekt. Kaum auszudenken, sollte die Initiative tatsächlich Friedensfrüchte tragen.

Nachhaltig geht anders! Hier das Contra von Andrea Nüsse.

Hat Donald Trump den Nahost-Konflikt befriedet und damit vollbracht, woran viele vor ihm gescheitert sind? Ja, schreibt Christian Böhme an dieser Stelle. Nein, argumentiert Andrea Nüsse hier:

Niemand ist gegen Frieden. Daher werden die angekündigten Friedensschlüsse mehrerer arabischer Länder mit Israel, die US-Präsident Donald Trump auf den letzten Metern seines Wiederwahlkampfs überraschend verkünden konnte, als historischer Fortschritt gefeiert. Dennoch bleiben großes Unbehagen und Skepsis zurück.

Es würde ja durchaus reichen, wenn die Friedensschlüsse, so sie wirklich unterzeichnet werden, nur zu einem kalten Frieden führen – auch wenn das faktisch der Zustand war, in dem sich zumindest die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrein und Marokko längst mit Israel befanden. Doch die Nachhaltigkeit dieser Deals ist aus mehreren Gründen fragwürdig. Sie wurden – außer im Sudan– mit autoritären Herrschern abgeschlossen, ohne Diskussion oder Einbindung der Bevölkerung.

US-Waffen als Dank für das Ja zum Frieden mit Israel

Die ist in weiten Teilen gegen formale Normalisierung der Beziehungen mit Israel, wenn nicht zuvor die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete beendet wird. Das war jahrzehntelang auch die Position ihrer Herrschenden.

Im Falle Sudans ist es anders – und besonders heikel: Hier sitzt kein Diktator mehr am Hebel, der sein Volk ignorieren kann. Das Land befindet sich in einem fragilen demokratischen Übergangsprozess. Den hätten die USA etwa durch Aufhebung ihrer Sanktionen unterstützen können. Stattdessen haben sie damit Druck gemacht, um den Friedensschluss mit Israel zu „erzwingen“. Das kann sich als Hypothek für die demokratische Regierung erweisen.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty. ]

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko bekamen dagegen die Zusicherung für milliardenschwere US-Waffenlieferungen für ihre Friedens-Deals. Autoritäre Regime, die ihre eigenen Bevölkerungen unterdrücken und im Falle Marokkos im Dauerstreit mit seinem Nachbarn Algerien liegen, werden so mit modernster Waffentechnik ausgerüstet – im Gegenzug für einen Frieden mit einem weit entfernten Land, das sie ohnehin nicht bedroht hat. Das ist eine Friedensdividende der ganz besonderen Art.

In Marokko wird ein anderer Konflikt für den Frieden angeheizt

Noch verheerender könnte langfristig sein, dass die „Friedenabkommen“ erkauft wurden durch die Abkehr vom Völkerrecht. Die internationalen Rechtsordnung enthält das Recht der Selbstbestimmung und das Verbot der gewaltsamen Aneignung fremden Territoriums.

Die USA tolerieren seit Jahrzehnten die völkerrechtswidrige Zersiedlung der Palästinensergebiete durch Israel. Und nun boxt Trump auch noch unter Missachtung des Völkerrechts den Frieden Marokkos mit Israel durch: Die USA erkennen im Gegenzug die dessen Oberhoheit über die Gebiete der Westsahara an. Die gehören laut internationalem Recht aber nicht zu Marokko, sondern die dort lebenden Sahrawis sollten die Möglichkeit erhalten, durch ein Referendum selbst über ihr politisches Schicksal zu entscheiden. Das ist UN-Position. Aus Frust über die ausbleibenden Fortschritte hatte die militärische Vertretung der Sahrawis, die von Algerien unterstützt wird, kürzlich die Waffenruhe mit Marokko aufgekündigt. In diese explosive Lage hinein fällt nun noch die US-Anerkennung der marokkanischen Óberhoheit über dieses Gebiet, die auch ein neuer US-Präsident schwerlich wird rückgängig machen können. Verantwortungsvolle Geo- und Friedenspolitik sieht anders aus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false