zum Hauptinhalt
Ein bisschen Privatheit am Computer am Arbeitsplatz ist in Ordnung, urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

© Daniel Naupold/dpa

Private Mails am Arbeitsplatz: Europäisches Gericht stärkt Recht auf Privatleben im Unternehmen

Ein Arbeitnehmer war von einem Unternehmen in Rumänien entlassen worden, weil er das Internet für private Kontakte nutzte. In Straßburg war seine Beschwerde nun erfolgreich.

Arbeitnehmer können auch am Arbeitsplatz grundsätzlich ein Recht auf Privatleben und Schutz ihrer privaten Korrespondenz geltend machen. Dies hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg am Dienstag am Fall eines Ingenieurs aus Rumänien entschieden, dem wegen privater Nutzung eines dienstlichen Internet-Accounts gekündigt worden war. Das Urteil haben alle 47 Mitgliedstaaten des Europarats zu beachten, auch Deutschland.

Die rumänischen Gerichte, die die Kündigung noch bestätigt hatten, haben es nach Ansicht des EGMR unterlassen, die Rechte des Arbeitnehmers mit den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in einen fairen Ausgleich zu bringen. Dem Betroffenen sei vorher nicht hinreichend klar gewesen, in welchem Ausmaß seine Internetnutzung kontrolliert worden sei. Die Gerichte hätten auch keine Maßstäbe festgelegt, wann eine solche Überwachung gerechtfertigt sein könnte oder ob mildere Mittel genügen würden.

Der Ingenieur war drei Jahre bis zum Sommer 2007 für eine Firma in Bukarest tätig. Auf Weisung seines Arbeitgebers hatte er sich zwecks Kundenkontakt bei einem Messengerdienst angemeldet. Im Juli 2007 erklärte die Firma, sie habe einen Beschäftigten entlassen, weil dieser Internet, Telefon und Kopierer privat benutzt habe. Kurz darauf wandten sich die Vorgesetzten auch an den Kläger. Als dieser den Vorwurf abstritt, wurde er mit 45 Seiten Korrespondenz konfrontiert, die er seit der öffentlich bekannt gegebenen Entlassung des Kollegen mit seinem Bruder und seiner Verlobten geführt hatte, teils mit intimen Inhalten.

Der Fall traf auch innerhalb des Straßburger Gerichtshofs auf unterschiedliche Sichtweisen. So lehnte eine Kammer des EGMR eine Verletzung von Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, zunächst ab. Die Überwachung des Arbeitnehmers aus disziplinarischen Gründen sei gerechtfertigt, hieß in dem ersten EGMR-Urteil von 2016.

Die Beschwerde des Mannes gegen das Urteil war nun erfolgreich. Auch wenn die Erwartungen des Klägers auf Privatheit am Arbeitsplatz angesichts strikter Vorgaben zur privaten Nutzung dienstlicher Kommunikationsmittel fraglich seien, dürfe sein Sozialleben am Arbeitsplatz nicht vollkommen unterbunden werden. Der Anspruch auf Achtung des Privatlebens bestehe fort und dürfe nur so weit eingeschränkt werden, wie es nötig sei, hieß es. Auch diese Entscheidung war im EGMR umstritten. Mehrere Richter äußerten eine abweichende Meinung.

In Deutschland stellen die Gerichte stärker auf den Einzelfall ab

In Deutschland könnte das EGMR-Urteil Arbeitgeber zur Klarstellung veranlassen, in welchem Umfang und bei welchem Verdacht sie die Nutzung von Internetdiensten nachverfolgen. Hier stellen die Gerichte stark auf den Einzelfall ab. Hat der Arbeitgeber die private Nutzung ausdrücklich verboten, wozu er jederzeit berechtigt ist, rechtfertigt ein Verstoß dagegen bisher meist eine Kündigung ohne eine vorherige Abmahnung. Gibt es keine Regelung, darf ein Arbeitnehmer die Nutzung für zulässig erachten, so lange seine Arbeit nicht davon beeinträchtigt wird. Die Kontrolle von Mails oder Browserverläufen ist nur eingeschränkt zulässig. So hat das Bundesarbeitsgericht im Juli entschieden, dass der Einsatz eines so genannten Keyloggers, der Tastatureingaben aufzeichnet, ohne begründeten Verdacht unzulässig sei und die Protokolle in Kündigungsprozessen nicht verwertet werden dürfen (Az.: 2 AZR 681/16).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false