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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Staatsminister Hendrik Hoppenstedt (CDU). Finanzminister Olaf Scholz (l.) gehört nicht zum Team aus der Regierungszentrale.

© Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Exklusiv

Pressespiegel des Bundeskanzleramts: Rechtsextreme Medien auf Merkels Schreibtisch

Das Bundeskanzleramt sichtet seit einem Jahr gezielt Social-Media-Kanäle und Online-Portale – wohl auch als Basis für die tägliche „Morgenlage“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kanzleramt richten ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf politische Debatten im Internet. Dabei lassen sie sich im Rahmen ihrer Presseschau auch regelmäßig über Inhalte auf rechtspopulistischen und rechtsextremen Plattformen informieren. Dies geht aus Dokumenten hervor, die das Kanzleramt auf einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an den Tagesspiegel herausgegeben hat.

Demnach liegt rechtzeitig für die „Morgenlage“ genannte tägliche Dienstsitzung im Kanzleramt werktäglich neben politischen Berichten aus Presse und Rundfunk eine „Auswertung Soziale Medien“ vor.  Unter der Kategorie „Alternative Medien/Blogs“ wird dort auf drei bis vier „beachtenswerte Artikel“ der letzten 24 Stunden hingewiesen, die häufig von Portalen wie „Journalistenwatch“ oder „Politically Incorrect“ (PI) stammen.

„Journalistenwatch“ veröffentlicht unter anderem Videos des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner von der „Identitären Bewegung“, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die „PI-News“, die sich selbst als „News gegen den Mainstream“ beschreiben, richten sich vorwiegend gegen den Islam und Migranten in Deutschland.

Staatsministerin Bär spricht von „widerlichem Dreck“ und „Müll“

In der Kategorie „Alternative Medien/Blogs“ finden sich außerdem wiederkehrend Hinweise auf „beachtenswerte Artikel“ von Internetportalen der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und des „Compact Magazins“, das der Verfassungsschutz im Frühjahr als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat. Mehrfach werden auch Texte aus dem Blog „Tichys Einblick“ des konservativen Wirtschaftspublizisten Roland Tichy genannt.

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Tichy hat den Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung abgegeben, weil in seinem Medium eine sexistische Attacke auf die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli veröffentlicht worden war. Die Staatsministerin im Kanzleramt Dorothee Bär (CSU) nannte die Publikation „widerlichen Dreck“ und „Müll“.

Zusammengestellt wird die Auswahl vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, das Merkels Sprecher Steffen Seibert leitet. Seibert hatte vergangenen Sommer entschieden, dass die übliche Presseschau künftig um Posts und Artikel aus digitalen Medien ergänzt werden soll. Seit Oktober 2019 erstellt seine Behörde die entsprechende Übersicht und schickt sie morgens um sieben Uhr an das Kanzleramt. Sie enthält unter anderem auch die „zehn interaktionsstärksten politischen Posts der letzten 24 Stunden“ sowie den „interaktionsstärksten Post“.

Je nach Nachrichtenlage würden in unregelmäßigen Abständen weitere Hinweise des Social-Media-Monitorings zur Verfügung gestellt, hieß es. Ausgewertet würden unter anderem Facebook, Youtube, Twitter und Instagram. Eine feste Liste mit Suchbegriffen existiere nicht; man konzentriere sich auf „politische Inhalte“.

Rechte Blogs haben Spitzen-Reichweiten

Die häufige Nennung rechter und rechtsextremer Portale und Blogs dürfte auf ihren Erfolg beim Publikum zurückzuführen sein. In die Presseschau kämen Beiträge der „reichweitenstärksten deutschen Zeitungen und Online-Portale“, teilte das Presseamt mit. Die dem Tagesspiegel übergebenen Dokumente zum „Social Media Monitoring“ der Bundesregierung stammen vom Jahresanfang. Weitere Einsichtnahmen verweigert das Bundespresseamt bislang.

Nach Auskunft des Kanzleramts bildet die tägliche Medienschau mit einem „Überblick über das aktuelle Geschehen“ den wesentlichen Programmpunkt der „Morgenlage“, die auf einen kleinen Kreis beschränkt ist. Neben der Kanzlerin und Seibert nehmen noch der Chef des Bundeskanzleramts Helge Braun, Merkels Staatsminister Hendrik Hoppenstedt, ihre Medienberaterin Eva Christiansen, die Leiterin der Zentralabteilung Babette Kibele sowie deren Büroleiterinnen und -leiter teil.

Solange Merkel noch CDU-Vorsitzende war, hatten auch hochrangige Parteifunktionäre Zugang, darunter die damalige Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Zusammensetzung der Runde wurde vom Kanzleramt lange geheim gehalten, musste aber nach Klage des Tagesspiegels auf Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Az.: OVG 6 S 47.19) im vergangenen Dezember offengelegt werden.

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